Seit bald 1400 Jahren rätseln Kommentatoren der letzten Abschnitte der kahf-Sure (Sure Nr. 18), wer nur jener geheimnisvolle „Inhaber der zwei Hörner“ (đû l-qarnayn) sein mag. Wie nahe können wir mit unserem heutigen Wissen über die Menschheitsgeschichte an die Beantwortung dieser Frage herankommen?
Es wurden bereits so einige Personen als Kandidaten vorgeschlagen. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, müssen wir uns zuerst die in der Sure erwähnten Eigenschaften und Umstände der Person vor Augen führen und dann betrachten, welche der Personen diesen am ehesten entspricht oder entsprechen. Dies ist unsere Übersetzung des betreffenden Surenabschnitts (die zu jedem Vers gehörende Nummer ist jeweils nachgestellt):
Und sie fragen dich nach dem Inhaber der zwei Hörner1. Sag': Eine Erwähnung von ihm werde ich euch verlesen [83] Wir2 richteten festen Sitz auf Erden für ihn ein3 und gaben ihm von allen Dingen her einen Faden4 [84] Da verfolgte er einen Faden5 [85] Bis er, als er den Ort des Untergangs der Sonne erreicht hatte,6 sie in einer warmen7, schlammigen Quelle untergehend vorfand, und bei ihr ein Volk8 fand. Du Inhaber der zwei Hörner,9 sagten Wir10, entweder du peinigst, oder du eignest dir an ihnen Vortrefflichkeit an [86] Was den betrifft, der Unrecht begeht, sagte er, den werden wir peinigen, sodann wird er zu seinem Herrn zurückgebracht, der wird ihn in nie gekannter Peinigung peinigen [87] Wer aber glaubt und Rechtschaffenes zuwerke bringt, dem sei als Entgelt das Vortrefflichste. Und von unserer Sache werden wir ihm Leichtigkeit zusagen [88] Sodann verfolgte er einen Faden [89] Bis, als er den Ort des Aufgangs der Sonne erreicht hatte,11 er sie über einem Volk12 aufgehend vorfand, dem Wir vor ihr keine Bedeckung gegeben hatten [90] So war es. Und das, was bei ihm war, umgaben Wir durchaus mit Kundigkeit [91] Sodann verfolgte er einen Faden [92] Bis er, als er zwischen den beiden Sperren13 ankam, bei ihnen ein Volk14 fand, das kaum etwas Gesagtes verstand [93] Du Inhaber der zwei Hörner, sagten sie, Gog und Magog15 stiften Verderben im Lande, sollen wir dir also eine Auszahlung dafür widmen, dass du zwischen uns und ihnen eine Sperre einrichtest? [94] Er sagte: Worin mein Herr mir festen Sitz verliehen hat, ist besser. Helft mir also mit Kraft, dann werde ich zwischen euch und ihnen einen Wall errichten [95] Gebt mir Eisenstücke. Bis er, als er die beiden Gipfel zu einer Ebene gemacht hatte, dann sagte: Blast. - Bis, als er es zu Feuer hatte werden lassen, er sagte: Gebt mir Kupfer, das ich darüber gießen will. [96] Daraufhin vermochten sie ihn weder zu übersteigen, noch vermochten sie, ihn zu durchlöchern. [97] Dies, sagte er, ist eine Barmherzigkeit von meinem Herrn. Wenn aber die Verheißung meines Herrn kommt, wird Er ihn zu Schutt werden lassen. Und die Verheißung meines Herrn ist wahr. [98]
Auf der Grundlage dieser Verse aus Sure Nr. 18 lässt sich nun ein „Steckbrief“ zusammenstellen...
Anhand dieses Abschnitts (18:83-98) lässt sich über Dhul Qarnayn folgendes sagen: Dhul Qarnayn...
Vorgeschlagen wurden bisher hauptsächlich: Ein himjaritisch-jeminitischer Herrscher oder andere, weitgehend unbekannte arabische oder afrikanische Herrscher (z.B. ein ominöser himjaritischer Saab Ibn Fey Maraid), Salomo, Echnaton, Kyros II. und Alexander III. von Makedonien - indirekt ist auch Gilgamesch im Spiel. Ich selbst gelangte zu dem Eindruck, dass auch Dareios I. in Frage kommt, weswegen ich ihn ebenfalls zur Diskussion stelle.23 Betrachten wir nun, inwieweit diese Personen für eine Identifikation mit Dhul Qarnayn tatsächlich in Frage kommen.
Diese Annahme stützt sich hauptsächlich auf angebliche, anfangs rein mündlich überlieferte, altarabischen
Dichtern zugeschriebene Gedichtverse, in welchen ein himjaritischer
Herrscher des Jemen und sein Weltreich besungen werden. Die Echtheit
dieser Gedichtverse lässt sich jedoch nicht feststellen, sondern sie
erweisen sich, im Gegenteil, als Hinzufügungen, die in den
ursprünglichen Textkörpern nicht vorkommen, soweit das urspüngliche Gedicht an sich überhaupt echt ist.
Als weiteres Argument wird das Element „Dhu“ im Namen des Protagonisten, welches typischerweise der erste Teil der Namen himjaritischer Herrscher war (z.B. Dhu Nuwas), angeführt. Dies trägt zur Sache jedoch so gut wie nichts bei, da das Element ein normaler Bestandteil der arabischen Sprache ist (Bed.: „der mit den...“) und im Koran auch andere Personen, und zwar nicht-himjaritischer Herkunft, anhand dieses Elements benannt werden, z.B. der Gottesbote Jonas (đu n-nûn) oder ein anderer, wahrscheinlich mit Hesekiel oder einem Sohn Hiobs zu identifizierender Prophet (đu l-kifl).
Auch weil sich das himjaritische Territorium lediglich auf Teile der Arabischen Halbinsel beschränkte und sich das in den Gedichten besungene Weltreich anscheinend nicht mit archäologischen Fakten vereinbaren lässt, scheidet dieser Kandidat vorerst aus.
Über diesen mutmaßlichen Regenten der Sumerer, der Schätzungen zufolge vor fast 5000 Jahren gelebt hat, wissen wir so gut wie gar nichts. Breiteren Raum nimmt seine Erwähnung in den verschiedenen Versionen des legendären Gilgamesch-Epos ein, welches jedoch offensichtlich kein historischer Bericht ist, sondern eine Art Heldenmärchen darstellt. Und selbst wenn dies nicht so wäre, so würde er die meisten Anforderungen unseres Steckbriefs nicht erfüllen; als besonders unwahrscheinlich erweist sich seine Identifikation mit Dhul Qarnayn dadurch, dass im koranischen Bericht auf Dhul Qarnayns Geheiß große Mengen Eisen verarbeitet werden, während die Eisenzeit der Menschheit nach heutigem Wissen frühestens erst 1800 Jahre später einsetzte (ca. 1200 v. Chr.).
Die Figur des Gilgamesch ist in Bezug auf Dhul Qarnayn allenfalls für jemanden interessant, der nicht an den göttlichen Ursprung des Ehrwürdigen Koran glaubt und darauf spekuliert, diesen Ursprung mit Übereinstimmungen zwischen dem Gilgamesch-Epos und dem koranischen Bericht über Dhul Qarnayn zweifelhaft erscheinen zu lassen. Solche Übereinstimmungen lassen sich jedoch allenfalls in einem unbedeutenden Maß feststellen.24
Es könnte sich mit koranexegetischen Mitteln für ihn als Dhul Qurnayn argumentieren lassen, da er wie Dhul Qarnayn mit Kupfer (qiTr) in Verbindung gebracht wird (Sure 34:12) und Gott in einem im Koran zitierten, prophetischen und somit als erfüllt anzusehenden Bittgebet, um eine Königsherrschaft bzw. ein Königreich bittet, das niemandem nach ihm zustehen solle (Sure 38:35), und anderen Kandidaten, z.B. Dareios I. und Alexander III von Makedonien, zeitlich lange vorausging.
Dieser Kandidat scheidet ebenfalls vorerst aus, da Leistungen wie die Dhul Qarnayns über den damaligen Herrscher der Israeliten, zu deren Identität der große Stolz auf ihn gehört, in den jüdischen Schriften der Bibel erwähnt sein müssten. Sure Nr. 27 lässt sich entnehmen, dass seiner Außenpolitik wohl keine Doktrin der militärischen Eroberungen zugrunde lag, sondern die der (wenn auch manchmal resoluten) Kommunikation. Man müsste sich außerdem fragen, warum der Ehrwürdige Koran Salomo sonst immer beim Namen nennt und ihn nur bei dieser Geschichte derart anonymisiert.
Derweil sind die erwähnten Anhaltspunkte zu schwach, u.a. da die Besonderheit des salomonischen Königtums auch im Koran weniger in der Ausdehnung seines Territoriums lag (im Gegenteil: Die recht prinzipiell anmutende Bevorzugung der Fernsteuerung deutet auf verminderte Reisetätigkeit hin, s. Sure 27:37, 27:38-40, 34:12, 38:36) als in den inventarischen und künstlerischen Erzeugnissen, sowie in der Kontrolle über außergewöhnliche Kategorien von Wesen und Kräften insbesondere der unsichtbaren Natur.
Besonders ahistorisch erscheint die Annahme des saudischen Autors und Privatforschers Hamdiy b. Hamza, Dhul Qarnayn sei mit dem ägyptischen Pharao Echnaton zu identifizieren. Dieser habe sein Volk vom einen Gott im abrahamitischen Sinne überzeugen wollen und habe dann, um den Rest der Welt zum Glauben zu rufen, mit einer handvoll Gefolgsleuten das Land verlassen, nachdem sein Vorhaben im eigenen Lande gescheitert sei. Die einfachste auf islamischen Lehren basierende Widerlegung dieser Annahme ist vermutlich die folgende: Wäre eine derart kleine Gruppe mit ihm unterwegs gewesen, könnte man die Macht zur Bestrafung ganzer Völker nur erklären, indem man ihm ein von göttlichen Wundern unterstütztes Prophetentum im Sinne der abrahamitischen Religionen zuschreibt. Ein solches lässt sich jedoch unter keinen Umständen mit dem vereinbaren, was Echnaton nach kaum mehr anzweifelbaren modernen Erkenntnissen war: Ein Sonnenanbeter.
In diesem Lichte dürften sich auch Kommentare zu weiteren merkwürdigen Zuordnungen erübrigen, wie beispielsweise die Behauptung, bei dem Wall, den Dhul Qarnayn erbaut habe, handele es sich um die Chinesische Mauer, obwohl diese im Wesentlichen weder aus Eisen noch aus Kupfer besteht.
Mit dem persischen „Großkönig“ Kyros II. kommen wir erstmals zu einer historischen Persönlichkeit, bei der ernstzunehmende Chancen bestehen, mit Dhul Qarnayn identifizierbar zu sein. Eine Reihe der oben genannten Kriterien scheinen auf ihn zuzutreffen.
Durch seine Eroberungen ist er der Begründer Persiens als Weltreich, nachdem es nur ein verhältnismäßig kleines Territorium umfasste. Dabei wurde er ca. 550 v. Chr., etwa neun Jahre nach seiner Inthronisierung, zum ersten Regenten der zwei Reiche der Meder und Perser zusammen; obwohl weitere Völker hinzukamen, wurde das Reich auch in späterer Zeit als dasjenige der Meder und Perser charakterisiert. Er residierte in zwei Hauptstädten.
Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang Stellen im biblischen Buch Daniel, in welchen „die Könige der Meder und Perser“ explizit durch ein „Widder mit zwei Hörnern“ symbolisiert werden:
Und ich erhob meine Augen und sah: Und siehe, ein Widder stand vor dem Fluss, der hatte zwei Hörner; und die zwei Hörner waren hoch, und das eine war höher als das zweite, und das höhere stieg zuletzt auf. Ich sah den Widder nach Westen und nach Norden und nach Süden stoßen, und kein Tier hielt ihm stand, und niemand rettete aus seiner Hand; und er handelte nach seinem Belieben und wurde groß. Und während ich achtgab, siehe, da kam ein Ziegenbock von Westen her über die ganze Erde, und er berührte die Erde nicht; und der Bock hatte ein ansehnliches Horn zwischen seinen Augen. Und er kam zu dem Widder mit den zwei Hörnern, den ich vor dem Fluss hatte stehen sehen; und im Zorn seiner Kraft rannte er auf ihn zu. Und ich sah ihn neben dem Widder eintreffen, und er ergrimmte gegen ihn, und er stieß den Widder und zerbrach seine beiden Hörner; und in dem Widder war keine Kraft, vor ihm zu bestehen. Und er warf ihn zu Boden und zertrat ihn, und niemand rettete den Widder aus seiner Hand. [...] Der Widder mit den zwei Hörnern, den du gesehen hast, das sind die Könige von Medien und Persien. Und der zottige Ziegenbock ist der König von Griechenland. Und das große Horn, das zwischen seinen Augen war, das ist der erste König. 25
Dazu passt ein muslimischer Bericht aus der islamischen Frühzeit, der byzantinische Kaiser Herakleios habe muslimischen Besuchern zur Regierungszeit Abu Bakrs Bilder berühmter Propheten gezeigt, die Herakleios' Angaben zufolge der mit den zwei Hörnern aus dem Ort des Sonnenuntergangs hervorgeholt und anschließend Daniel übergeben
habe.26 Durch Berechnungen lässt sich in der Tat zeigen, dass Daniel , sofern gewisse biblische Angaben stimmen, wahrscheinlich als älterer Mann die Entwicklung Kyros' II. zum König der Meder und Perser miterlebte. - Der indische Schriftsteller und Politiker Abul Kalam Azad, der wohl als erster die Identifikation Kyros' II. mit Dhul Qarnayn verfocht, meinte sogar einen Vorläufer dieses Namens im hebräischen Original des Buches Daniel entdeckt zu haben: „Lo qarna'im“. Doch hier erlag er einem auf mangelnde Hebräischkenntnisse zurückzuführenden Irrtum. Der Ausschnitt bezieht sich auf den Widder und lautet: wə lōw qərānāyim („Und er hat[te] zwei Hörner“). Der Ausdruck lōw gehört hier nicht zum Namen, sondern bedeutet „er hat“, nicht aber „der mit dem“. Interessanter ist dagegen seine Feststellung, dass Kyros II. auf einem Relief aus seiner Zeit anscheinend mit zwei Hörnern auf dem Kopf dargestellt wird.27
Von Kyros II. sprechen die israelitischen Schriften des Alten Testaments in einer geradezu enthusiastischen Weise, jedenfalls rühmen sie seine Toleranz gegenüber den Juden und seine Erlaubnis oder gar Anweisung, den Jerusalemer Tempel wiederaufzubauen. Dies spräche mindestens für eine Sympathie seinerseits zum abrahamitischen Monotheismus, insbesondere da er ansonsten - dies nun nach außerbiblischen Anhaltspunkten - in den eroberten Staaten konsequent die Befugnisse größerer Tempel beschnitt, um deren gesellschaftlichen und politischen Einfluss zu begrenzen. Damit könnte ein Kriterium erfüllt sein, das viele zur obigen Liste hinzufügen, wenn nicht gar an die Spitze stellen, nämlich, dass Dhul Qarnayn zumindest in einer rudimentären Form ein glaubender Muslim gewesen sein müsse, d.h. ein Monotheist nach abrahamitischem Prinzip ohne die mutwillige Ablehnung irgendeiner grundlegenden, zeitlosen Glaubenswahrheit. Inspiriert ist dieses Kriterium zweifellos vom Stil der Rede, mit der ihn der Koran zitiert, da er an den Stil der Reden erinnert, mit denen er andernorts Propheten zitiert, insbesondere Salomo in Sure Nr. 27 (was wohl wiederum der Anlass war, letzteren als Kandidaten vorzuschlagen). Andere ausreichende Hinweise über seine persönliche religiöse Einstellung liegen in dieser Richtung anscheinend nicht vor, auch nicht bezüglich seines Verhältnisses zum Zoroastrismus.
Zu dem Bild vom Freund des abrahamitischen Monotheismus und Helden der Juden passt auch, dass es laut einer Überlieferung von Ibn Ishaq Juden waren, welche Dhul Qarnayn zum Gegenstand der Befragung Mohammeds machten, anlässlich derer Sure 18:83-98 herabgesandt wurden. Da liegt es nahe, dass sie jemanden meinten, den sie aus ihrem religiösen Schriftenerbe gut kannten und dem sie sich eng verbunden fühlten. Von allen Persönlichkeiten, die in dieser Abhandlung erwähnt werden außer Salomo ist dies bei keiner so sehr der Fall wie bei Kyros II., der in der jüdischen Bibelliteratur quasi ein Messias genannt wird (Jesaja 45,1). Leider ist nach überlieferungswissenschaftlichen Kriterien die Überlieferung Ibn Ishaqs nichtsdestotrotz unbrauchbar, da ihre Überliefererkette lückenhaft ist.28 29
Man mag einwenden, dass Texte der Bibel wie das Buch Daniel noch weniger authentisch sind, da sie jedweder Überliefererkette völlig entbehren, und erst recht, zumal in der Wissenschaft davon ausgegangen wird, dass das Buch Daniel in der heutigen Form erst im 2. Jhd. v. Chr. und somit lange nach dem Propheten Daniel und dem Perserkönig Kyros II. entstand. Doch geht es eher darum, jemanden zu finden, zu dem die Titulierung als Zweigehörnter passt, und dies ist bereits bei jedem der Fall, dessen Assoziation mit zwei Hörnern sich bei einem signifikanten Teil der Adressaten des Koran, zu denen auch die Juden gehören, etabliert hat, und beruhe diese Assoziation auch auf nicht-authentischen Überlieferungen, erst recht, wenn die Assoziation aus einer nicht völlig abwegigen Symbolisierung besteht. Derartiges können z.B. biblische Texte leisten - islamische Überlieferungen mit unvollständigen Überliefererketten aus zeitlogischen Gründen jedoch nicht, denn auf ihnen beruhende Assoziationen können erst eine erhebliche Zeit nach der Offenbarung entstehen.
Somit dürften viele Punkte unseres „Steckbriefs“ auf Kyros II. zutreffen. Nichtsdestotrotz ist die Anzahl der noch im Dunkeln liegenden Punkte nicht gerade eine, die den Eindruck der Vernachlässigbarkeit macht (z.B. Punkte 17 bis 22).
Besonders Punkt 17 wird von den Verfechtern der Kyros-II.-Theorie auf merkwürdige Weise erklärt. Das westliche Extremum sei die türkische Westküste und die warme Quelle mit dem schlammigen Wasser das Ägäische Meer. Weder aus der Sicht der arabischen Sprache noch ansonsten ist es ersichtlich, mit welcher Rechtfertigung ein Meer mit kaltem, klarem Wasser mit jener Quelle gleichgesetzt werden kann. Vielleicht noch problematischer: Kyros II. ist laut den Geschichtsbüchern im Gegensatz zu seiner Armee wohl gar nicht persönlich vor Ort gewesen.30
Zudem zeigen die Texte, die er auf dem Kyros-Zylinder hinterlassen hat, dass er unter allen Kandidaten dieses Artikels der hochmütigste und überheblichste war, was sich nicht sehr mit Punkt 11 veträgt. Sie zeigen auch, dass er polytheistisch gesinnt war, womit der Hauptgrund, ihn Alexander vorzuziehen, wegfallen würde.
Die Chronologie der militärischen Expansionen in Kyros' II. Regierungszeit ist nicht bis ins letzte Detail genau bekannt, doch scheint Kyros II. nach der Unterwerfung der Meder sich nicht in Richtung Westen, sondern in die genaue Gegenrichtung begeben zu haben (nach Parthien). Dieser Einwand mag von geringerem Gewicht sein, wenn man diese und andere Aktivitäten noch als Teil der Konsolidierung des Meder-Perser-Reiches einordnet, so dass dieser Sachverhalt hinsichtlich des notwendigen Machthöhepunktes mit Punkt 17 noch im Einklang steht. Die dritte Expansionsrichtung, nämlich nach Norden, will jedenfalls nicht so recht zu Punkt 22, dem sie zugeordnet wird, passen. Denn im Verlaufe dieser Expansion zeigte sich, dass er eben nicht allzu sehr in der Lage war, ganze fremde Völker vor anderen zu schützen: Er wurde in den Kämpfen getötet.
Fraglich ist auch, ob ein einziges Relief, auf welchem der Perserkönig mit einem zweihörnigen Geweih dargestellt wird, ausreicht, um ihm den Titel „Der mit den zwei Hörnern“ zu verleihen, wenn er auf anderen Bildnissen ohne einen derartigen Kopfschmuck zu sehen ist (falls es sich überhaupt um Hörner handelt31). Der zweihörnige Widder aus dem Buch Daniel dürfte ebenfalls nicht genügend zu dieser Sache beitragen, zumal der Text den Widder erstens nicht als einen König, sondern die Könige der Meder und Perser bezeichnet, und zweitens das Horn des ihn angreifenden Ziegenbocks für einen König steht, so dass naheliegt, dass auch die beiden Hörner des Widders jeweils einen hervorragenden Perserkönig meinen. Bleibt noch, dass Kyros II. Herrscher über die beiden Völker der Meder und Perser war - doch darin blieb er nicht der Einzige. Das Buch Daniel mit dem Symbol des später nachwachsenden, größeren Widderhorns möchte offenbar sagen, dass ein späterer Meder-Perser-König größere Macht erreichen werde als Kyros II. - und so ist es tatsächlich gekommen.
Seine geopolitische Macht überflügelte nicht nur diejenige Kyros' II. - er gilt neben ihm als der bedeutendste Großkönig des altpersischen Reichs -, er ist auch unter ethischen Gesichtspunkten möglicherweise positiver im Gedächtnis der Geschichte verblieben als sein Vorgänger.
Gegen Dareios (nicht zu verwechseln mit Dareios III., dem Kontrahenten Alexanders) spricht zunächst nur, dass, wenn Daniel , wie der Aussage Herakleios' laut der obigen islamischen Überlieferung zu entnehmen ist, ihm wirklich begegnet ist, der israelitische Prophet auf Grundlage der historischen Angaben des Buches Daniel beim Regierungsbeginn über 98 und bis zu 116 Jahre alt gewesen sein müsste, und bei der Übergabe der Bilder nach dem mutmaßlichen Zeitpunkt des Erreichens des westlichen Extremums noch einmal vier Jahre älter. Dies wirkt sich jedoch nicht weiter beeinträchtigend aus, denn:
Prüfen wir nun anhand unseres Steckbriefs im Detail, inwiefern Dareios unseren Kriterien entspricht.
Besaß Dareios große politische und militärische Macht?
Zweifellos, denn er führte das größte Reich, das die Geschichte bis
dahin gesehen hatte.33 Es reichte von der Westküste der heutigen Türkei
bis Indien, sowie vom Kaukasus bis in den Sudan. Es dürfte sogar etwas größer als das spätere Alexanderreich gewesen sein, mindestens hinsichtlich der Stabilität.
Führte er eine Art Groß- bzw. Weltreich an?
Siehe oben.
Hatte er einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und hegte eine tiefe Abscheu gegen Ungerechtigkeit?
Zumindest in seinem Selbstbild war dies der Fall. Dass seine eigenen
folgenden Worte nur eine Selbstbeurteilung darstellen, sollte nicht
völlig dazu veranlassen, diese zu ignorieren, denn zum einen würde ein
Tyrann das Thema der Gerechtigkeit der Regierung möglichst gar nicht
erst ansprechen, um keine unerwünschten Diskussionen anzuregen, und zum
anderen zeigt die Thematisierung das Vorhandensein eines Bewusstseins
für die Wichtigkeit einer ethischen und gerechten Regierungsweise: Ahuramazda
half mir, und so auch alle anderen Gottheiten, die es gibt, weil ich
weder boshaft war, noch ein Lügner, noch ein Despot, weder ich noch
irgendeiner aus meiner Familie. Ich regierte gemäß der
Rechtschaffenheit. Weder den Schwachen noch den Starken tat ich Unrecht
an.
34
Sein Gerechtigkeitssinn bestätigt sich aber auch, wie aus erhaltenen Akten in Form von Tontafeln hervorgeht, in der geradezu modern anmutenden Tatsache, dass männliche und weibliche Mitarbeiter in seinem Staat den gleichen Lohn bekamen. Es soll bezahlten „Schwangerschaftsurlaub“ und Sonderrationen für sozial Schwache gegeben haben.
Der Inhalt der Inschrift an seinem Grab ist nicht nur wegen seiner starken Bestätigung des Kriteriums der Gerechtigkeitsliebe und des in ihm enthaltenen Beweises für seine tiefe Kenntnis und Berücksichtigung der Prinzipien des gerechten Handelns (z.B. Neutralität, Selbstbeherrschung, Vorurteilslosigkeit), sondern auch aufgrund seiner von Historikern bestätigten Einzigartigkeit hinsichtlich der Herrschaftsideologien der Könige des Altertums extrem faszinierend: Nach dem Willen des Allweisen Herrn (Ahuramazda) bin ich so geartet, dass ich das Recht liebe, das Unrecht hasse. Ich will nicht haben, dass der Schwache des Starken wegen Unrecht erleide; aber ich will auch nicht haben, dass der Starke des Schwachen wegen Unrecht erleide. Was recht ist, daran habe ich Gefallen. Einem Lügenknecht bin ich nicht freund. Ich bin nicht jähzornig. Auch wenn es in mir kocht, bezwinge ich meinen Zorn. Ich beherrsche meinen eigenen Sinn fest. Wer sich einsetzt, dem lohne ich es nach Verdienst. Wer Schaden stiftet, den bestrafe ich nach dem Schaden, den er angerichtet hat. Ich will nicht haben, dass ein Mann Schaden stiftet, und noch weniger, dass er, so er Schaden stiftet, nicht bestraft würde. Was ein Mann gegen einen anderen vorbringt, das ist mir nicht eher glaubhaft, bis ich mir die Aussage beider angehört habe.
35 Und: Du,
Untertan, halte nicht das für vortrefflich, was ein Mächtiger tut.
Beachte vielmehr, was der Schwache leistet.
36
Tendierte er zu drakonischen Strafen und radikalen bzw. kompromisslosen Maßnahmen gegen Unrechttäter?
In der Behistun-Inschrift sagt Dareios bezüglich eines abtrünnigen Gegenkönigs, der die Macht über die Meder an sich riss: Ein gewisser Meder namens Phraortes erhob sich in Medien. [...] Er wurde König in Medien.[...] Dann traten wir in die Schlacht ein. Ahuramazda brachte mir Hilfe, durch die Gnade Ahuramazdas brachte meine Armee jenen feindlichen Rebell völlig zu Fall. Daraufhin floh Phraortes mit einigen Reitern in einen medischen Distrikt namens Rhagae. Zur Verfolgung sendete ich eine Armee los. Phraortes wurde gefangen genommen und zu mir gebracht. Ich ließ seine Nase, seine Ohren und seine Zunge abschneiden und ein Auge herausholen, und er wurde an meinem Palasteingang in Fesseln gehalten, alle Menschen konnten ihn betrachten. Dann ließ ich ihn in Ekbatana kreuzigen.
37 Phraortes blieb nicht der einzige Rebellenführer, mit dem Dareios so oder ähnlich verfuhr.
An späteren Stellen der Inschriften sagt Dareios: O
du, der du hiernach König sein wirst: Schütze dich aufs heftigste vor
Lügen, und bestrafe die Lügner gut, so du wirklich denkst: ‚Möge mein
Land sicher sein.’ [...] O du, der du hiernach König sein wirst: Wer
auch immer ein Lügner ist oder ein Rebell, oder nicht freundlich
gesinnt, den strafe.
38
Legte er Wert auf Religiosität und förderte diese unter den Menschen?
Es ist bekannt, dass er den Zoroastrismus förderte und jedem Einwohner die freie Religionsausübung gestattete. Juden haben ihn besonders gut in Erinnerung, da er nach ihren Überlieferungen den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels unterstützt und finanziert habe.39
Bemerkenswert ist, dass er im Unterschied zu Kyros II. und Alexander von den Einwohnern seines
Reiches -
ohne sie vom Glauben an ihre Gottheiten mit Zwang abzubringen -
verlangte, an „Ahuramazda“ mindestens als oberste Gottheit zu glauben, erstaunlich passend zu den Worten Dhul Qarnayns: : Wer aber glaubt und Rechtschaffenes zuwerke bringt, dem sei als Entgelt das Vortrefflichste.
Über die Elamiter, die er in der Schlacht besiegt hatte, schrieb
Dareios: Jene Elamiter waren treulos, und Ahuramazda wurde von ihnen nicht angebetet. Ich aber betete Ahuramazda an!
40 Und auch: Wer Ahuramazda anbetet, auf dem wird göttlicher Segen ruhen, sowohl im Leben als auch im Tod.
41 Solche und ähnliche Stellen in den Behistun-Inschriften würden heutzutage als „religiöse Missionierung“ gewertet werden...
Belohnte er rechtschaffenes Handeln?
In der Inschrift an seinem Grab sagt er: Wer sich einsetzt, dem lohne ich es nach Verdienst. Wer Schaden stiftet, den bestrafe ich nach dem Schaden, den er angerichtet hat. Ich will nicht haben, dass ein Mann Schaden stiftet, und noch weniger, dass er, so er Schaden stiftet, nicht bestraft würde. Was ein Mann nach besten Kräften leistet oder beschafft, darüber freue ich mich, daran habe ich sehr Gefallen, und damit bin ich wohlzufrieden.
42
Zum Bau des gigantischen Regierungszentrums in Persepolis soll er tatsächlich die tausenden Arbeiter ungewöhnlicherweise nicht als Sklaven eingesetzt, sondern sie entsprechend ihres Rangs und ihrer Leistung entlohnt haben.
War er auch fremden Völkern gegenüber ohne Gegenleistung hilfsbereit?
Er soll sich z.B. den eroberten Ägyptern finanziell als sehr spendabel erwiesen haben.43 Das Buch Esra im Tanach erwähnt die Unterstützung und Finanzierung des Wiederaufbaus des Tempels der Juden in Jerusalem.44
War er zu ungewöhnlich großen militärarchitektonischen Leistungen imstande?
Als eine solche Leistung kann immerhin die gewaltige Brücke betrachtet werden, die er über den Bosporus schlug, um ihn mit seiner Armee speziell für einen Angriff zu überqueren.45
Glaubte er an eine einzelne (evtl. einzige) höhere Entität, als deren Knecht er sich sah?
Ja, es ist erwiesen, dass er „Ahuramazda“
als die höchste, wenn nicht gar die einzige Gottheit ansah, deren Größe und
Glorie alles überstrahlt. Es genügt, aus der Inschrift an seinem Grab zu zitieren. Er beginnt wie in der koranisch-islamischen Tradition mit der Lobpreisung seines Herrn: Der Große Gott ist der Allweise Herr (pers. ahuramazda), der all dies Wunderbare geschaffen hat, was sichtbar ist; der das Glück geschaffen hat für den Menschen; der Weisheit und Tüchtigkeit auf Dareios den König herniedergesenkt hat.
46 Bemerkenswert ist hierbei auch die Parallele zwischen der koranischen Rede
Dhul Qarnayns von meinem Herrn
und der Tatsache, dass „Ahuramazda“
auf persisch „der weise Herr“ bedeutet. „Ahuramazda“ wurden im Zoroastrismus zur Zeit Dareios' I., anders als in dem zur Zeit der Sassaniden, im Großen und Ganzen die
Attribute zugeordnet, die im Koran Gott zugeordnet werden.
Behalten wir auch im Sinn, wie sehr im Koran die Redeweise Dhul Qarnayns dem hebräischen Propheten Salomo ähnelt, wenn wir die Worte Avram R. Shannons lesen: „Für Dareios war Ahura Mazda die oberste Gottheit, das höchste und heiligste Seiende, eine Gottheit, die in seinen Inschriften mit einer außergewöhnlichen Inbrunst angebetet wird, ähnlich wie diejenige, die bei den hebräischen Propheten in der hebräischen Bibel zu finden ist. Er preist Ahura Mazda, indem er sagt: Ein großer Gott ist der Weise Herr, der diese Erde erschuf, der jenen Himmel erschuf, der den Menschen erschuf, der Frieden für den Menschen erschuf, der Dareios zum König machte.
“47
Dareios I. scheint auch der erste unter den achämenidischen Königen zu sein, der „Ahuramazda“ verherrlichte und ihn als seine Gottheit proklamierte, denn das erste bekannte Auftauchen des Namens ist dasjenige in den Behistun-Inschriften.48 Es sieht sogar so aus, dass in Persien der Glaube an ihn während der Regierungszeit Dareios' I. durch ihn überhaupt erst eingeführt wurde, oder dem Glauben an ihn zumindest aufgrund der persönlichen Entscheidung Dareios' I. für den „Weisen Herrn“ zum Durchbruch verholfen wurde. Dies wäre eine vortreffliche Erklärung für das auffällige Personalpronomen in der wiederholten Formulierung mein Herr
...
Zwar können Historiker nicht versichern, dass Dareios wirklich ein konsequenter Monotheist war,
doch ist wenigstens klar, dass seine religiöse Haltung einem
Monotheismus sehr nahe kommt: Immerhin wird außer Ahuramazda
keine einzige andere Gottheit in den Inschriften beim Namen genannt -
die Marginalisierung anderer transzendenter Entitäten ist unübersehbar.
Selbst der sporadisch vorkommende Ausdruck Ahuramazda und alle anderen Götter, die es gibt
könnte in dem Vielvölkerstaat ein diplomatischer Kniff sein, die vielen beherrschten Nationen
unterschiedlichster Religionen geneigt zu halten, ohne direkt darin
zuzustimmen, es gebe außer Ahuramazda wirklich noch andere Götter („die
es gibt“ i.S.v. „falls es sie gibt“). - Weitere Erörterungen zu dieser Frage finden
sich im Kapitel zu Alexander, bei dem dieses „Problem“ in viel stärkerem Maße besteht und es sich dennoch als irrelevant auffassen lässt, wie in dem Kapitel demonstriert wird. Wenn dies für den in den Überlieferungen extrem pagan wirkenden Alexander gilt, dann für Dareios erst recht.
Führte er seinen Status und seine Leistungen auf die Gnade „[s]eines Herrn“ zurück?
Die sogenannten Behistun-Inschriften
bezeugen genau dies. In den Inschriften bemüht sich Dareios auffällig
stark, seine militärischen Erfolge einzig und allein der „Gnade
Ahuramazdas“ zuzuschreiben.
Schon in der Einleitung der Inschriften sagt Dareios: Durch die Gnade Ahuramazdas bin ich König. Ahuramazda verlieh mir das Königreich.
Im weiteren Verlauf kommt die Wendung durch die Gnade Ahuramazdas
nicht weniger als 35 mal vor.
Konnte er trotz seiner herausragenden Stellung sehr bescheiden sein und fern von Hochmut?
Dies beweist der vorige Punkt.
Glaubte er an das Jenseits oder zumindest an die ferne Zukunft betreffende göttliche Verheißungen?
Dies legen seine folgenden Worte in der Behistun-Inschrift einigermaßen nahe: Wer Ahuramazda anbetet, auf dem wird göttlicher Segen ruhen, sowohl im Leben als auch im Tod.
Kann er legitim đu l-qarnayn genannt werden?
Zumindest war er wie seine Vorgänger Herrscher über die beiden Völker der Meder und Perser, und sein Reich existierte nach dem islamischen Mondkalender in der Tat zwei Jahrhunderte.
Außerdem: Von mutmaßlichen Außenposten im heutigen Ostlibyen bzw. Kyrenaika mit seinem den Persern hörigen Marionettenkönig abgesehen, war der westlichste Ort seines Reiches, Ammonium, eine Siedlung in der Wüste des heutigen Westägypten. Zwei andere Orte, Paraetonium im nördlichen äußersten Westen Ägyptens, der nicht schon zum libyschen „Kontinent“ gezählt wurde, und Pelusium im äußersten Osten Ägyptens, wurden in der Antike interessanterweise „die (zwei) Hörner Ägyptens“ genannt.49 Dies hat zweifellos mit ihren einander gegenüberliegenden Positionen an den beiden äußersten Rändern des Landes zu tun. Wenn Dareios „der mit den zwei Hörnern“ war, so wäre es zwar wohl abwegig, ihn nur wegen dieser beiden ägyptischen Orte durchgängig so zu titulieren, schließlich war Ägypten nur ein kleiner Teil seines Reichs, und es waren vor und nach ihm viele Pharaonen Inhaber dieser beiden „Hörner“. Dennoch steigert es die Angemessenheit des Titels, und der Spitzname der beiden Städte bleibt auch abgesehen davon relevant, denn er zeigt, dass extrem im Westen und im Osten gelegene Punkte die „Hörner“ eines Gebiets genannt werden können und somit der Titel „Der mit den zwei Hörnern“ darauf zurückgehen kann, dass in den betreffenden Kulturräumen kaum jemand je ein Reich regierte, dessen äußerste Punkte so weit voneinander im Westen (hier Ägypten) und im Osten (hier Indien) liegen.
War sein Wirken war sehr von Reisen geprägt?
Ja, zumindest in den ersten Jahren seiner Regierung war er die meiste Zeit mit seinem Heer unterwegs. Erst später konnte er es sich erlauben, in der Hauptstadt zu verbleiben und seine Armee lediglich fortzusenden.
Führten seine Reisen ihn zu sehr weit entfernten Orten?
Dies lässt sich an der Ausdehnung seines Reiches ablesen.
Hatten seine Reisen den Charakter von Feldzügen, d.h. ihn begleitete eine Armee?
Ja, siehe Punkt 14.
Führte ihn nach Erreichen eines (oder des?) Höhepunkts seiner Macht eine Reise an einen extrem im Westen gelegenen Punkt bzw. einen maghrib asch-schams, und dann eine Reise zu einem Extremum im Osten?
Nachdem der direkt vor Dareios amtierende Kambyses II. im Jahre 522 v. Chr. unter ungeklärten Umständen während eines gewaltsamen Aufstands gegen ihn umkommt, gelingt es Dareios, den Rädelsführer zu töten und sich zum Großkönig krönen zu lassen. In mehreren Provinzen des Reiches brechen Aufstände aus, es erscheinen mehrere Gegenkönige. Er muss große Teile des nun geradezu „ehemalig“ zu nennenden Imperiums militärisch quasi wiedererobern. Schon 521 v. Chr. hat er die Stabilisierung des Großreiches erreicht: Die Gegenkönige sind getötet, abgesehen von kleinen Gebieten im Norden herrscht im Reich wieder Frieden. Dareios befindet sich unbestreitbar auf einem signifikanten Höhepunkt der Macht.
Dann, im Herbst 517 v. Chr.50 (manche gehen vom Spätsommer 518 v. Chr. aus51),
scheint sich unser Punkt zu bestätigen: Er bricht höchstpersönlich gen
Westen auf und besucht Ägypten.52 Der Besuch markiert die endgültige
Einverleibung des Nilstaats, der zugleich den äußersten Westen des
persischen Imperiums darstellt.
Einige Monate später sind auch die
nördlichen Gebiete befriedet, und Dareios bricht mit seiner
Armee nach Osten auf und unternimmt einen gewaltigen Eroberungszug, der
ihn bis nach Indien führt. Hier kommt er in Taxila an, der Hauptstadt des Reiches Gandhara, und verleibt sie seinem Reich als östlichste Satrapie an. Dieses Gebiet „wurde als östliches Ende der Welt angesehen, hinter welchem sich eine leere und unbekannte Wüste erstreckte“.53
Fand er am westlichen Extremum seiner Reise eine Quelle vor, deren Wasser nicht nur schlammig ist, sondern auch warm?
Dies ist derzeit noch unbekannt. Aber das Reich hatte sich in bis dahin beispielloser Weise soweit nach Westen ausgedehnt, dass persische Außenposten in Ostlibyen (damals „Kyrenaika“) eingerichtet werden konnten. So liegt es durchaus im Rahmen des Denkbaren, dass er anlässlich seines Ägyptenbesuchs
auch den äußersten westlichen Ort des damaligen Ägypten besuchte, an
dem sich in der Tat eine derartige Quelle befand und auf die wir
noch an späterer Stelle näher zu sprechen kommen sollen: Ammonium. Auf die Erwähnung
eines Besuchs dieses Ortes durch Dareios I. in den historischen Quellen bin ich bisher
allerdings nicht gestoßen. Allerdings meldeten italienische Forscher, im Jahre 2009 in der Nähe des Ortes Relikte der Ausstattung einer achämenidischen Armee entdeckt zu haben.54 Zwar hoffen sie, sie der laut der Legende verschollenen Armee Kambyses' II., des Vorgängers Dareios' I., zuordnen zu können, doch da auch Dareios I. zu der Dynastie der Achämeniden gehörte, könnten sich die archäologischen Funde durchaus noch als Beleg für einen Besuch Dareios' I. herausstellen.
War die Gegend der Quelle von einem Volk oder zumindest mehreren Individuen bewohnt?
Erwähnungen des dortigen Orakels und somit direkt oder indirekt dort lebender Individuen sind tatsächlich aus ungefähr seiner Zeit erhalten (Herodot). Der Bau des dortigen Tempels war schon Jahre vor dem Ägyptenbesuch Dareios' beendet, nämlich im Jahre 525 v. Chr.55
Fand er am östlichen Extremum ein Volk oder eine Gruppe unbekleideter (evtl. behausungsloser) Menschen vor?
Dass er dort auf eine
Gruppe nackter Menschen traf, wird mit großer Sicherheit zutreffen, zumal es Indien war, das sein östliches Extremum darstellte. So
wird es sich um jene bekannten indischen Asketen handeln, die zur Erreichung der Ziele
ihrer Askese auf möglichst alles, einschließlich ihrer Kleidung, zu
verzichten versuchen. Noch heute treffen Touristen auf die Nachfahren
jener „Sekte“, ohne dass sich an dieser ihrer Sitte viel geändert hat, und auf die wir im Kapitel zu Alexander noch einmal zu sprechen kommen.
Führte ihn eine darauffolgende Reise zu einem Gebirgspass, dessen Gegend von Leuten bewohnt war, welche zunächst starke Kommunikationsprobleme (mit ihm?) hatten?
Dies ist sehr gut denkbar. Zumindest was den Gebirgspass betrifft, so kehrte Dareios nach
vielen Eroberungen Dareios nicht auf demselben Weg zurück,
sondern unternahm sozusagen eine dritte Großwanderung im Norden und dürfte hier mehrere für
die Landschaft typische Gebirgspässe durchschritten haben. Historiker
gehen zumindest davon aus, dass er den Bolan-Pass durchschritt. Gerade bei den Vorstößen im Norden war die Wahrscheinlichkeit hoch, auf Stämme zu stoßen, die wenig Kontakt zu den historischen Reichen Europas, Kleinasiens und Zentralasiens hatten und dementsprechend wenig sprachlichen Austausch mit den Völkern jener Reiche hatten. Die hiermit in Zusammenhang stehenden zu erwartenden Kommunikationsprobleme werden in Punkt 22 unter einem weiteren interessanten Aspekt nahegelegt.
Beantragten sie seinen Schutz vor den marodierenden Horden des Volkes „Gog und Magog“, worauf er diesen (oder einen anderen?) Gebirgspass mit einem unüberwindbaren Wall aus Eisen und Kupfer versperrte?
Das Bild marodierender Horden tritt spätestens dann vor Augen, wenn wir z.B. über den Bolan-Pass erfahren, dass er nicht zuletzt aufgrund seiner strategischen Lage nicht nur von Händlern, sondern auch von Invasoren und nomadischen Stämmen als Tor von und nach Südasien benutzt wurde.56 Dazu, dass Dareios einen derartigen Wall errichtet hat, haben wir allerdings noch keine gesicherte Information.
Dennoch sollte dieser Punkt im Auge behalten werden. Der betreffende Vers legt nahe, dass es sich bei Gog und Magog um ein Volk oder eine Menge von Stämmen handelt, die Dhul Qarnayn nicht zu unterwerfen imstande war, zumal er sich mit dem Bau des Walls begnügt. Eine recht ähnliche Situation lässt sich in den Feldzügen Dareios I. erkennen, die auf seine Eroberung des Ostens folgten. Im Nordwesten, d.h. am Kaukasus und in der Umgebung des Schwarzen Meers, versuchte er, die ständig einfallenden Skythen unter Kontrolle zu bringen. Es gelang ihm nicht, doch konnte er sie immerhin einigermaßen abschrecken.57 Dass er, um sich ihrer zu erwehren, mit dem Bau von gleich acht Grenzfestungen im Abstand von jeweils ca. 13 km begann, erinnert ebenfalls stark an die Vorgehensweise Dhul Qarnayns.58
Höchst bemerkenswert: Während an anderen Rändern des damaligen Großreichs die Sprachen auch nicht oder wenig bekannter Völker in der Regel wenigstens eine entfernte Verwandtschaft zu bekannten Sprachen wie Persisch, Indisch, Griechisch etc. aufweisen, konnten Linguisten bislang keinerlei Verwandtschaft der Sprachen (oder der angenommenen Protosprache59) der Südkaukasier zu anderen Sprachen nachweisen, ja noch nicht einmal zu den nordkaukasischen Sprachen.60 Die Suche nach dem Volk, das kaum eine Aussage verstand
, könnte somit hier am Ziel angelangt sein.61
Eine weitere Bestätigung ergibt sich im Hinblick auf die Rolle von großen Mengen an Eisen und Kupfer im koranischen Bericht über Dhul Qarnayn, denn wir wissen, dass die Erde und das Gebirge des Südkaukasus überaus reich an Eisen- und Kupfervorkommen sind und er schon im Altertum teils weit entfernte Länder mit diesen Bodenschätzen belieferte .62
Hieraus ergibt sich offensichtlich, dass das Hauptgebiet von Gog und Magog nördlich des Südkaukasus liegt, und somit wird unser Ergebnis dadurch wiederum bestätigt, dass in der Antike, lange vor der Herabkunft des Ehrwürdigen Koran, die auch in der Bibel erwähnten Gog und Magog immer wieder mit den Skythen identifiziert wurden. Der jüdische Historiker Flavius Josephus (37 n. Chr. - ca. 100 n. Chr.) schreibt in seinem Werk „Jüdische Altertümer“: [Der Ahne] Magog gründete [das Volk derer], die von ihm her Magogiten genannt wurden, von den Griechen jedoch als Skythen bezeichnet werden.
63 Er berichtet auch von einem Durchgang zum Süden, der durch „Eisentore“ verschlossen worden sei.64 Es geht aus seinen Worten nicht genau hervor, ob diese noch zu seiner Zeit existierten. Außerdem ist er der Meinung, dass diese das Werk Alexanders von Makedonien seien. Dieser jedoch ist den ältesten Quellen nach zu urteilen auf seinen Feldzügen nie persönlich zum Kaukasus vorgedrungen. Auch der christliche Gelehrte Hieronymus (347 n. Chr. - 420 n. Chr.) lokalisiert die Gog und Magog in den Gebieten nördlich des Kaukasusgebirges.65
Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn der Anfertigung dieser Abhandlung Alexander von Makedonien als Kandidaten favorisierte. Doch beim Zusammentragen der historischen Fakten zu Dareios I. bemerke ich mittlerweile, dass ich angesichts der - vor allem der charakterlichen und ideologischen - Übereinstimmungen dazu tendiere, Dareios als Dhul Qarnayn zu identifizieren. Ob sich diese Tendenz durchsetzt, muss das nächste Kapitel zeigen.
Alexander erbte Makedonien, ein Gebiet im Norden des antiken griechischen Kulturgebiets, von seinem ermordeten Vater Philip II., unter dem Makedonien zur Führungsmacht der Griechen geworden war. Zuvor wurde Makedonien vom Rest der Griechen als weniger zivilisiert angesehen, die makedonische Sprache wirkte fremd, obwohl sie vermutlich lediglich einen griechischen Dialekt darstellte. Philip II. hatte den berühmten Philosophen und Universalwissenschaftler Aristoteles als Lehrer des jungen Alexander engagiert, so dass dieser seine Bildung von ihm persönlich erhielt, besonders in Philosophie, Kunst und Mathematik.
Nach Alexanders Thronbesteigung im Jahr 336 v. Chr. und der Niederschlagung von Revolten zur Konsolidierung der Macht begibt er sich mit seiner Armee von Anfang an persönlich auf seine jahrelange Reise, und fortan geht alles in einer schier beispiellosen Geschwindigkeit, zunächst und auf den ersten Blick in Richtung Osten. Im Mai 334 v. Chr. entreißt er dem Perserreich das griechisch bevölkerte Gebiet Ionien (Schlacht am Granikos in der nordwestlichen Türkei), danach erfolgt die kampflose Einnahme von Sardes in Lydien (Westtürkei), wo Alexander den örtlichen Tempel dem Zeus weiht. Milet wird sodann eingenommen, ab Oktober desselben Jahres beginnt die verlustreiche Eroberung von Halikarnassos (Südwesttürkei), zwischendurch gibt es ungewöhnlicherweise auch Waffenstillstand. Irgendwann ist jedoch die Eroberung der äußeren Westtürkei abgeschlossen, und Alexander zieht 333 v. Chr. weiter nach Osten mit Umweg über das Innere der Türkei, dann wieder an der Südküste entlang.
Der Perserkönig Dareios III. kommt mit einer um ein Vielfaches größeren Armee nach Issos (Südtürkei), um Alexander aufzuhalten und zu vernichten. Beobachter gehen davon aus, dass dies das Ende Alexanders ist. Dann geschieht das Unglaubliche: Alexanders Truppen erringen im November den Sieg über das gegnerische Heer, das so große Verluste erleidet, dass der persische Großkönig Dareios III. sich zu fliehen gezwungen sieht. Seine Familie fällt in die Hände Alexanders (der diese respektvoll behandelt) und ebenso große Teile des persischen Reichs, besonders Syrien.
An der südtürkischen Grenze zum heutigen Syrien gründet er die erste Stadt, die er nach sich benennen lässt (Alexandretta). Er zieht weiter, an der Küste entlang nach Süden; 332 v. Chr. gelingt ein weiterer großer Durchbruch durch die Eroberung von Tyros. Palästina wird erobert.
Nun kann die Kurve des Zuges nach Westen gehen. Im November kommt er im ägyptischen Memphis an, er leistet ein Opfer an Apis (Verkörperung des wichtigsten Götzen in Memphis, Ptah), Ägypten begibt sich freiwillig unter seine Ägide. Ungefähr im Januar 331 v. Chr. gründet er im Norden Ägyptens Alexandria, worauf er von hier aus westwärts zur Oase Siwa aufbricht, wo sich ein dem Amun geweihter Tempel befand, dessen Ruinen noch heute zu bestaunen sind.
Nach seiner Rückkehr nach Memphis verlässt er Ägypten und bricht später von Tyros nach Mesopotamien auf, wo er bei „Gaugemala“ Dareios III. (gegen eine vielfache persische Übermacht) entscheidend schlägt. Im Oktober erreicht Alexander Babylon, welches ihm die Tore öffnet. 330 v. Chr. erreicht er Persepolis, das Gebiet des heutigen Iran hat er somit überwältigt. Dies ist ihm nicht genug - er zieht weiter, erobert 329 v. Chr. das heutige Afghanistan, durchquert das Hindukusch-Gebirge, erringt weite Teile des Südens der ehemaligen Sowjetunion und zieht sodann in Richtung Südosten weiter, bis er in das Innere von Westindien stößt und 326 v. Chr. auch dieses an sich reißt. Den Fluß Indus hat er längst überquert, als ihm jedoch die Soldaten die Gefolgschaft verweigern, denn sie wollen nach jahrelanger Wanderung und Kriegführung zu ihren Angehörigen zurückkehren. Alexander gibt nach, lässt es sich aber nicht nehmen, auf einem anderen Weg zurückzukehren, nämlich nicht zurück nach Norden, sondern indem er mit weiteren Eroberungen ungefähr die südliche Küste zum Indischen Ozean und Persischen Golf entlang zieht.
Alexander stirbt 323 v. Chr. in Babylon an einer Krankheit. Er ist zu diesem Zeitpunkt erst 33 Jahre alt.
Gegen Alexander als Kandidat wird hauptsächlich ins Feld geführt, dass der Eindruck einer rechtschaffenen, muslimischen oder gar prophetischen Persönlichkeit, den man von Dhul Qarnayn bei der Lektüre der entsprechenden Koranstellen gewinnt, so gar nicht zu dem Bild passen möchte, das wir aus den Überlieferungen der Geschichtsschreiber über Alexander gewinnen. Es ist das Bild von einem Götzendiener, Plünderer, Brandschatzer, Säufer, Frauenheld, und seit einiger Zeit werden Teile seiner Biographie dahingehend interpretiert, dass er sich mit mindestens einem seiner Weggefährten in einer homosexuellen Beziehung befunden habe. Von muslimischer Seite am meisten angelastet wird ihm sein scheinbarer Götzendienst und dass er sich zum Sohn (eines) Gottes erklärt habe - beides unvereinbar mit der Art, wie Muslime den koranischen Dhul Qarnayn auffassen, nämlich prinzipiell als Muslim und somit als puren Monotheisten, der in seinen kühnsten Gedanken nicht darauf käme, sich selbst eine göttliche Herkunft zuzuschreiben. Darauf ließe sich antworten:
Alexander war aufgrund der Vorzüglichkeit der Wesensart unter den Königen des Altertums der einzige, der die Fehler, die er begangen hatte, bereute. [...] Aristobulus macht außerdem geltend, dass Alexander nicht deswegen langen Trinkfesten beiwohnte, um den Wein zu genießen, zumal er kein großer Weintrinker war, sondern um seinen Gefährten seine Geselligkeit und freundschaftlichen Gefühle zu zeigen..78 Es ist erwiesen, dass die biographischen Darstellungen, die der eine oder andere Zeitgenosse Alexanders verfasste, zu weiten Teilen in Wirklichkeit von Rachegelüsten geprägte verleumderische Schmähschriften waren, z.B. die Darstellungen des Éphippos, der aus der von Alexanders Vater zerstörten Stadt Ólynthos stammte. Dieser wälzt sich geradezu in der Beschreibung Alexanders als selbstherrlicher, unberechenbar jähzorniger Trunkenbold.79 Der häufig zitierte Alexander-Weggefährte Kallisthénes stammte übrigens aus der selben Stadt, verfasste eine zunächst positiv gemeinte, die Person Alexanders völlig überhöhende, nicht sehr glaubwürdige Darstellung und kehrt den Ton etwa ab der Zeit der Vorstöße ins fernere Asien ins genau Negative um. Beides dürften nicht allzu glaubwürdige Übertreibungen sein.80
Prüfen wir nun im Detail, inwiefern Alexander unseren Kriterien entspricht. Da die Biographie nach Arrian in der Wissenschaft als die trotz aller Schwächen zuverlässigste und objektivste unter den Alexanderbiographien gilt und auch diejenige nach Curtius Rufus wieder vermehrt wissenschaftliche Beachtung erhält, sind es diese beiden, auf die sich die Prüfung zum großen Teil stützt.
Besaß Alexander große politische und militärische Macht?
Ja, dies ist angesichts seiner Eroberungen, der Ablösung von Darius III. als Vorsteher des persischen Reiches und seiner Krönung zum Pharao zwingend anzunehmen. Er wird als der größte Militärführer der Antike angesehen.81
Führte er eine Art Groß- bzw. Weltreich an?
Ja, es erstreckte sich von Ägypten im Westen bis Indien im Osten, vom jenseits des Hindukusch im Norden bis zum Persischen Golf im Süden.
Hatte er einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und hegte eine tiefe Abscheu gegen Ungerechtigkeit?
Alexander soll befohlen haben, „dass alle Menschen gleich welcher Herkunft die Erde als ihr Vaterland, sein Lager als ihre Burg und ihre Residenz, die Guten und Anständigen als ihre Verwandten, aber die Schlechten als Barbaren ansehen sollten. Er verbot, Griechen und Barbaren nach Kriegsmantel und Lederschild, nach Dolch und Obergewand zu unterscheiden; denn an der ‚Tugend’ erkenne man das Griechentum, das Barbarentum an der Verworfenheit“. Er habe die Scheidung der gesamten Menschheit in zwei Hälften, Griechen und Barbaren, die Aristoteles und viele andere vertraten, kategorisch abgelehnt und ersetzte sie durch die Unterscheidung von sittlich „guten“ und „schlechten“ Menschen. Zwar ist es Plutarch, der dies überliefert, doch im Prinzip hat er hier nur in Worte gefasst, was sich an vielen Vorgängen in Alexanders Zeit ablesen lässt, wie z.B. dass er persische und griechische Soldaten in seinem Heer gegen den Widerstand der letzteren miteinander gleichstellte.
Bei seinen eigenen Statthaltern und Generälen, die er benötigte, war seine Politik nicht die einer Vetternwirtschaft, und er machte auch ihnen, den Berichten des Arrian und des Curtius Rufus nach zu urteilen, im Falle der Begehung von Unrecht, den Prozess. So berichtet Arrian: Auch die Generäle kamen, die mit Parmenio mit der Verantwortung über die Armee in Medien zurückgelassen worden waren [...] Sowohl die Einheimischen als auch die Soldaten selbst brachten viele Anschuldigungen gegen Cleander und Sitalces vor, wie zum Beispiel, dass die Tempel von ihnen geplündert und alte Gräber durchwühlt worden seien, und andere Handlungen der Ungerechtigkeit, der Rücksichtslosigkeit und der Tyrannei, die gegen ihre Untertanen verübt wurde. Als diese Vorwürfe bewiesen wurden, verurteilte er sie zum Tode, als Lehre für andere, die als Statthalter, Gouverneure oder Präfekten von Provinzen hinterlassen werden sollten [...] Dies war eines der hauptsächlichen Mittel, mit denen Alexander die Unterordnung der Nationen, die erobert hatte, oder die sich freiwillig ihm unterworfen hatten, aufrecht erhielt, obwohl sie so viele waren und so weit voneinander entfernt. Denn unter seiner Regierung war es nicht erlaubt, dass die Regierten von denen, welche regierten, ungerecht behandelt wurden. Zu jener Zeit wurde Heracon von dem Vorwurf freigesprochen, doch kurze Zeit später, als er von den Leuten von Susa der Plünderung des Tempels in jener Stadt überführt worden war, wurde auch er bestraft.
82
Andererseits zeichnen die antiken Biographien bezüglich einiger Episoden seiner Laufbahn kein besonders gutes Bild. Anders als zu Dareios' I. Zeiten soll es vermehrt zu Zerstörungen von Städten und Brandschatzungen gekommen sein. Er sei zwischenzeitlich jähzornig und despotisch geworden, heißt es.
Tendierte er zu drakonischen Strafen und radikalen bzw. kompromisslosen Maßnahmen gegen Unrechttäter.
Es wird durchaus von drakonischen Strafen berichtet, insbesondere Kreuzigung.
Legte er Wert auf Religiosität und förderte diese unter den Menschen?
Die antiken Biographen berichten durchaus von zahlreichen religiösen Handlungen Alexanders, besonders von Anrufungen und Opferungen, irritierenderweise jedoch nach Außen hin stark polytheistisch geprägt und mit einer scheinbaren Beliebigkeit, welcher angeblichen Gottheit, fremd oder einheimisch, er gerade huldigte. Jedenfalls war er scheinbar so religiös, dass es Arrian zufolge seine tägliche (!) Gewohnheit war, Opferzeremonien zu veranstalten und dies selbst dann nicht lassen wollte, als er fieberkrank war und auf einer Liege zu der Zeremonie getragen werden musste.83
Laut einer Überlieferung bei dem antiken jüdischen Historiker Falvius Josephus habe Alexander eine besondere Toleranz gegenüber religiösen Juden gezeigt: „Nach der Eroberung Gazas marschierte er auf Jerusalem zu. Der Hohepriester Jaddua, der durch eine Vision von Gott gewarnt worden war, schmückte die Stadt mit Girlanden und ging in priesterlichen Gewändern zusammen mit anderen Priestern und dem weiß gekleideten Volk dem König entgegen. Als dieser sie sah, hielt er inne, fiel auf die Erde und umarmte den Hohenpriester. Einem erstaunt fragenden Gefolgsmann erklärte er, dass er nicht den Priester anbete, sondern den Namen auf dessen Stirnband. Dann erläuterte er, dass er in einer Vision eine dem Priester ähnliche Person gesehen habe, die ihn beauftragte, Persien zu erobern. Er gewährte den Juden in Palästina, Medien und Babylonien die freie Ausübung ihres Gesetzes und eine Abgabenbefreiung während des Sabbatjahrs.“84
Belohnte er rechtschaffenes Handeln?
Zur Beantwortung dieser Frage sind eingehendere Untersuchungen erforderlich. Immerhin erinnern sich Juden bis zum heutigen Tage: „So lange Alexander am Leben war, war er Judäa gegenüber freundschaftlich gesinnt und bedrängte sie nicht.“85
War er auch fremden Völkern gegenüber ohne Gegenleistung hilfsbereit?
Zur Beantwortung dieser Frage sind eingehendere Untersuchungen erforderlich.
War er zu ungewöhnlich großen militärarchitektonischen Leistungen imstande?
Beispielsweise bei der Eroberung der damals als uneinnehmbar geltenden Insel Tyros kamen ein gigantischer, aufwendiger Dammbau und große Belagerungstürme zum Einsatz, so auch bei der Eroberung von Gaza.
Glaubte er an eine einzelne (evtl. einzige) höhere Entität, als deren Knecht er sich sah?
Als höchste Entität scheint er sich für etwas entschieden zu haben, das er Zeus bzw. Ammon nannte bzw. welches so genannt wurde. Den Überlieferungen ist leider nicht zu entnehmen, dass er sich als ihren Knecht ansah, vielmehr heißt es, er habe sich zu ihrem „Sohn“ proklamiert.
Führte er seinen Status und seine Leistungen auf die Gnade „[seines] Herrn“ zurück?
Zu einer hinreichend begründeten Beantwortung dieser Frage sind eingehendere Untersuchungen erforderlich. Es wird aber immerhin z.B. von Arrian erwähnt, dass er zum Dank für Siege religiöse Opferzeremonien durchführte: In Karmanien leistete Alexander den Göttern Opfer als Dank für seinen Sieg über die Inder, und weil seine Armee sicher aus Gadrosia herausgebracht wurde.
86 (Dass hier von „Göttern“ im Plural die Rede ist, könnte eine Interpretation des Überlieferers sein, der möglicherweise nicht wusste, wem die Opferung gewidmet war und deswegen aufgrund seines eigenen polytheistischen Hintergrunds von mehreren Göttern ausging.)
Zeus/Ammon scheint während der Regentschaft Alexanders eine große Rolle für ihn gespielt zu haben. Da „Zeus“ etymologisch mittelbar auf die Bedeutung „Gottheit“ zurückgeht und Göttlichkeit normalerweise mit Herrschaft einhergeht, könnte man die häufige Bezugnahme auf Zeus als Rede von „[seinem] Herrn“ auffassen.
Konnte er trotz seiner herausragenden Stellung sehr bescheiden sein und fern von Hochmut?
Ja, so weiß Arrian von verschiedenen Begebenheiten zu berichten, die dies bestätigen: Die
Ehefrauen und Kinder vieler wichtiger Männer gerieten in
Gefangenschaft, einschließlich derer des Oxyartes. Dieser Häuptling
hatte eine Tochter, eine junge Frau in heiratsfähigem Alter, genannt
Roxana, welche von den Männern, die in Alexanders Armee dienten, für die
schönste aller Frauen Asiens gehalten wurde, einzig abgesehen von der
Ehefrau des Darius. Sie erzählen ebenfalls, dass Alexander sich in sie
verliebt habe. Doch obwohl er in sie verliebt war, lehnte er es ab, ihr
als Gefangene Zwang anzutun, und er empfand es nicht als für sich
herabwürdigend, sie zu heiraten.
87 Das mag sich heutzutage nicht besonders gnädig anhören, doch in Wirklichkeit war es in jener Zeit nicht üblich, dass ein königlicher Sieger eine Gefangene heiratete, ganz gleich, wie adelig sie war.
Ein noch überzeugenderes Beispiel ist die berühmte Begebenheit, dass er
eine Frau mit der Verwaltung einer Provinz beauftragte und sich, obwohl
König, von ihr, obwohl sie einem unterlegenen Volk angehörte, adoptieren
ließ: Ada behielt nur das Land Alinda, den stärksten
Ort in Caria. Und als Alexander in Caria einmarschierte, ging sie zu ihm
und bot ihm an, Alinda unter seine Herrschaft zu geben und ihn als
ihren Sohn zu adoptieren. Alexander vertraute ihr Alinda an und hielt
den Titel eines Sohnes nicht für unwürdig, um ihn zu akzeptieren; als er
Halicarnassus gefangen genommen hatte und den Rest von Caria
beherrschte, gewährte er ihr das Privileg, über das ganze Land zu
regieren.
88
Als ein indischer Mönch es ablehnte, seiner Vorladung Folge zu leisten, versuchte
Alexander nicht, ihn zu zwingen, zu ihm zu kommen und war der Meinung,
dass der Mann die Freiheit habe, zu tun, was er möchte.
89
Glaubte er an das Jenseits oder zumindest an die ferne Zukunft betreffende göttliche Verheißungen?
Zur Beantwortung dieser Frage sind eingehendere Untersuchungen erforderlich. Bekannt ist jedenfalls, dass die griechische Mythologie zu Alexanders Zeiten Vorstellungen vom Jenseits beinhaltete, welche in manchen Aspekten der Eschatologie der abrahamitischen Religionen nahekommen (Elysion als Ort der jenseitigen Glückseligkeit; Tartaros als Ort der Bestrafung und Peinigung von Großfrevlern; Phlegethon, der Flammenfluss).
Es wird immerhin von der Befragung von Orakeln berichtet. Er glaubte, wenn auch die nicht allzu ferne Zukunft betreffend, noch vor der Eroberung Ägyptens fest daran, er werde das gesamte Perserreich erobern. Ein diplomatisches Friedensangebot von Dareios III. schlug er mit den Worten aus, dass er nicht nur ein Teil seines Territoriums
statt des ganzen bekommen
werde.90
Kann er legitim đu l-qarnayn genannt werden?
Ja, und zwar unter den folgenden Gesichtspunkten:
Er wurde unbestreitbar zum König beider Kontinente.91 Gemeint sind entweder Europa und Asien (damals incl. Ägypten) oder Nordostafrika und Eurasien.
Alexander the great was King of Macedonia (336–323) and the greatest military leader of antiquity. [...] In 332 he completed a seven-month siege of Tyre, considered his greatest military achievement, and then took Egypt. There he received the pharaoh's double crown.- Die ägyptische Doppelkrone92 mit ihrer Doppelspitze lässt sich problemlos als Doppelhorn bezeichnen. Sie war das Symbol der Herrschaft über Unter- und Oberägypten.
Außerdem: Da Münzen mit dem Bild eines zweigehörnten Alexander in vorchristlicher Zeit auf der Arabischen Halbinsel eingeführt wurden, eine Zeit lang in Verwendung waren und daher auch der Name der Einheit dirham (von griech. Drachme) rührt, liegt es nahe, dass Araber beim Hören des Koran und des in ihm vorkommenden Titels đu l-qarnayn zuerst an die abgebildete Person dachten, soweit es keine ähnlich dringende oder dringendere Assoziation gab. Es widerspräche der Vernunft, ohne dringenden Grund zu ignorieren, was die ersten Adressaten eines Textes unter einem Ausdruck uns zunächst unbekannter Bedeutung verstehen.
War sein Wirken war sehr von Reisen geprägt?
Dies ist im Verhältnis zu seinem kurzen Leben wohl wie bei keinem anderen der in diesem Artikel erwähnten Kandidaten der Fall. Alexander war ein Drittel seines Lebens unterwegs.
Führten seine Reisen ihn zu sehr weit entfernten Orten?
Zweifellos; der westlichste Ort, zu dem ihn seine Reisen nach der Konsolidierung der Macht in Griechenland hinführten (nicht wegführten), war Ammonium im Westen Ägyptens (Oase Siwa), und der östlichste Ort der Fluss Bea (Hyphasis) in Indien.
Hatten seine Reisen den Charakter von Feldzügen, d.h. ihn begleitete eine Armee?
Ja, Alexander wurde auf all seinen Reisen von einer Armee begleitet, ja sogar auf seinem „Abstecher“ nach Siwa, auf welchem seine Armee fast verloren gegangen sein soll. Für manche Expeditionen war, wenn nicht die Armee, so doch eine sehr große, aus hunderten Männern bestehende Leibgarde dabei.
Führte ihn nach Erreichen eines (oder des?) Höhepunkts seiner Macht eine Reise an einen extrem im Westen gelegenen Punkt bzw. einen maghrib asch-schams, und dann eine Reise zu einem Extremum im Osten?
Ja. Nach der Vereinigung der Griechen ging seine Reise scheinbar zunächst nach Osten, jedoch in Wirklichkeit um das Mittelmeer herum und im Endeffekt nach Westen, nach Ägypten. Hier gelangte er zweifellos an einen signifikanten Machthöhepunkt und ließ, nachdem er den persischen König in die Flucht geschlagen und das als uneinnehmbar geltende Tyros erobert hatte, sein Territorium die Schwelle zum Großreich überschreiten, indem er auch in Ägypten die Macht übernahm und Alexandria gründete.
Den vom Koran erwähnten Machthöhepunkt, nach welchem er nach Westen wanderte, hier oder spätestens nach der Eroberung von Tyros anzusetzen, ist sinnvoll, da sich in der leichten und kampflosen Einnahme Ägyptens am ehesten der Wortlaut des Verses widerspiegelt: Wir richteten festen Sitz auf Erden für ihn ein und gaben ihm von allen Dingen her einen Faden
Denn erst nach der Eroberung von Tyros begannen Nationen wie Ägypten am Nutzen jeglichen Widerstands gegen Alexander zu zweifeln, zumal der ihr vorausgehende unerwartete Sieg bei Issos noch als einmaliger Glücksfall gewertet werden konnte. Dies erleichterte Alexander die Eroberung des Rests der Welt in besonderem Maße. Auch erwähnt Arrian erstmals im Zusammenhang mit Alexanders Aufenthalt im ägyptischen Memphis, dass „ihn viele Delegationen aus Griechenland erreichten, und er schickte niemanden durch die Ablehnung seines Anliegens enttäuscht zurück.“94 Anscheinend waren sich seine Landsleute ab diesem Zeitpunkt sicher, dass das neue Reich sich etabliert hatte und ein schneller Zusammenbruch vorerst nicht mehr zu befürchten war.
Es ist unstrittig, dass er dann noch weiter nach Westen zog, um Ammonium zu besuchen, die Ansiedlung der heute als Siwa bekannten Oase. Bis heute ist nicht völlig klar, was der Grund für diese Unternehmung war. Hier jedenfalls erreichte er tatsächlich den maghrib asch-schams („Land/Ort des Untergangs [wrtl. Verschwindens] der Sonne“), denn:
Was den extrem im Osten gelegenen Ort betrifft, so ist es unstrittig, dass Alexander dann nach Osten zog, bis er in Indien ankam. Hiermit erreichte er tatsächlich den maTli' asch-schams („Land/Ort des Aufgangs [wrtl. Erscheinens] der Sonne“), denn:
Was der Menschheit möglich war, das haben wir geleistet. Auf den Meeren und in den Ländern, die wir durchstreift haben, sind wir besser bekannt als selbst die Einwohner; und jetzt befinden wir uns sozusagen am Ende der Welt. Du aber willst noch in eine andere gehen., und in ein den [Indern] selbst unbekanntes Indien ziehen, die da selbst unter wilden Tieren und Schlangen wohnenden Menschen aus ihren Schlupfwinkeln und Höhlen hervorziehen, und also deinen Siege in Ländern verfolgen, wo die Sonne selbst nicht hinkommt.Auch in der biblisch-apokryphen Schrift 1. Makkabäer schlug sich diese Auffassung nieder:
Der Mazedonier Alexander, Sohn des Philippus, zog damals vom Land der Kittäer aus. Er besiegte Darius [III.], den König der Perser und Meder, und wurde als erster König von Griechenland sein Nachfolger. Er führte viele Kriege, eroberte zahlreiche Festungen und ließ die Könige der Erde erschlagen; er kam bis an das Ende der Welt.
Bis, als er den Ort des Aufgangs der Sonne erreicht hatte, er sie über einem Volk aufgehend vorfand, denen wir vor ihr keine Bedeckung gegeben hatten... Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass sich in Taxila (wenn auch evtl. später) ein Sonnentempel befand, wie Ausgrabungen zutage gefördert haben.
Auch das Kriterium der ausbleibenden Rückkehr trifft zu: In seine Heimat Makedonien ist er nach seinem Aufbruch nie wieder zurückgekehrt. Babylon war der Ort, an dem er starb.
Fand er am westlichen Extremum seiner Reise eine Quelle vor, deren Wasser nicht nur schlammig ist, sondern auch warm?
So sehr es den einen oder anderen überraschen mag, in den antiken Alexanderhistoriographien ist in der Tat zu lesen, dass Alexander in der Oase Siwa, als er ankam, eine Quelle vorfand, deren Wasser regelmäßig bei Sonnenuntergang (!) warm war. Arrian ist nicht der einzige, der dies erwähnt, und er schreibt: Alexander hatte den brennenden Wunsch, (den Tempel des) Ammon in Libyen zu besuchen [...]. Der Ort, an dem sich der Tempel des Ammon befindet, ist gänzlich von einer wasserlosen Sandwüste umgeben. Der fruchtbare Flecken inmitten dieser Wüste [...] ist voller Bäume, Oliven und Palmen, und es ist der einzige Ort in jenen Landesteilen, der mit Tau erfrischt wurde. Auch eine Quelle entspringt aus ihm, eine, die ziemlich anders ist als alle anderen Quellen, die aus der Erde hervortreten. Denn mittags schmeckt das Wasser kalt, und noch mehr fühlt es sich so an, so kalt es nur sein kann. Aber wenn die Sonne im Westen zur Neige gegangen ist, wird es wärmer, und vom Abend an wird es weiterhin wärmer, bis es Mitternacht geworden ist und es am wärmsten ist. [...] Jeden Tag durchläuft es diesen regelmäßigen Wechsel. An diesem Platz wird auch natürliches Salz durch Ausgrabung gefördert, und bestimmte Ammonpriester liefern gewisse Mengen davon nach Ägypten. [...] Alexander geriet über den Ort in höchstes Erstaunen.
.103
Curtius Rufus beschreibt die Quelle in einer ähnlichen Weise und nennt außerdem den Namen der Quelle: „Sonnenquelle“.
Nun gibt es tatsächlich noch heute mehr als nur eine Quelle in Siwa. Dazu gehört beispielsweise die Juba-Quelle, auch „Cleopatra's Pool“ genannt, bei der es sich möglicherweise um die genannte „Sonnenquelle“ handelt. Der Tourist Ahmed Morshedy berichtet im Jahre 2015 von seinem Besuch dieser Quelle: „Dieser natürliche Pool ist wirklich großartig. Man kann förmlich sehen, wie das Wasser von unten hochkommt. Die Leute da sagten, wenn das Wetter kalt sei, werde das Wasser heiß, und wenn es heiß sei, werde es kalt, und als ich es prüfte (und darin schwamm; Anm. d. Übers.), fand ich heraus, dass es wahr ist. Das Wetter war kühl, aber das Wasser war heiß!“104 Mit permanent 29 °C ist das Wasser der Juba-Quelle in der Tat ungewöhnlich warm, obgleich sein Temperaturwechsel an sich rein subjektiver Natur ist und zurückzuführen auf den wechselnden Kontrast zwischen der konstanten Wasser- und der wechselnden Umgebungstemperatur. Mit anderen Worten: Das Wasser ist zwar warm, doch diese Wärme kann nur eindeutig wahrgenommen werden, wenn das Wetter deutlich kühler ist.
Jedoch ist das Wasser der Juba-Quelle heute klar und nicht lehmig oder
verschlammt. Der Grund dafür ist sicherlich, dass die Quelle heute
künstlich in Stein eingefasst ist. Dafür, dass das Wasser vor der Einfassung viel schlammigere bzw. lehmigere Eigenschaften hatte, spricht, dass der
Hausbau fast ausschließlich auf Lehm beruhte, noch heute viel davon
zu sehen ist105 und nach wie vor für Verputzungen getrockneter Schlamm verwendet wird, der den Gewässern der Oase entnommen wurde.106 Durch den Klimawandel gibt es wieder mehr Regen in der Gegend, was als desaströs für die vielen Gebäude angesehen wird, die letztlich aus vertrocknetem Schlamm bestehen.107
Es scheint jedoch durchaus die eine oder andere nicht nur auf dem oben genannten Effekt beruhend heiße Quelle in der Gegend zu geben.108 Oder ist es doch diese Quelle (archive.org-Version)? Sie soll eine der Quellen von Siwa sein (von denen wohl die meisten den genannten Wärme-Effekt haben) und sieht auf dem Bild sehr verschlammt aus. Sie sieht allerdings nicht aus, als könne die Sonne perspektivisch in ihr untergehen... Oder steht der scheinbare Singular 'ayn ħami°ah für einen Plural, wie ayn jâriyah laut Qortobiy und Ibn Kathir aus Sure 88:12? Dann wäre die Bedeutung wohl, dass der Sonnenuntergang sich schlicht in einem Gebiet ereignete, in dem es mehrere Quellen gab, gleich, welche davon schlammig, welche warm, und welche beides waren.
Andererseits liegt Siwa im Gegensatz zum Umland derart tief unter dem Wasserspiegel (19 Meter) und es existieren so viele Quellen (angeblich 281) dort, dass sich ernsthaft die Frage stellt, ob nicht die ganze Oase, besonders da angesichts des einen oder anderen altertümlichen Fußabdrucks die Wasser- und Schlammverteilung auf der damaligen Oberfläche sicher anders und dementsprechend war, eine einzige lehmige Quelle genannt zu werden verdient hat. Satellitenaufnahmen lassen genau diesen Eindruck aufkommen.
War die Gegend der Quelle von einem Volk oder zumindest mehreren Individuen bewohnt?
Ja, zumal schon zu Zeiten Dareios' I. die Gegend bewohnt gewesen war;109 sie war unter dem Namen Ammonium bekannt.
Fand er am östlichen Extremum ein Volk oder eine Gruppe unbekleideter (evtl. behausungsloser) Menschen vor?
Ja, denn Arrian und andere Geschichtsschreiber berichten über Alexanders Zeit in Indien, dass
er dort den berühmten Gymnosophisten begegnet sei, welche es vorzogen,
nackt zu leben, und zu deren Übungen oder gar Lebensweise es
beispielsweise gehörte, völlig unbekleidet in verschiedenen Positionen
in der glühenden Sonne zu verharren: Dann wiederum, als
er in Taxila ankam, und die Sekte der nackten indischen Philosophen sah,
war er überaus daran interessiert, dass einer dieser Leute mit ihm
leben möge, denn er bewunderte ihre Fähigkeit zur Ausdauer.
110 Die Signifikanz der Begegnung mit den unbekleideten indischen Asketen für unsere Untersuchung verstärkt sich in Anbetracht der Tatsache, dass „weder in Persien noch in China eine derartige Sitte zu finden“111 war.
Dem griechischen Historiker Strabo zufolge lebte eine Gruppe jener Gymnosophisten anscheinend nicht einmal mit einem Dach über dem Kopf, sondern in Wäldern.112 Dies passt zu Korankommentaren, die angeben, dass jene Menschen keine gewöhnlichen Wohnungen gehabt hätten, sondern vor der Sonne in Wäldern und Höhlen Schutz zu suchen gepflegt hätten.
Führte ihn eine darauffolgende Reise zu einem Gebirgspass, dessen Gegend von Leuten bewohnt war, welche zunächst starke Kommunikationsprobleme (mit ihm?) hatten?
Dazu ist mir derzeit noch nichts Sicheres bekannt. Wenn die verbreitete Vermutung stimmt, dass Dhul Qarnayn diesen Gebirgspass im Norden erreichte, ist das Zutreffen des Kriteriums insofern unwahrscheinlich, als Alexanders letzter Reiseabschnitt über den Süden führte, wo zudem nicht sehr zu erwarten wäre, dass dort ein Volk lebte, dessen Sprache schwierig zu übersetzen war, und sei es auch anhand einer Kette mehrerer Übersetzer. Immerhin war der Süden seit fast zwei Jahrhunderten politisch weitgehend stabil, persisch beherrscht und somit wohl gut erschlossen. Nichtsdestotrotz ist es nicht völlig ausgeschlossen, und Gebirgspässe oder ähnliche Strukturen gibt es auch in Belutschistan im Süden des heutigen Pakistan sowie im Süden des heutigen Iran.
Beantragten sie seinen Schutz vor den marodierenden Horden des Volkes „Gog und Magog“, worauf er diesen (oder einen anderen?) Gebirgspass mit einem unüberwindbaren Wall aus Eisen und Kupfer versperrte?
Flavius Josephus zufolge ist Magog der Name, mit dem Griechen die im Norden lebenden Skythen bezeichneten, und er erwähnt ein Eisentor, das von Alexander in einem Bergpass angelegt worden sei, um die Skythen zu isolieren.
Das Problem hierbei ist jedoch, dass Alexander zwar tatsächlich zum Land der Skythen vorgestoßen ist, allerdings schon vor seinem Erreichen des östlichen Extremums seiner Reise, während der Koran die Begegnung Dhul Qarnayns mit den Gog und Magog erst nach der Schilderung seiner Ankunft am östlichen Extremum erwähnt. Andererseits fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass das dreimalige atba'a sababâ (... verfolgte er einen Faden
) beim ersten Mal mit fa eingeleitet wurde und bei den restlichen zwei Malen mit thumma. Die drei Phasen der in der Sure Nr. 18 vorausgehenden Mosesgeschichte werden hingegen allesamt jeweils mit fa eingeleitet (fa-nTalaqâ, „daraufhin brachen sie auf“). Dass mit thumma meistens, jedoch nicht zwingend eine chronologische Reihenfolge indiziert wird, ist bekannt113.
Die Reaktion Dhul
Qarnayns auf das Angebot des hilfesuchenden Volkes, ihm einen finanziellen Tribut für seine Hilfe
zu entrichten, nämlich zu antworten, er brauche diesen nicht, weil er
schon genug und Besseres habe, würde charakterlich jedenfalls zu Alexander passen,
der eine ähnliche Attitüde hervorscheinen ließ, als der in die Flucht
geschlagene Perserkönig Dareios III. ihm über Botschafter anbot,
10.000 Talente im Austausch für seine Mutter, seine Ehefrau und seine
Kinder zu geben, dass alle Länder westlich des Flusses Euphrat bis zum
Griechischen Meer Alexander gehören sollten, und ihm vorschlug, seine
Tochter zu heiraten und sein Freund und Verbündeter zu werden. Als
diese Angebote in einer Konferenz mit den Gefährten verkündet wurden,
soll Parmenio zu Alexander gesagt haben, dass, wenn er Alexander wäre, er erfreut wäre, dem Krieg zu diesen Bedingungen ein Ende zu setzen, um
keine weiteren Gefahren einzugehen. Alexander soll geantwortet haben, so
würde auch er handeln, wenn er Parmenio wäre. Doch da er Alexander war,
antwortete er Dareios, wie er es tat. Er sagte nämlich, dass er weder
Geld von Dareios brauche, noch werde er nur ein Teil seines Territoriums
statt des ganzen bekommen.
114
Interessant ist, dass Bronze eine Kupferlegierung ist und es die Griechen gewesen sein sollen, von denen Inder in Taxila „lernten, Bronze durch die Hinzufügung von Blei zu einer besser formbaren Legierung zu machen und feine Waren aus dem neuen Bronze aus Kupfer und Nickel zu gießen.“115
So wenig Zweifel daran besteht, dass entweder Dareios I. oder Alexander von Makedonien die gesuchte Person ist, so unmöglich scheint es nun, nach den bisher zusammengetragenen Fakten, sich für eine der beiden zu entscheiden. Vielleicht erleichtert uns eine übersichtliche Gegenüberstellung der Dinge, die jeweils für einen der beiden in besonders hohem Maß sprechen, die Entscheidung.
Man sollte nicht die bloße Menge der Punkte gegeneinander abwägen, da die Punkte unterschiedlich stark ins Gewicht fallen. Dareios I. dürfte dennoch die „Nase vorn“ haben und würde wohl auf jeden Fall „gewinnen“, wenn nicht die frappierenden Übereinstimmungen in den Einzelheiten um das Erreichen des westlichen Extremums durch Alexander wären, die so weit gehen, dass ein Teil dieser Übereinstimmungen sich näherungsweise durch Berechnungen der Sonnenstände zeigen lassen und nur durch die Unsicherheit in den zeitlichen Zuordnungen einiger seiner Aktivitäten in Ägypten relativiert werden.
In den Alexanderhistoriographien von der Sonnenquelle im extremen Westen und ebenso schwarz auf weiß von den unbekleideten Philosophen im äußersten Osten zu lesen, lässt den Vorrang der Wahl Alexanders geradezu evident erscheinen. Andererseits muss man zugeben, dass der Eindruck der Evidenz wohl nur deswegen entsteht, weil uns in diesem speziellen Punkt nichts ähnlich Detailliertes über Dareios' I. Reisen textlich vorliegt. Letzten Endes handelt es sich dabei um nichts, was nicht schon Dareios' I. getan und beschritten haben könnte, der ja ebenfalls in Ägypten und Taxila war, und zu dessen Lebzeiten auch die Sonnenquelle bereits existierte.117 Auch er wird Ägypten von der Hauptstadt Memphis aus für die Reise nach Osten verlassen haben, zumal der letzte Aufenthalt in einem Land aus diplomatischen und protokollarischen Gründen gewöhnlich in der Hauptstadt des Landes zu erwarten ist, so dass, wenn die Aufbruchszeit eine Ähnliche war, auch der östliche Stand der Morgensonne ebenfalls die Richtung nach Taxila anzeigte.
Wären die Sonnenstände aber nicht ein zu großer Zufall, um nicht genau die zu Dhul Qarnayns Reise passende Intention Alexanders abzubilden, sowie es ein zu großer Zufall wäre, wenn sowohl Dareios I. als auch Alexander diese Intention gehabt haben sollten? So mag es auf den ersten Blick wirken. Andererseits - abgesehen von der Unsicherheit in den zeitlichen Zuordnungen seiner Aufbrüche - wer weiß, ob Alexander nicht zum großen Teil Dareios' I. Leistungen insgeheim nur nacheiferte bzw. diese nur zu übertrumpfen suchte? Entsprechenden, schon jetzt existierenden, wenn auch derzeit noch sehr leichtgewichtigen potentiellen Anhaltspunkten sollte nachgegangen werden.118
Man könnte einwendend fragen, warum Dareios I. von Alexandria aus losziehen sollte, als es noch gar nicht gegründet war. Eine teilweise Beantwortung dieser Frage könnte nun sein, dass es an jener Stelle bereits vor Alexandria eine Siedlung gab, die er aufgesucht haben könnte: Rachotis. Eine andere könnte sein, dass es bei Dareios I. andere Aufbruchsorte und -zeiträume waren, die perspektivisch zum gleichen Endeffekt führten. Oder ging es beiden eher um die Perspektive von der nahegelegenen Insel Pharos, deren späterer Leuchtturm nach einer wissenschaftlichen These geographischen Vermessungszwecken diente? Wie dem auch sei, die vorliegenden Informationen aus Dareios' I. Zeit sind in diesen Punkten zu ungenau. Dem entsprechend schrieb mir im November 2015 der Historiker Prof. Dr. Olaf Kaper von der niederländischen Universität Leiden in einer Korrespondenz:
I do not believe that the remains found by Castiglioni brothers belong
to a Persian army. There is no publication of this material, and neither
Cambyses nor Darius are known to have sent armies to Siwa.
Generell lässt sich nichtsdestotrotz wohl sagen: Sobald wir wissen, dass Dareios I. ebenfalls nach Siwa unter ähnlichen perspektivischen Bedingungen hinsichtlich der Abendsonne aufbrach, sowie nach Osten unter ähnlichen perspektivischen Bedingungen hinsichtlich der Morgensonne, entscheidet sich die ganze Angelegenheit endgültig zu seinen Gunsten, und Dareios I. ist Dhul Qarnayn. Die Konflikte der Laufbahn, des Charakters und der (nicht-)überlieferten spirituellen Rhetorik Alexanders mit dem Koranabschnitt sind vielleicht nicht unauflösbar, aber immerhin doch recht groß.
Sollten aber irgendwann die den oben erwähnten Berechnungen zugrundegelegten Datumsangaben zu Alexanders Aufbrüchen in Ägypten wissenschaftlich bestätigt werden und sich herausstellen, dass Dareios I. nie in Siwa oder einem mindestens gleichwertigen Ort gewesen ist, dürfte endgültig Alexander von Makedonien der Vorzug zu geben sein - so sehr das Herz auch für Dareios I. schlagen mag.
Und sie fragen dich nach dhu l-qarnayn(d.h. „nach der Person, die du ihnen gegenüber erwähnt hast und Wir, Gott, auf der Grundlage einer höheren Weisheit dhu l-qarnayn nennen“). Hierfür muss weder dieser Titel noch die Person, noch der Gesichtspunkt unter dem der Titel zu ihr passt, vor der Fragestellung bekannt gewesen sein. Aus dieser Perspektive wurde der Titel vom Ehrwürdigen Koran für die gemeinte Person erst neu eingeführt oder - mit dem gleichen Effekt - nach langer Zeit „reaktiviert“.
Cyrus entrusted the conquest of Ionian cities on the Aegean coast and the rest of Asia Minor to his generals, including Harpagus, and returned to Ecbatana in order to prepare for further campaigns.
Am Anfang deines Flehens ist ein Wort ergangen, und ich bin gekommen, um es dir mitzuteilen. Denn du bist ein Vielgeliebter. So achte nun auf das Wort und verstehe die Erscheinung: Siebzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt, um das Verbrechen zum Abschluss zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen und die Schuld zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen und Vision und Propheten zu versiegeln und ein Allerheiligstes zu salben. So sollst du denn erkennen und verstehen: Von dem Zeitpunkt an, als das Wort erging, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis zu einem Gesalbten, einem Fürsten, sind es sieben Wochen. Und 62 Wochen lang werden Platz und Stadtgraben wiederhergestellt und gebaut sein, und zwar in der Bedrängnis der Zeiten. Und nach den 62 Wochen wird ein Gesalbter ausgerottet (oder: weggetan, oder, laut Strong's Dictionary: abgeschnitten oder befreit) werden und wird nichts haben. Und das Volk eines kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören, und sein Ende ist in einer Überflutung; und bis zum Ende ist Krieg, fest beschlossene Verwüstungen.(Dan 9,23-26). Versteht man die Jahre als Mondjahre, muss mit einem etwas späteren Zeitpunkt gerechnet werden, aber zum einen läge er auch dann noch deutlich vor der Regierungszeit Dareios' II. (ab 423 v. Chr.), und zum anderen benutzten die Alten Perser einen Sonnenkalender mit einem 365 Tage umfassenden Jahr. Ein weiteres Problem ist die Frage, ob mit dem Wort der Befehl eines persischen Königs gemeint ist, oder wie ebenfalls naheliegt, das Wort oder Versprechen Gottes. Im letzteren Fall beginnen die 483 Jahre früher und enden womöglich noch vor der Abberufung Jesu , der somit nicht der Gemeinte wäre.
The first mention of Ahura Mazda in a royal inscription dates to the reign of Darius, and the primary god he mentions is Ahura Mazda.
die kaum etwas Gesagtes verständlich machten, d.h. von denen man kaum ein Wort verstand. Hierdurch ist noch klarer, dass ein linguistisches Kommunikationshindernis vorlag und nicht etwa ein Defizit des Auffassungsvermögens.
die Kupferverarbeitung in dieser Gegend bis ins fünfte Jahrtausend vor der Zeitenwende zurückreicht)
Und Alexander sagte zu ihm: ‚Du nanntest mich den Zweigehörnten, wiewohl mein Name Alexander ist... und ich dachte, du hättest mich, indem du mich so nanntest, verflucht.’
At length one of them, Callines by name, a man conspicuous both for his age and because he was captain of the Companion cavalry, spoke as follows:—‘O king, what grieves the Macedonians is, that thou hast already made some of the Persians kinsmen to thyself, and that Persians are called Alexander’s kinsmen, and have the honour of saluting thee with a kiss; whereas none of the Macedonians have as yet enjoyed this honour.’("The Anabasis of Alexander" (Arrian), übersetzt von E. J. Chinnock, M.A., LL.B., London 1884, S. 389)
For I speak to you of what you have accomplished in about thirty years. Men say of you: 'Alexander of Macedon has travelled from the setting sun to its rising. He has been welcomed by Ethiopians and Scythians, Men dwelling deep in the west and men of the land of the sunrise. { Homer, Od_1'24 }- Diese Stelle des Alexanderromans legt Aristoteles etwas in den Mund, was lediglich auf besonders prägnante Weise indirekt einen Verdacht befeuert, für den es andernorts viel mehr und verlässlichere Hinweise gibt, nämlich, dass Alexander schlichtweg von dem irrationalen Wunsch getrieben war, alles übertreffenden Ruhm zu erlangen, einen Ruhm, der unter anderem darin bestehen sollte, in Griechenland und sonstwo als der erste und am liebsten der einzige Mensch zu gelten, der an den Ort des Sonnenuntergangs und an den Ort des Sonnenaufgangs gelangt war. Besser wird seine bis heute als rätselhaft geltende Expedition nach Siwa wohl kaum mehr zu erklären sein (was Vorbildnahmen vonseiten Alexanders allerdings nicht ausschließt), denn das war das mystische „Santar“, und dort befand sich die Sonnenquelle, durch deren Eigenschaften bei Sonnenuntergang es möglich war, dem fernen Hörer zu suggerieren, Alexander habe „den Ort des Sonnenuntergangs“ erreicht. Alexander brauchte für seine Legende wohl einfach einen wahren Kern, wie ihn die meisten „erfolgreichen“ Legenden besitzen. (In Richtung Osten wollte er aber, gegen den Unwillen seiner Männer, immer weiter, was auf dem Boden dieser Erklärung auch kein Wunder wäre, solange er im Osten auf kein entgegengesetztes Äquivalent zur Siwa-Quelle stieß.) - Derweil gibt es keinen hinreichenden Grund, in den Schilderungen des Koran, selbst wenn Dhul Qarnayn mit Alexander zu identifizieren sein sollte, eine unbedachte Bestätigung einer bloßen, von Alexander in die Welt gesetzten Legende zu sehen, auch falls die korrekte Übersetzung lauten sollte: „als er den Ort des Sonnenverschwindens erreichte“. Denn so ziemlich jeder Ort auf der sphäroiden Erdoberfläche ist ein „Ort des Sonnenverschwindens“ (ein Ort, an dem aus irgendeiner Perspektive die Sonne optisch verschwindet). Es bliebe lediglich zu klären, warum nicht von „einem“, sondern von „dem“ Ort die Rede ist: Die definite Form hat in der Sprache und besonders in der Sprache des Koran verschiedene Funktionen, zu denen gehört, die Erhofftheit, Erwartetheit oder Anvisiertheit von etwas auszudrücken. Darum passt es, dass nicht nur Mohammed , sondern auch Jesus im Koran „der Gesandte Gottes“ genannt wird, obwohl dies im Hinblick auf die Rolle Mohammeds als letzter, den Hörern bekannterer und für die neue historische Ära wichtigerer Bote Gottes zunächst irritieren mag. Doch war Jesus nun mal prophezeit worden und somit „der(jenige) Gesandte Gottes (der erwartet wurde)“. Dementsprechend war Siwa derjenige Ort des Sonnenuntergangs, von dem Alexander, bevor er zu ihm aufbrach, unter dem bedeutungsvollen Namen „Santar“ erfahren hatte, und den er nun zu erreichen hoffte.
Das erste dieser Völker sind die Ammonier [...]. Neben der Quelle, die aus dem Salz aufsteigt, haben die Ammonier eine weitere Quelle. Das Wasser dieses Stroms ist in der frühen Dämmerung lauwarm; zu der Zeit, zu der sich der Markt füllt, ist es viel kühler; mittags ist es schon ziemlich kalt; darum wässern sie zu dieser Zeit ihre Gärten. Während der Nachmittag voranschreitet, vergeht die Kälte, bis um Sonnenuntergang das Wasser wieder lauwarm ist; die Hitze steigt weiterhin, und um Mitternacht kocht es wild. Danach kühlt es sich ab, bis der Morgen kommt. Diese Quelle wird ‚der Brunnen der Sonne’ genannt.(http://legacy.fordham.edu/halsall/ancient/herod-libya1.asp)
Es genügt in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß sich für Alexander nahezu die gleichen Handlungen, Bootsfahrt aufs offene Meer hinaus, Trankopfer und Gebet an die Götter, am östlichen Rand der Welt, unmittelbar vor der Indusmündung belegen lassen.(Robert Rollinger in: „Dareios und Xerxes an den Rändern der Welt“, S. 13). Siehe bei Rollinger auch die explizite Bezugnahme auf Dareios als „Vorbild“ Alexanders in „Universale Weltherrschaft und die Monumente an ihren Grenzen“, S. 16. Wenn Alexander nun anlässlich der Erreichung des östlichen Extremums der damaligen Welt bewusst die ihm überlieferten Rituale des Dareios übernahm, lässt sich sein Besuch Siwas bestens als eine anlässlich der Erreichung des westlichen Extremums erfolgte Übernahme erklären, der ein Vorbildakt des Dareios vorausging. Nicht weniger dunkel und interessant ist ein weiterer potentieller Anhaltspunkt: Eine Götterfigur in der Vorstellung der nordafrikanischen Phönizier trug einen Namen, der sich mit dhu-l-qarnayn (arab. dhû = Inhaber, „der/einer mit ...“, Herr) als völlig bedeutungsgleich auffassen lässt: Baal-Qarnayim, übersetzt: „Herr der zwei Hörner“ (phön. ba'l = Herr, Eigentümer). Damit ließe sich zumindest die gedankenexperimentelle Frage stellen, ob es nicht einfach diese ideelle Figur war, nach welcher die anonymen Fragesteller des Koranverses 18:83 fragten und mit der erzählerischen Antwort u.a. die Aufklärung darüber intendiert ist, dass hinter der Figur ursprünglich keine Gottheit, sondern ein irdischer, vorbildlicher Politiker stand, dessen Andenken sich nach seinem Tod zu einer Mythisierung und schließlich zu einer Vergötterung entwickelte. Dies würde sich nicht nur in die aufklärerisch-monotheistische Grundintention des gesamten Koran gut einfügen (s. Sure 7:194 u. vgl. 4:57-64 incl. Abschluss mit der
mein Herr-Rhetorik), sondern aus zwei Gründen auf plausible Weise auch in die Hypothese vom Aufenthalt Dareios' I. in Siwa und seiner Nachahmung durch Alexander: 1.) Es wird davon ausgegangen, dass Baal-Qarnayim von der Figur Baal-Hammon abgeleitet war, wobei sich letztere nach einigen, passend zum Namen, mit dem Ammon-Kult, wie er in Siwa vorherrschte, in Verbindung bringen lassen soll und jedenfalls mit Widderhörnen dargestellt wurde. 2.) Der Kult um Baal-Hammon existierte lange vor Alexander und nahm anscheinend kurz nach dem Tode Dareios' I. ungewöhnlich Fahrt auf.