Letzte Änderung: 13.11.2024 um 13:15:51 ● Erstveröffentlichung: 18.05.2023 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Göttlichkeit und Gültigkeit: Zum Ursprung aller Werte

Ihren normativen Kern untermauert die Schrift Gottes eindeutig mit apriorischer1 Ethik, obgleich sie die Erkenntnis des Zusammenhangs der gesunden menschlichen Intuition überlässt und sich minutiös-abstrakter Herleitungen überwiegend enthält. Dennoch bleibt es nicht aus, dass Fragen zum Einklang zwischen göttlichen Geboten und a priori gültiger ethischer Werte aufgeworfen werden.

Der Sammlung und Beantwortung solcher Fragen wollen wir uns hier widmen.

Souveränität und Weisheit

Begonnen sei mit der wohl bekanntesten unter jenen Fragen:

Hat Gott Seine Gebote angeordnet, weil sie gut sind, oder sind sie gut, weil Er sie befohlen hat?

Mit der Stellung dieser Frage ist manchmal die Einleitung eines Plädoyers für eine der beiden Optionen und somit einer bevorzugten metaethischen Richtung wie z.B. den sogenannten moralischen Realismus, häufig aber wohl die Konstruktion eines Dilemmas beabsichtigt: Das eine würde scheinbar implizieren, dass es Werte gebe, die neben Gott  und unabhängig von Ihm und Seinem Willen objektiv gültige Werte sind, und womöglich sogar eine Beschränkung der göttlichen Handlungsmöglichkeiten bzw. einer Vorprogrammierung der Handlungen Gottes . Das andere hingegen würde scheinbar implizieren, dass Er Seine Gebote in einer jeder Weisheit entbehrenden Beliebigkeit, Willkür und Zufälligkeit ausgesucht habe. - Beides stünde in Konflikt mit der Göttlichkeit und grenzenlosen Würdigkeit einer allweisen und zugleich uneingeschränkt souveränen Gottheit.

Auflösung - kurz und grob

Doch das Dilemma entspringt einer reinen Suggestion und existiert in Wirklichkeit gar nicht. Die Frage suggeriert nämlich und setzt ohne Beweis irrigerweise voraus, dass solange es nichts gebe, das unabhängig von Gott  gut sein könne, etwas allenfalls gut sein könne, wenn Gott  es befiehlt. Dies lässt sich leicht widerlegen: Gott  selbst ist gut (Sein Wesen ist ja keine Handlung, die befohlen werden kann), und weil das so ist und Gott  die Eigenschaft der Göttlichkeit besitzt, ist es außerdem gut, Ihn anzubeten. Damit wären dies schon zweierlei, die auch ohne befohlen zu werden und somit a priori zweifellos gut sind. Zugleich ist weder Gott  noch Seine Anbetung etwas unabhängig von Ihm Gutes, sondern Er ist allein Seiner selbst wegen gut, und angesichts ihrer Bezogenheit auf Ihn ist Ihm gewidmete Anbetung allein Seinetwegen gut. Hier gibt es also, ohne dass etwas befohlen zu werden braucht, genügend Gutheit, die allein Gott  zum Ursprung hat. Nebenbei zeigt sich hier, wie sehr das vorgebliche Dilemma ein in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzendes Konzept ignoriert, nämlich das des Gutseins von etwas wegen etwas Anderem Guten. Dass Gott  nun auch geboten hat, Ihn anzubeten, erhöht die Gutheit dieser Handlungskategorie, und dies wiederum Seinetwegen, d.h. weil Er es ist, der es geboten hat. Somit stimmt hier für den an die Weisheit Gottes glaubenden Menschen beides, ohne dass irgendein logisches Problem feststellbar wäre: Gott  hat dieses Gebot angeordnet, weil es gut ist, und es ist gut, weil Er es angeordnet hat.

Verfeinerte Darlegung

Freilich war das nur eine grobe und verkürzte Darlegung. Eine einigermaßen verfeinerte und abstraktiv-dialektischen Ansprüchen eher genügende Auseinandersetzung sei im Folgenden dargeboten. Hierfür ersetzen wir aus „handwerklichen“ Gründen das begrifflich diffuse Lexem der Gutheit mit demjenigen der Würdigkeit, zumal die ganze Zeit über nicht das sinnlich oder technisch Gute gemeint ist, sondern das ethisch Gute, das erst durch die Komponente der Würdigkeit zu einem solchen wird.2 Die vorliegende „Frage“ fordert die Wahrheit heraus, dass es nichts gibt, das unabhängig von Gott  Würdigkeit besitzt, bzw. sie zweifelt die Möglichkeit von wahrhafter (vollkommener) Göttlichkeit an, welche im hinreichend konsequenten Verständnis ja genau das impliziert. Ihrem relevanten Aspekt trägt also ihre folgende Formulierung Rechnung:

Hat Gott Seine Gebote angeordnet, weil sie Würdigkeit haben, oder haben sie Würdigkeit, weil Er sie befohlen hat?

Zunächst stellen wir den Irrtum fest, welcher dem von dieser Frage suggerierten, sogenannten Euthyphron-Dilemma zugrunde liegt, nämlich dass es entweder a) von Gott  unabhängig Würdiges - hier Werte a priori - gebe, oder  b) allenfalls etwas von Gott  Befohlenes würdig sein könne (d.h. wenn etwas Würdiges nicht unabhängig von Gott würdig sei, müsse es etwas von Ihm Befohlenes sein). Beides stelle die Göttlichkeit bzw. Einzigkeit Gottes in Frage, „a“ durch Relativierung Seiner Würdigkeit und Einschränkung Seiner Handlungsmöglichkeiten, „b“ durch das Fehlen jeglicher wahrhaften Weisheit in den göttlichen Anordnungen.

Es ist offensichtlich, dass das Dilemma zumindest ins Wanken gerät, sobald etwas Würdiges benannt wird, das nicht unabhängig von Gott würdig ist und hierfür nichts bereits Befohlenes sein muss. Und solches lässt sich zweifellos benennen, nämlich: Gott  selbst. In der Sicht des Theisten (dessen Standpunkt die Frage notwendigerweise einnimmt), so sein Theismus hinreichend konsequent ist, besitzt Gott  als Ursprung aller Würdigkeit unbestreitbar Würdigkeit und ist dennoch nichts Befohlenes, zumal Sein Wesen keine Handlung ist.

Und es ist offensichtlich, dass das Dilemma als vollends zerstört zu gelten hat, sobald ein weiteres Würdiges genannt wird, das diese Eigenschaft besitzt und zugleich zwar eine Handlung ist und befohlen werden kann, jedoch nicht erst bereits befohlen sein muss, um Würdigkeit zu besitzen. Auch solches lässt sich zweifellos benennen, nämlich: Handlungen um Gottes willen. (Unter den Handlungen sind sie sogar das einzige Gute und Würdige.) Solche besitzen auch ohne Befohlenheit unbestreitbar Würdigkeit, da sie nicht irgendwelche Handlungen sind, sondern Handlungen um eines Würdigen willen (d.h. seinetwegen bzw. aus Anerkennung seiner Würdigkeit). Solchen kommt notwendigerweise Würdigkeit zu, da dies in Abrede zu stellen sie mit Haltungen der Gleichgültigkeit gegenüber dem jeweiligen Würdigen gleichsetzen würde, was ethisch offensichtlich unzulässig ist.

Hier stellen wir den zweiten Fehler fest, der dem Fragesteller unterlief, nämlich die Vernachlässigung des Prinzips vom Wertgewinn aufgrund eines positiven Bezugs auf vorab Würdiges. Die primäre Implikation eines konsequenten Theismus ist hier nämlich nicht, dass die Würdigkeit von etwas stets auf einer Befohlenheit vonseiten Gottes beruhen muss (auch wenn dies durchaus der Fall sein kann), damit Gott  allein als die an und für sich wahre Wahrheit gelten, d.h. außer Gott  kein Wert einen anderen aus sich selbst begründen kann. Die hinreichende Hauptsache ist vielmehr, dass ohne Gott  und die Würdigkeit Gottes von der Würdigkeit irgendeines sonstigen Wertträgers nichts übrig bliebe, d.h. dass die Würdigkeit eines Konzeptes, eines Prinzips oder eines Dinges - gleichgültig ob wegen eines Befehls oder aus einem anderen Grund - allein von Gott abhängig ist.3

Wahrhafte Göttlichkeit ist ausschließlich die absolute und vollkommene Göttlichkeit, da jedes hiervon abweichende Konzept von Göttlichkeit widerspruchsbehaftet ist. Weil diese impliziert, dass 1.) außer Handlung um Gottes willen (bzw. Ihm zuliebe) keine Handlung Würdigkeit besitzt und 2.) Gott die Eigenschaft der grenzenlosen Weisheit zukommt und Er somit nichts Würdigkeit Entbehrendes, geschweige denn Unwürdiges befiehlt, impliziert optimaler, korrekter und konsequenter Theismus, dass a) Gott keine Handlung befiehlt, die nicht letztlich ausschließlich um Seinetwillen ist, b) was Er befohlen hat, allein deswegen befohlen hat, weil das Befohlene (in welcher Weise auch immer) um Seinetwillen ist.

Dass Gott nun tatsächlich geboten hat, aktionale Haltungen um Seinetwillen anzunehmen, erhöht die Würdigkeit dieser Handlungskategorie, und dies wiederum Seinetwegen, d.h. weil Er es ist, der es geboten hat. Somit stimmt hier für den an die Weisheit Gottes glaubenden Menschen beides: Alles, was Gott geboten hat, hat Er geboten, weil es würdig ist, und es ist würdig, weil Er es geboten hat.

Da nun jemand meinen könnte, dass in diesem Fall die Optionen für das, was Gott überhaupt gebieten könnte, geringer Anzahl seien, bleibt lediglich die Frage bezüglich der göttlichen Souveränität und Freiheit. Hierfür kehren wir zu einer unrelativierbaren Ausgangsposition zurück: Es gibt (im Denkbaren) nichts Würdiges außer Gott (dessen Würdigkeit absolut ist) und was um Seinetwillen als würdig einzustufen ist, mithin auch, was einfach um Seinetwillen ist oder geschieht (relative Würdigkeit). Und hierum weiß Gott selbst am besten. Wir wissen mittlerweile, dass nichts gegen die Idee einzuwenden ist, dass Er verfügt, dass um Seinetwillen Handlungen welcher konkreteren Art auch immer getan werden, und nichts gegen diejenige, dass Er dies aufgrund Seines Wissens um ihre Würdigkeit verfügt. Dieses Seinige Wissen ist natürlich als im Voraus bestehend zu denken, d.h. bevor (d.h. unabhängig davon, dass) Er irgendetwas verfügt. Da wir dies ebenfalls wissen, können wir damit rechnen, dass Er tatsächlich verfügt hat, um Seinetwillen geschehende Werke zu vollbringen, und nichts anderes. Das beschränkt jedoch keineswegs die Anzahl und Vielfalt der Befehlbarkeiten, denn es mag - ein wenig hylemorphistisch ausgedrückt - im Denken die Essenz des Befohlenen (Handlung zu sein) und seine Substanz (um Gottes willen zu sein) festlegen, sagt jedoch wenig oder gar überhaupt nichts darüber aus, welche unter allen möglichen speziellen Formen (d.h. anhand ihrer Form bestimmbarer spezieller Arten) des Handelns um Seinetwillen Er auswählt, um sie zum Gegenstand Seines Befehls zu machen. Für diese Formen kommt immerhin unendlich vieles in Frage: Gebet, Fasten, Spenden an Bedürftige, ja vielleicht sogar gemeinhin als völlig kontextfremd Erscheinendes, sei es eine Weile auf einem Bein stehend auszuharren, regelmäßig bestimmte Mengen Holz zu hacken, Obelisken aufzustellen oder anderes, solange es um Seinetwillen zu vollbringen ist. Ein verhältnismäßig sehr kleiner Teil aller möglichen Handlungskategorien mag kraft kontingenter Faktoren4 durchaus ranghierarchisch strukturiert, priorisiert und als Ausrichtung auf Gott notwendiger oder angemessener sein als andere, gleichwohl ist Gott der alleinige Schöpfer dieser Faktoren, zudem umfasst häufig eine schon a priori auf höherer Stufe befindliche Form viele untereinander gleichwertige mögliche Subformen (z.B. kann Naturschutz sowohl in Form der finanziellen Unterstützung von Umweltprojekten als auch in Form politischer Aktivität ausgeübt werden), die sich axiologisch erst durch selektive göttliche Akte - z.B. eben spezielle Anordnungen Gottes - voneinander abheben können. Obendrein verbleiben theoretisch unendlich viele sonstige Formen des (weitestgehend untypischen) Handelns um Seinetwillen, die untereinander gleichwertig sind. Als nennenswert würdig kann eine solche Form erst recht nur gelten, wenn Gott sie z.B. durch einen Befehl auserwählt,5 und dann besäße sie diese Würdigkeit, nur weil Gott sie auf diese Weise auserkoren hätte. Solange Gott sie nicht auserwählt, könnte sie nicht einmal dann als nennenswert würdig gelten, wenn sie vermeintlich um Seinetwillen vollbracht würde, da sie Ressourcen in Anspruch nähme, welche Handlungen höheren Ranges (die ihnen durch ihre speziellen Formen aufgrund von Befohlenheit oder apriorischer Vorzüglichkeit zukäme) dann nicht zur Verfügung stünden. (Im Verhältnis zu Handlungen mit anderer oder ohne jegliche Substanz mag ihr auch ohne göttliche Selektion Würdigkeit zukommen; dadurch aber, dass diese Würdigkeit in der Realität praktisch nie zum Tragen kommen kann, fließt ihr im Verhältnis zu den höherrangigen Handlungen überwiegend zu konstatierende Würdigkeitsdefizit neutralisierend, wenn nicht gar umkehrend, in die Betrachtung ein.)  - Unter dem Aspekt des Allgemeinen hat Gott daher ohne eine Aufhebung der Unendlichkeit Seiner Möglichkeiten jedes Seiner Gesetze verfügt, weil es würdig ist, und unter dem Aspekt des Speziellen ist jedes Seiner Gesetze würdig, (nur) weil Er es verfügt hat. Zugleich hat Er alles, was würdig (also ein ethischer Wert (S)) ist, befohlen, und alles, was Er befohlen hat, ist würdig (also ein ethischer Wert (S)).

Zu guter Letzt kommt hinzu: Weisheit ist keine ontologische Beschränkung der Macht Gottes , sondern die Pflicht zum Glauben an jene ist eine ethische Beschränkung der Annahmen des Menschen in Bezug auf Sein Tun.

Zusammenfassung:

Ja, Gott hat alles von Ihm Gebotene deshalb geboten, weil es Würdigkeit besitzt, und als der Allweise, der Er ist, gebietet Er nur solches. Diese Implikation der grenzenlosen Weisheit Gottes befindet sich in vollkommener Harmonie mit konsequentem vereinzigenden Theismus. Denn keine Gebotenheit besitzt absolute, sondern ausschließlich relative Würdigkeit (z.B. weil es anderem Würdigen zuarbeitet), die sich letztlich lediglich von Seiner Würdigkeit ableitet. Absolute Würdigkeit besitzt Er allein.  Und dass Seine Weisheit impliziert, dass nur Würdiges von Ihm befohlen wird, beschränkt weder die Anzahl noch die Vielfalt Seiner Handlungsmöglichkeiten. Denn 1.) Die relative Würdigkeit von Trägern einer solchen (auch wenn sie nichts als direkt anerschaffen zu sein Denkbares ist) ist von Faktoren abhängig, die Gott selbst erschaffen hat. 2.) Essenz und Substanz des nach dem Maßstab der Weisheit Gebietbaren (Handlungen um Gottes willen bzw. Ihm zuliebe) stehen zwar a priori fest; doch die Menge und Vielfalt der möglichen Formen und somit der Gebietbarkeiten ist nach wie vor unendlich groß. Sie bleibt selbst dann unendlich groß, wenn man die Menge derjenigen potentiellen Handlungen abzieht, deren positive Werte kraft der erwähnten Faktoren a priori festgelegt sind. Denn ihre Menge, wie groß sie auch immer sein mag, ist im Verhältnis zu derjenigen aller denkbaren sonstigen Formen der Handlungen um Gottes willen gleichwohl verschwindend klein. 3.) Weisheit ist keine ontologische Beschränkung der Macht dessen, der sich durch jene auszeichnet, sondern eine Beschränkung findet im theistischen Kontext lediglich in der Art und Menge der legitimen Annahmen des Menschen statt.

Und ja, was von Gott geboten wurde, besitzt, weil es von Ihm geboten wurde, nochmals Würdigkeit. Denn es ist ethisch unzulässig, von einem Inhaber absoluter und unendlicher Würdigkeit Auserwähltes mit von Ihm nicht Auserwähltem grundsätzlich axiologisch gleichzusetzen. Also gewinnt solches, ob es nun durch ein Gebot gegenüber nicht Gebotenem oder durch Sonstiges auserwählt ist, kraft der Selektion in jedem Fall Würdigkeit. Zudem sind die Subformen einer a priori würdigkeitsvollen Handlungskategorie häufig untereinander indifferent, so dass sich eine solche Subform durch ihre göttliche instruktive Gewolltheit von den anderen Subformen axiologisch abhebt. (Sind alle Subformen einer Handlung, die sich ihre Oberkategorie mit keiner anderen Handlung teilt, gleichermaßen geboten, wird es Oberkategorien anderer Handlungen geben, gegenüber denen sie an Wert zunimmt.)

Grundlage der Auflösung des Dilemmas: Hinsichtlich der Substanz einer jeden Gebotenheit wurde sie von Gott geboten, weil sie Würdigkeit besitzt, während sie hinsichtlich ihrer Form Würdigkeit besitzt, weil sie von Gott geboten wurde. Ersteres etabliert, anders als vom Dilemma suggeriert, nichts von Gott unabhängig Würdiges, da die Substanz des Gebotenen darin besteht, um Gottes willen und Ihm zuliebe zu sein. Zweiteres stellt die Weisheit Gottes in Seinen Bestimmungen nicht in Abrede, da diese Weisheit im Lichte des Faktums, dass es nichts Würdiges außer Gott und was um Seinetwillen ist, geben kann, spätestens in der Substanz des Gebotenen sichtbar wird.

Vernunftethik aus der Perspektive der Vereinzigungslehre (tawħîd)

Konkurrenz zum offenbarten Gesetz?

Nachdem das Vorangegangene sich besonders eignet, im Namen der Vernunftethik geführten Angriffen auf den Eingottglauben zu begegnen, ist auch damit zu rechnen, dass im Namen der Einzigkeitslehre die Legitimität jeglicher offenbarungsunabhängigen Ethiklehre in Frage gestellt und ein solches Unterfangen verfälschend oder zumindest unüberlegt gar als Beigesellung (shirk) abgestempelt wird. Der von dieser Seite zu behandelnde mögliche Einwand könnte lauten: „Gott allein ist der wahre Herrscher über alle Dinge, also hat auch nur Er das Recht, Gesetze zu geben; wenn apriorische Ethik aber offenbarungsunabhängig ist, haben ihre Normen anscheinend eine andere Quelle als Gott  (z.B. die Selbstheit ihres Proponenten, die begrenzte Vernunft des Menschen oder gar bloß seine Neigungen) und begeben sich in Konkurrenz zum Gesetz Gottes, weshalb die Anerkennung jeglicher apriorischer Ethik Beigesellung ist.“

Die Beantwortung des Einwandes ist einfach. Wollte Ethik oder der Ethiktheoretiker etwas gesetzgebend bestimmen6 und gründete dies geäußert oder ungeäußert auf eine andere vermeintliche, als absolut gedachte Autorität7 als diejenige Gottes, läge in der Tat Beigesellung vor. Korrekte apriorische Ethik verfolgt jedoch gar nicht den Zweck, irgendwem ein Gesetz aufzuerlegen oder etwas vorzuschreiben. Über das, was vorgeschrieben ist, auch nur Auskunft zu geben, liegt ihr fern. Sie beruft sich als Letztbegründung nicht einmal auf irgendeine Autorität, geschweige denn auf eine andere als diejenige Gottes (wie auch Mathematik sich zur Begründung der Gültigkeit ihrer Aussagen nicht auf Autorität beruft). Das Gleiche gilt für den rechtgeleiteten Ethiktheoretiker (m/w). Als wissenschaftliche oder philosophische Disziplin will ideale Ethik hinsichtlich der moralischen Praxis nichts bestimmen, sondern lediglich so weit wie möglich angeben, welche Haltung ein reifer und gesunder Mensch, der die optimale Grundausrichtung hat, d.h. der aus seinem Tiefsten heraus die vollkommene kategorische Bereitschaft hegt, jedem Inhaber eines Rechts sein volles Recht zukommen zu lassen, bzw. jedem objektiv Würdigen Würdigkeit vollkommen gemäß seiner Würdigkeit beizumessen, also der das wahrhaft Gute aufrichtig will, im Idealfall einnehmen würde (grob ausgedrückt).8

Apriorische Ethik (im Idealsinn) kann nicht in Konkurrenz zum offenbarten Gesetz stehen, allein schon weil ihre zentralen Urteilsbegriffe völlig andere sind als die bestimmenden Kategorien des Gesetzes. Die Urteilsbegriffe der Ethik sind unabhängig vom Konzept der Autorität: würdigunwürdig und indifferent, bzw., handlungsspezifischer: obligatverwerflich und legitim. Die bestimmenden, analog erscheinenden Kategorien des religiösen Gesetzes hingegen beruhen auf Autorität und sind: auferlegt (geboten), sakrosankt (verboten) und statthaft (erlaubt). Korrekte apriorische Ethik in Person ihres Proponenten maßt sich ohne Weiteres nicht im geringsten an, etwas mit den letzteren Kategorien auszuzeichnen oder ohne Weiteres auch nur Auskunft darüber zu geben, ob sich irgendetwas, und wenn ja, was sich mit ihnen auszeichnet.

Derlei Missverständnisse sind insofern nicht überraschend, als zum einen die Gefahr einer irrtümlichen Verwechselung und Gleichsetzung der Urteilskategorien dadurch erhöht ist, dass durchaus alles von Gott Gebotene oder Untersagte notwendigerweise ethisch obligat bzw. verwerflich ist.9 Nur eben folgt umgekehrt allein daraus, dass eine Sache ethisch obligat oder verwerflich ist, noch nicht, dass Gott  speziell zu ihr auch eine analoge Vorschrift oder Untersagung offenbart hat. Andererseits schließt das wiederum nicht aus, dass Gott  zu jeder denkbaren apriorischen Pflicht und jeder ebensolchen Verwerflichkeit eine analoge Direktive offenbart hat; es kann sich nachträglich sogar als ethische Pflicht erweisen, genau hieran zu glauben. Dass damit in der Auffassung vieler Menschen die Illusion einhergeht, dass die genannten Urteilsbegriffe miteinander vollkommen identisch sind, sollte also nicht verwundern. - Obendrein waren und sind insbesondere abendländisch-neuzeitliche Moralphilosophien leider tatsächlich dadurch motiviert, religiöse Gesetzgebungen samt dem Glauben an die absolute Autorität des Schöpfers zu ersetzen, und bestrebt, den Anschein zu erwecken, dass die juristischen oder religiösen Kategorien unverändert übernommen werden könnten. Zementiert wurde die daraus entstandene Unsitte von der Terminologie eines einflussreichen, vom Konzept des Gesetzes geradezu besessen erscheinenden Moralphilosophen wie Immanuel Kant, dessen Ausführungen unablässig um die Begriffe des Sittengesetzes, der gesetzgebenden Vernunft, der Autonomie (gesetzgeberische Selbstbestimmung) und der Heteronomie (gesetzgeberische Fremdbestimmung) usw. kreisen. Die Wahrheit ist aber: Es gibt zwar a priori Obligates und Verwerfliches, jedoch keine apriorischen Gebote oder Verbote.

Fehlender Gottesbegriff?

Es gibt jedoch einen zweiten möglichen Einwand, der vielleicht etwas verzwickter ist. Dieser könnte sich nicht nur daran stören, dass korrekte apriorische Ethik scheinbar über das allgemeine Handeln um des Höchsten willen hinaus weitere und weit konkretere Tugenden, Werte und Normen inferiert, z.B. Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, oder Werte wie Leben, Vernunft und Wissen, oder Werke wie Nothilfe und Schutz der Schwächsten der Gesellschaft, ja Wertegebilde, die als ganzer Sphärenkomplex der sittlichen Ratio, als Wertegefüge oder als Wertehierarchie daherkommen.10 Er könnte obendrein daran Anstoß nehmen, dass während Werte in einer korrekten Vereinzigungslehre auf Gott  und nichts anderes zurückgehen, in den Anfangsgründen einer korrekt und konsequent ausgearbeiteten apriorischen Ethik der Gottesbegriff aber zunächst gar nicht vorkommt; dort werden Wertableitungen bereits vorgenommen und zahlreiche ethische Sätze etabliert, bevor überhaupt irgendein Gottesbegriff zur Verfügung steht. Dies kann den fatalen Anschein wecken, dass ihr zufolge objektive Werte auf etwas oder jemanden anderes zurückgingen als auf den Einen und Absoluten ...

Allerdings sollte man sich, bevor man sich diesem Anschein hingibt, den Ursatz der Ethik vor Augen führen, um erstens schon nach einem flüchtigen Blick festzustellen, dass nichts an ihm in irgendeiner noch so entfernten Weise die Rückführbarkeit aller wahren Werte auf Gott  verneint: |Würdiges ist würdig|.11 Immerhin enthält er weder eine Negation noch einen Begriff, dessen Entsprechung nicht der Allschöpfer sein könnte. (Es wird ja wohl niemand ernsthaft in Frage stellen, dass Gott  die Eigenschaft der Würdigkeit zukommt.)

Der Satz selbst ist übrigens nicht (und ebensowenig die „Vernunft“!) notwendigerweise der Urwertträger, von dem sich alle Werte ableiten, zumal die Letztbegründung stets lautet: ... weil Würdiges würdig ist, und nicht: weil der Satz ‚|Würdiges ist würdig|’ würdig ist. Doch er „produziert“ nun mal weitere, zweifellos gültige Sätze.12 Diese sind ihrerseits Würdigkeitszuordnungen, was darauf hindeutet, dass sich schon der Ursatz auf einen echten (d.h. notwendig statt nur potentiell Würdigkeit besitzenden und faktisch statt nur hypothetisch dem Geist des Subjekts Gegenstand seienden13) Urwertträger bezieht, von dessen Würdigkeit sich die zugeordneten Würdigkeiten (V) ableiten, zumal sonst eine Ableitung nicht möglich wäre. Bei der Betrachtung des Ursatzes lässt sich auf den ersten Blick nun kein anderer Urwertträger ausfindig machen als (objektiv und wahrhaft) Würdiges allgemein. Da dies weder ein Individualbegriff ist noch das Würdige an dieser Stelle auch nur im Geringsten spezifiziert wird, kann man zwar nicht sagen, dass der Ursatz den Allschöpfer  meine (von dem wir einen verhältnismäßig spezifischen Individualbegriff haben), aber auch nicht, dass er etwas anderes als den Allschöpfer  meine. Zunächst legt nichts am Ursatz für seinen Urwertträger irgendeine Eigenschaft fest, weder reelle Existenz noch Nicht-Existenz, weder Abzählbarkeit noch Unabzählbarkeit, weder Zusammengesetztheit noch Unzusammengesetztheit, weder Materialität noch Immaterialität, außer reine Würdigkeit.

Zugleich ist durch denselben Ursatz klar, dass nichts außer dem Urwertträger wahrhafte Würdigkeit besitzt, so dass alles andere außer ihm entweder keinerlei oder allenfalls von der seinigen abgeleitete, relative Würdigkeit besitzen kann, während seine unabgeleitet und absolut ist. Spätestens hier sollte auffallen, dass diese zunächst als einzige vorliegende Eigenschaft des Urwertträgers der apriorischen Ethik in der Theologie der Vereinzigung zugleich eine notwendige Eigenschaft Gottes ist, die in dieser Absolutheit ausschließlich Ihm zukommt. Dies zusammen mit der Tatsache, dass der Ursatz keinen Individualbegriff enthält und somit nichts, das unter Verdacht stehen könnte, eine andere Entsprechung als Gott  zu haben (nicht einmal eine zutreffende Beschreibung könnte einen solchen Verdacht sonst verhindern), ermöglicht jedem, der die apriorische Ethik aus der Perspektive der Vereinzigungslehre betrachtet, sie nicht nur als konfliktfrei zu ihr, sondern auch geradezu als Bestätigung dafür anzusehen, dass alle Werte auf Gott , und zwar auf Gott  allein, (letztlich) zurückgehen. In einer am Stil der Syllogistik angelehnten Veranschaulichung zeigt sich das folgendermaßen:

  1. Alle Werte gehen allein auf Inhaber absoluter Würdigkeit zurück (Apr. Ethik).
  2. Gott  ist der alleinige Inhaber absoluter Würdigkeit (Vereinzigungslehre).
  3. => Alle Werte gehen allein auf Gott  zurück (Konklusion).

Langfristig ist eine derartige Vermengung von Analytik und Dogmatik nicht nötig (und erkenntnistheoretisch eine suboptimale Vorgehensweise, gelinde ausgedrückt), denn im Verlauf einer stringenten und konsequenten Ausarbeitung korrekt fundierter Ethik ergibt sich ohnehin eine vollkommene Vereinzigungslehre als notwendige Implikation. Dennoch war es wichtig zu zeigen, dass aus der Perspektive einer solchen die optimale Ethik die Werte an keiner Stelle dezidiert auf etwas anderes zurückführt als auf Gott.

Unabdingbarkeit

Obendrein ist gerade ein a priori14 gültiges ethisches Prinzip dazu geeignet, die Vorzüglichkeit und den höchsten Rang der Vereinzigungslehre gegenüber allen anderen Lehren ins Licht treten zu lassen. Denn ein solches a priori gültiges Prinzip ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Gültigkeit jedweder normativen Lehre. Mehr noch: Ohne ein solches Prinzip erweist sich echte und aufrichtige Vereinzigung (tawħîd) als ganz und gar unmöglich. Immerhin ist |Gültigkeit| kein genuin theologischer, sondern ein epistemologischer, wenn nicht dezidiert (meta-)ethischer Begriff.15 Wer daher absolute Gültigkeit für irgendeine Lehre beansprucht, ist auf den Beweis einer aller Offenbarung vorausgehenden Ethik angewiesen.

Die Unmöglichkeit wahrhafter Vereinzigung ohne ein unabhängig von offenbarten Befehlen gültiges ethisches Prinzip als Grundlage lässt sich sowohl auf aufwendige16 17 als auch auf weniger aufwendige Weise demonstrieren: Der den beiden hierin entgegengesetzten Thesen gemeinsame Ausgangspunkt ist, dass Vereinzigung höheren Ranges und von größerer Würdigkeit als sein Gegenteil ist, dieses hingegen unwürdig. Nur ist der Vertreter des Gegenstandpunkts der Ansicht, dass der Grund hierfür allein sei, dass Gott  Ihn zu vereinzigen geboten habe. Dies kann er nur als alleinigen Grund ansehen, wenn für ihn von Gott  Befohlenes grundsätzlich höheren Ranges ist als sein Gegenteil (was für sich alleine genommen durchaus korrekt wäre). Für die Einnahme einer Position zur Verteidigung dieser These stehen ihm höchstens18 vier Optionen zur Verfügung:

  1. Er behauptet, das sei einfach so bzw. liege in der Natur der Sache.
  2. Er versucht, die höhere Würdigkeit inferierend abzuleiten.
  3. Er schreibt Gottesbefehlen eine spezielle Wirkung zu, durch die jenes bewirkt wird, bzw. er führt es auf Willen und Macht Gottes zurück.
  4. Er führt es auf einen unbegreiflichen, mystischen Grund zurück.

Position Nr. 1 wäre nichts anderes als eine Identifizierung der Begriffe des Würdigen und des von Gott  Befohlenen, und zwar im Sinne einer Definition nicht nur zweiter, sondern erster Ordnung19. Dies wäre ein offensichtlicher Fehler, denn nicht nur sind die beiden Begriffe prima facie unterschiedlich, sondern es ist, wie schon weiter oben erwähnt, auch klar, dass es Würdiges gibt, das nicht von Gott  befohlen ist: Gott  selbst. Die Begriffe sind also keineswegs identisch. - Zudem bedeutet die Haltung nichts anderes, als einer Sache, die mit Gott nicht identisch ist, neben Ihm unabgeleitete und absolute Würdigkeit zuzuschreiben, was im diametralen Widerspruch zum Prinzip der Vereinzigung steht.

Mit Position Nr. 2 würde er entweder den bereits in der ersten Position enthaltenen Fehler wiederholen, oder in einen Zirkelschluss geraten, oder die Würdigkeit auf etwas außerhalb des eigentlichen Sachverhalts Liegendes zurückführen (z.B. darauf, dass Gott  von Seinem Wesen her höchste Würdigkeit besitzt, oder auf unsere Schuldigkeit unserem Schöpfer  gegenüber als Seine Geschöpfe), was mit der Aufgabe seines Standpunkts gleichbedeutend wäre.

Position Nr. 3 verwechselt die Ebenen des Ontologischen und des Axiologischen und unterstellt der Allmacht Gottes, deren Begriff spezifisch ontologischen Bezugs ist, über diesen hinaus einen axiologischen Bezug, mit dem Macht schon begrifflich überhaupt nichts zu tun hat. Dass es jedenfalls ausgeschlossen ist, dass einer Sache Würdigkeit direkt anerschaffen wird, erweist sich im Zuge der Berücksichtigung der evidenten Tatsache, dass auch Sachen, die der Realität noch gar nicht angehören und ihr u.U. niemals angehören werden, einen Wert haben können. So können beispielsweise Handlungen, die noch gar nicht getan (realisiert) wurden, schon vorab würdig oder unwürdig sein. Der erste Mord in der Menschheitsgeschichte, der Brudermord Kains an Abel war schon vor seiner Begehung als verwerflich bekannt, und kein vernünftiger Mensch würde behaupten, erst mit seiner Begehung sei er verwerflich geworden. Die Würdigkeit oder Unwürdigkeit einer Handlung kommt nicht in erster Linie ihrer realitären Ausprägung zu, sondern ihrer Kategorie, die kein Bestandteil der Realität ist. Wer meint, ein Wertzukommnis könnte eine direkte Auswirkung einer willentlichen Bestimmung oder Befehles Gottes  sein, müsste daher meinen, dass sich der Befehl auf die (noch) gar nicht in der Realität befindliche bloße Idee des jeweiligen Wertträgers auswirke. Der Widerspruch: Einerseits meint er angesichts seiner Annahme einer dem Befehl innewohnenden Wirkung, es sei etwas geschehen oder gebe etwas, das eine neue Realität (Wirklichkeit) herstelle, andererseits handelt es sich bei dem Gegenstand um gar nichts Wirkliches, sondern nur Ideelles, das seine Idealität gar nicht durch den Befehl verlässt. Bzw.: Die unausgeführte Handlung gehört zweifelsohne zur grenzenlosen Menge der urewigen Möglichkeiten Gottes (die potentielle Handlung würde durch die Macht Gottes, Realität werden, aber nur, wenn Er will). In diesen Möglichkeiten ist sie so, wie sie ist, und nicht anders, von Ewigkeit her enthalten.20 Wenn man nun behauptet, mit einem auf sie gerichteten Befehl Gottes würde sie direkt und an sich würdiger werden, käme dies der Behauptung gleich, Gott  würde sich der Möglichkeit berauben, die Handlung so in die Realität zu setzen, wie sie vor dem Befehl war, sowie der Behauptung, etwas von den ewigen Eigenschaften Gottes  sei veränderlich, ja begrenzbar. Und dies ist mit einem wahren Einzigkeitsglauben unvereinbar.

Wert bzw. Würdigkeit ist keine Eigenschaft des Wesens irgendeiner Sache oder Entität außer Gott; mit einer Veränderung des Wertes einer Sache ginge keine Veränderung ihres Wesens, ihrer Form oder ihres Zustands einher, und kein sonstiger Träger eines Wertes lässt sich bloß anhand seines Wertes in irgendeiner Weise beschreiben. Die Änderung des Wertes einer Sache würde nicht im geringsten Maß eine Beeinflussung der Sache darstellen. Schon das Wesen von Wert und Wertzukommnis schließt aus, dass diese eine direkte Wirkung oder das direkte Ergebnis einer solchen sein könnten.

Außer sich mit der Annahme einer derartigen intrinsisch-notwendigen Wirkung von Gottesbefehlen zu verzetteln, könnte sich jemand noch auf eine extrinsisch-kontingente Wirkung derselben berufen, nämlich die Bestimmung Gottes, dass Seinen Geboten zu gehorchen Lohn und ihnen zuwiderzuhandeln Bestrafung einbringt. Eine hierauf beruhende Begründung beinhaltet aber einen bereits in Position Nr. 1 enthaltenen Fehler, und zwar die Identifizierung nicht-identischer Begriffe miteinander (hier |Würdigkeit| und |Glücksdienlichkeit|), oder den in Position Nr. 2 enthaltenen Fehler der unabsichtlichen Aufgabe des Standpunkts durch Rückführung der Würdigkeit auf etwas außerhalb des eigentlichen Sachverhalts Liegendes, noch dazu auf eine vermeintliche Wichtigkeit der eigenen Wohlseligkeit und somit der eigenen Person statt auf Gott  und Seine Würdigkeit (im schlimmsten Fall).

Was Position Nr. 4 betrifft, so ist sie entweder bloß die Umformulierung oder Variante einer der Positionen Nr. 1 und Nr. 2 und beinhaltet hierdurch denselben Fehler, oder sie ist schon nach den Maßstäben der Vereinzigungslehre mit Nr. 1 die verwerflichste aller vier Positionen. Denn Unentschiedenheit hinsichtlich der Quelle des Wertes eines Wertträgers (hier des Prinzips der Vereinzigung) geht unvermeidlich mit der Unfähigkeit einher, ihn aufrichtig, dauerhaft und wahrhaft wertzuschätzen.

Freilich lässt sich die Unabdingbarkeit auf noch simplere Weise demonstrieren. Dazu mögen wir uns zunächst vergegenwärtigen, um welche Einzigkeit es in der Einzigkeitslehre zu allererst geht, nämlich um die Einzigkeit Gottes in der Göttlichkeit. Nun impliziert Göttlichkeit notwendigerweise nicht nur Würdigkeit, sondern auch die absolute Vollkommenheit jeder Implikation der Göttlichkeit. Im Anschluss an diese Erinnerung sei nur noch die sich gleichsam selbst beantwortende Frage gestellt: Wessen Würdigkeit ist die vollkommenere, die desjenigen, welcher der grenzenlosen Anbetung und Liebe schon vorab und ohne jegliche Aufforderung unbedingt würdig ist, oder etwa desjenigen, der dessen nicht würdig ist, bis er sie befohlen hat?

Somit ist klar, dass wer Gott  wahrhaft vereinzigen will, dies (auch) auf der Grundlage eines apriorischen ethischen Prinzips tun muss,21 und dass jede sonstige Vereinzigung vonseiten irgendeines Menschen allenfalls lediglich eine Pseudo-Vereinzigung ist.

Ethik als Gottglaubensgrund

Im Artikel „Die Urwahrheit - Evidenz und Mysterium“ lautet eine der Begründungen der ethischen Notwendigkeit des Glaubens an Gott: Mit der Weigerung, an Gott zu glauben, entzieht man gleichsam aller Ethik mitsamt allen möglichen Normen und Werten die notwendige Grundlage; man würde nichts Absolutes anerkennen, auf dessen Wesen oder Willen man die Gültigkeit von Normen zu Recht zurückführen könnte. Alles erschiene letztlich gleichgültig.

Erläuterung

Der ethisch intakt eingestellte Mensch (im Volksmund: „Mensch mit reinem Herzen“) hat ein unnachgiebiges, unverhandelbares und höchstes Interesse daran, dass möglichst keine einzige seiner Handlungen und Haltungen ethisch wertlos ist, und dass eine jede Handlung den optimalen objektiven Wert besitzt, um getan zu werden, und er besteht darauf, dass jedem subjektiven Wertzukommnis in vollkommenem Maße ein objektives entspricht. Aufgrund seiner ethischen Wohlausgerichtetheit wäre er, müsste er aus irgendeinem Grunde meinen, dass nichts einen objektiven Wert habe, schier handlungsunfähig, um nicht gar zu sagen: lebensunfähig. Für ihn ist ethischer Wert Sinn und ethische Wertlosigkeit Sinnlosigkeit, so dass ohne die Existenz objektiver Wertzukommnisse in seinen Augen alles sinnlos wäre. Darum, aber noch vorher eben wegen seiner ethischen Wohleingestelltheit (denn Wertbeimessung führt zu aufrichtigem Interesse, aufrichtiges Interesse führt naturgemäß zur Annahme der Gegebenheit des Gegenstandes desselben, solange nichts in relevanter Weise dagegen spricht)22, ist er überzeugt, dass es in der Tat vieles gibt, dem  objektiver Wert anhaftet. Früher oder später, ob kraft einer von Neigungen weitgehend unbeeinflussten, natürlichen Intuition oder im Zuge analytischer Reflexionen, werden so einige konkretere Gegenstände seiner Betrachtung als solchen objektiven Wert besitzend in seine Überzeugung einfließen.

Zugleich kann er aber erkennen, dass die von ihm als solche anerkannten Wertträger seines vortheologischen Betrachtungsraums23 ihren Wert, so objektiv er auch sein mag, immer von etwas anderem beziehen und in Wertableitungsketten stehen. Es ist eine Schlüsselerkenntnis: Für jeden der weitaus meisten Werthaber ist erkennbar, dass sein Wert einen Grund hat, der nicht in ihm selbst liegt oder besteht. Besonders leicht einzusehen ist dies bei unstrittig wertvollen Handlungen - keine einzige lässt sich aus sich selbst heraus als Pflicht oder werthaft begründen, sondern im Gegenteil sind die hinter ihr stehenden eigentlicheren Wertträger meist schnell ermittelt.  Im Zuge seiner Kontemplation stellt er darüber hinaus wiederholt fest, dass sogar der Wert vieler Werthaber, deren Wert ihm zuvor intrinsisch vorkam, gar nicht intrinsisch ist, sondern eben abgeleitet, so dass er sich selbst bei den wenigen übrigbleibenden Wertträgern, deren Wert er sich vielleicht nicht erklären kann, nicht völlig gewiss sein kann, ob ihr Wert nicht doch auf etwas anderes zurückgeht, statt unverliehen zu sein; eher muss er gemäß dem Induktionsprinzip dazu tendieren, auch ihren Wert als extrinsisch einzustufen.

Mehr noch: An einer Wertableitungskette hat das letzte Element einer hypothetischen Rückverfolgung - und nur dieses - grundsätzlich immer absoluten Wert, da ihm dieser unabhängig vom Wert jegliches Anderen zukommt. Die Absolutheit eines Wertes impliziert nun seine unendliche Größe, d.h. die Verneinung von Dependenzrelativität geht hier unmittelbar mit der Verneinung von Vergleichsrelativität einher, denn eine wertmäßige Vergleichbarkeit kann es nur bei Gegenständen mit dependenzrelativem Wert geben, zumal sich die unterschiedlichen Größen ihres Wertes ja ausschließlich daraus ergeben, dass sie in unterschiedlichem Maße und unterschiedlicher Direktheit dem Träger des absoluten Wertes dienen oder ihn repräsentieren etc., während ein Träger absoluten Wertes keinem anderen dient und nur für sich selbst steht, also auch nicht in irgendeinem unterscheidbaren Maße. Sein Wert muss also als unendlich groß gedacht werden. Unendlich großer Wert verlangt für eine aufrichtige Haltung zu seinem Träger aber die seine exklusive Zuschreibung, d.h. keinen weiteren Träger vergleichbaren Werts neben ihm anzuerkennen, da dies eine Relativierung wäre, die niemand übers Herz bringen würde, der irgendeinem Bewertungsgegenstand aufrichtig unendlich großen Wert beimisst. Wenn das als Träger noch unerklärten Werts Übriggebliebene, dessen Identität nicht diejenige Gottes ist, in zwei oder mehr Gegenständen besteht, geht der ethisch wohleingestellte Mensch also aus Vernunftgründen von der Extrinsität ihres Wertes fest aus und behält sich allenfalls vor, - wenn überhaupt - dem Wert irgendeines einzelnen von ihnen alleinig Intrinsität zuzuerkennen. Früher oder später muss er allerdings einsehen, dass es ihm ohnehin nicht möglich ist, irgendeinem von ihnen dauerhaft und ernsthaft einen absoluten Wert beizumessen, da er ihm infolge der Beimessung eines unendlich großen Werts, der apodiktisch grenzenlose Verehrung fordert, im Zuge dieser sogleich Wesenseigenschaften absprechen müsste, die er an ihm unleugbar wahrnimmt (ein Beispiel für eine solche offensichtliche Eigenschaft wäre z.B. bei dem Wertträger der Gerechtigkeit u.a. seine Unfähigkeit, für sich selbst einzutreten). Ausgerechnet die vollumfängliche Hinnahme seines Wesens und seiner Identität widerspräche seinem vermeintlichen Wert, wiewohl doch dieser gerade in seinem Wesen wurzeln sollte.

Als Synthese seiner einerseits unerlässlichen inneren ethischen Einstellung und seiner andererseits unabweisbaren Kontemplationserfahrung kommt er zu dem Schluss, dass alle objektiven Werte jeglicher Wertträger seines Betrachtungsraums, und handele es sich hierbei auch um große und populäre Grundwertträger, zwar tatsächlich objektiv, jedoch rein relativer Natur sind. Mit der Grundeinstellung eines Individuums von vollkommener ethischer Gesinnung ist es aber unvereinbar, es hierbei zu belassen, da dies der Annahme gleichkäme, dass es nichts gebe, dem wahrhafter Wert innewohnt. Folglich nimmt der das wahrhaft Gute aufrichtig wertschätzende Mensch notwendigerweise etwas seinen vortheologischen Betrachtungsraum absolut Transzendierendes an, dem der Ursprung und/oder Verleiher aller Werte in irgendeiner Weise (sei es a priori oder a posteriori) zu sein angemessen ist, und somit ebenso notwendigerweise etwas,

  1. dessen Wert unermesslich ist, da es allen denkbaren Wert in sich vereint,
  2. dessen Wert wesensbedingt bzw. intrinsisch ist (anders als der Wert alles Übrigen)
  3. das daher ein vollkommen und radikal anderes Wesen als alles andere besitzt.

Mag er sich vielleicht nicht ganz von Anfang an Gedanken darum machen, wie und ob überhaupt jenes absolut Transzendente strukturiert ist, ja nicht einmal, ob sein Wesen das einer Entität oder aber einer Idealität (z.B. eines bloßen Prinzips oder einer Eigenschaft) ist, so kommt für ihn, es sich aus mehreren Elementen zusammengesetze Menge oder eine Gruppe von Entitäten zu denken, gleichwohl auf keinen Fall in Frage, da es erstens infolge der Größe seines Wertes zu heilig ist, um über es etwas zu denken oder zu behaupten, wofür es zu denken oder zu behaupten keinerlei rationalen Anlass gibt, geschweige denn, um es gedanklich zerteilen zu dürfen, und zweitens die Annahme auch nur potentiell konfligierender finaler Wertursprünge mit seiner aufrichtigen und entschlossenen ethisch wohlverfassten Ausrichtung unvereinbar und daher unbedingt zu vermeiden ist.

Die weiteren Attribute, welche er, auch ohne den kleinsten spekulativen Beweis dafür zu verlangen, dem transzendenten Absoluten zuschreibt (z.B. Realexistenz, Lebendigkeit, Urewigkeit, Unvergänglichkeit, Allwissenheit, Wille, Allmacht), sowie diejenigen, deren Zuschreibung er sich kategorisch enthält (z.B. Bedürftigkeit, Leblosigkeit, Schwäche, Sterblichkeit), ergeben sich aus der Höchstrangigkeit jenes Höchsten, so dass sie sich unter dem Begriff der deskriptiven Göttlichkeit zusammenfassen lassen - dahinter auch nur im Geringsten zurückzubleiben, lässt unendlich großer Wert nicht zu. Er wird ihm möglichst alle und ausschließlich solche Attribute zuschreiben, die einem Träger eines solchen Wertes angemessen sind, folglich, die sein ethisches Interesse an ihm sowie seine Aufmerksamkeit ihm gegenüber begünstigen, wahren und aufrechterhalten, und er wird sich der Zuschreibung jedes Attributs auf das Strikteste enthalten, das irgendwie begünstigen könnte, dass er innerlich das Höchste auch nur im geringsten Ansatz einmal marginalisiert oder mit seinem Intellekt irgendwie ignoriert,24 oder dessen Zuschreibung den Einfluss seiner Begierden und niederen Neigungen fördert. Die größtmögliche Hoheit, die er ihm beimessen kann - Hoheit lässt sich nur als Verhältnis des Höchsten zu allem Übrigen oder auf ihm beruhend denken -, ist diejenige der absoluten und vollkommenen Herrschaft über alles, dessen Beherrschtwerden denkbar ist (einschließlich des beimessenden Individuums selbst). Vollkommene Herrschaft beruht aber nicht nur auf faktenrelevanten Sachverhalten wie unbegrenzter Macht über alle Dinge, sondern zusätzlich auf dem ethisch relevanten, objektive Rechte implizierenden Sachverhalt eines sich in seinem Bezug auf alles erstreckenden Schöpfertums. Ohne dieses müsste man zudem ohnehin im Widerspruch zum Rang des Absoluten meinen, dass es sich mit etwas anderem das Attribut der Urewigkeit teile, was zu meinen ethisch jedoch ausgeschlossen ist, da das Individuum sonst hinter dem Maximum zurückbliebe, womit es das Höchste zu würdigen imstande wäre, während das Maximum doch unersetzlich beinhaltet, Jede Zuschreibung eines Attributs der Herrlichkeit exklusiv dem Höchsten vorzubehalten. Die Absolutheit impliziert vollkommene Einzigkeit.

Das Allschöpfertum (ja sogar im erweiterten Sinne eines Schöpfer-, Erhalter-, Versorger- und Rechtleitertums) fest zur Identität des Ursprungs aller Werte hinzuzuzählen ist im Übrigen eine Unumgänglichkeit auch deswegen, weil dies zusätzlich und dennoch im Unterschied zu einem tatenlosen Wesen, das es irgendwie schon in sich tragen wird, als einziges aufgrund seiner selbst irgendetwas wahrhaft zu verdienen, das intellektuell greifbarste ist, womit sich jemand das Wertableitungsverhältnis zwischen jenem Höchsten und allem Übrigen plausibilisieren kann,25 nicht zuletzt im Angesicht der zahllosen Phänomene des umgebenden Kosmos und seiner Kontingenz, die sich als Bestärkung hinsichtlich des hier angenommenen Sachverhalts heranziehen lassen, ja sich sogar aufdrängen.

Harmloser „Zirkelschluss“

Das Argument erscheint zwar als Zirkelschluss: Wegen des Wertes gültiger Ethik hat es einen Wert, etwas anzunehmen, von dem sich ihr Wert ableitet - wovon leitet aber jemand den Wert der Ethik ab, bevor er wegen dieses Wertes etwas annimmt, von dem dieser sich ableitet? In dieser Form riskiert es die Unterstellung, von einer stillschweigenden Voraussetzung auszugehen. Doch lässt sich oben erahnen, dass hier keineswegs ein Hehl daraus gemacht wird, dass es in der Tat von einer Voraussetzung ausgeht: nämlich als Rezipienten eine ethisch intakt eingestellte Person vor sich zu haben - eine solche Person wird infolge (!) dieser Grundeinstellung  strikt darauf bestehen, dass möglichst ihre gesamte Praxis objektiven Wert besitzt bzw. um eines objektiven Wert Habenden willen geschieht. Und die obige Erläuterung hat gezeigt, dass diese strikte Forderung mit einer Weigerung, an Gott  zu glauben, langfristig unvereinbar ist.

Allenfalls die Zweckmäßigkeit des Arguments hinsichtlich seiner Überzeugungsfunktion ließe sich vor diesem Hintergrund kritisch beleuchten. Rennt es bei einem solchen Adressaten nicht offene Türen ein? Dem mag bis zu einem gewissen Grad so sein. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Mensch ein komplexes Wesen ist und die Hoffnung nicht fallen gelassen werden sollte, dass ein Argument wie dieses eine Rolle in der Beschleunigung eines ethisch erforderlichen Prozesses oder in der Stabilisierung seines Resultats spielen könnte. Zudem ist es auch geeignet, denjenigen Rezipienten zu adressieren, der im Sinne einer Selbsturteilung nur meint, er habe eine optimale ethische Grundeinstellung. In Bezug auf ihn hat es bereits seinen Zweck erfüllt, wenn es ihm auf diese besondere Weise nahelegt, dass er diese vermeintliche Einstellung bzw. den Grad seiner Aufrichtigkeit in ihr besser nochmal überprüfen sollte.

Mit einer gewissen Überstrenge könnte man einwenden, dass nun zwar gezeigt worden sei, dass die unerschütterliche Annahme der (zunächst wie auch immer definierten) Existenz eines absolut Würdigen eine notwendige Voraussetzung ist, um irgendeine Ethik auf einer rein intellektuellen Basis als gültig anzuerkennen, und eine solche Annahme unweigerlich die Erweiterung des Begriffs von jenem Absoluten zum (individualen) Gottbegriff nach sich ziehe, diese Erweiterung jedoch eher wie ein bloßer Effekt anmute, der im Unterschied zu seinem Keim für eine Anerkennung objektiv gültiger Ethik gar nicht nötig sei. Analytisch ist der Gottbegriff im rudimentären Grundbegriff des absolut Würdigen in der Tat nicht enthalten, und schon unabhängig vom Grundbegriff ist die Ableitung des Werts alles sonstigen objektiv Werthaften nicht plausibel vermittelbar. Doch folgt die Erweiterung zum Gottbegriff aus ihm nichtsdestotrotz mit einer solchen Notwendigkeit, dass das absolut Würdige für den ethisch wohleingestellten Menschen nur als mit Gott identisch denkbar ist, so dass für ihn am Konzept des absolut Würdigen bei gleichzeitiger Ablehnung auch nur einer einzigen rein ontologisch definierten wesensimmanenten Gotteseigenschaft festzuhalten sich als ebenso unmöglich darstellt wie am Konzept des durch Vier Teilbaren bei gleichzeitiger Ablehnung des Konzepts der geraden Zahl festzuhalten.

Obendrein besitzt, wie gesehen, die im Argument genannte Grundlage nicht nur eine theoretisch-analytische, sondern auch eine praktisch-wirksame Dimension: Mit der Anerkennung des Schöpfertums des Absoluten stellt der Geist die Verbindung her, die es ihm erst ermöglicht, sich die Möglichkeit eines Wertableitungsverhältnisses zwischen dem Absoluten und den Gegenständen der Ethik zu erklären. Anthropologisch bedingt ist dies eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte Anerkennung objektiv gültiger Ethik und damit auch einer authentischen und stabilen Moralität.

Zumindest aber steht unzweifelhaft fest: Wenn die Weigerung, an Gott zu glauben, analytisch-begrifflich mit der Enthaltung von der aufrichtigen Anerkennung eines objektiv Wertabsoluten nicht identisch ist, so zeigt sie entweder gleichwohl, dass eine solche Anerkennung schon vor der Weigerung nicht vorlag, oder, wenn die Weigerung nicht fallengelassen wird, läuft sie aufgrund der Unvereinbarkeit darauf hinaus, dass die Anerkennung sich schon sehr bald unaufhaltsam in Luft auflöst. Kurz: Der langfristigen Weigerung, an Gott zu glauben, geht die Nichtanerkennung jedes absoluten Ursprungs aller Werte entweder voraus, oder sie folgt ihr in Kürze.







1 Es sei beachtet, dass sich dieser Artikel beim Gebrauch des Ausdrucks der Apriorizität und seiner Varianten weitgehend nur auf bestimmte Stufen bzw. Begriffe der Apriorizität beschränkt. Von dieser gibt es immerhin verschiedene mögliche, und zwar:

Gültig/wahr/erkennbar zu sein unabhängig von („vor“) jeglicher/-m...
    ... Erfahrung (ohne jeglichen Rückgriff auf einen Erfahrungsbegriff),

    ... konkreten Erfahrung (Erfahrungsbegriffe können involviert sein),

    ... Operation des Intellekts,

    ... Bemühung des individuellen Subjekts,

    ... göttlichen Bestimmung/Willen (gleich ob legislativ oder kosmologisch),

    ... Offenbarung,

    oder: apriorische Anteile besitzend.
Es ist derweil die Bedeutung der Gültigkeit vor jeglicher willentlichen Bestimmung Gottes und vor jeder Offenbarung, auf die sich der Gebrauch des Ausdrucks im vorliegenden Artikel (anders als in anderen, allgemeineren erkenntnistheoretischen und metaethischen Texten) im Großen und Ganzen beschränkt, so dass hier nicht besonders relevant ist, inwiefern Ethik z.B. unabhängig vom Prinzip der Erfahrung ist etc. In dieser speziellen Bedeutung verstanden sei der Ausdruck auch an sonstigen Stellen in Lichtwort-Texten, in denen es um eine Gegenüberstellung oder Herstellung eines Bezugs zwischen (dem) Konzept(en) der Ethik und dem des offenbarten Gesetzes geht.
2 Zum Begriff des Würdigen siehe die Einträge §1, §3, §13, §31, §32, §38 in „Um das wahrhaft Würdige“.
3 Andernfalls müsste vielleicht gefragt werden, woher allgemein Befehlen Gottes Folge zu leisten seine Würdigkeit beziehen sollte. Weil sie: a) von Gott kommen? b) schlicht Befehle sind? c) Befehle sind und von Gott kommen? Antwort „b“ scheidet offensichtlich aus, da sonst jedem Befehl, gleich von wem oder weshalb, Folge geleistet werden müsste. Antwort „c“ postuliert die „Wirksamkeit“ der Kombination von „a“ und „b“, konstituiert jedoch einen Zirkelschluss, zumal zwischen den Begriffen der Würdigkeit und der Befohlenheit ein eindeutiger Unterschied besteht; es ist nicht einsehbar, warum eine Sache, die von Gott kommt, ihre Würdigkeit erst durch ihre Befohlenheit bekommt und nicht schon dadurch, dass sie von Gott kommt. So bleibt nur noch Antwort „a“ übrig, welche das Prinzip der befehlsunabhängigen Wertableitung stillschweigend voraussetzt.
4 Siehe hierzu in „Um das wahrhaft Würdige“: §12, §39, §40, §41
5 Falls man fragt, warum Gott überhaupt irgendeine der Formen per Befehl selektieren sollte, statt es beim Befehl der allgemeinen Handlung zu belassen und die Menschen anstreben zu lassen, ihre Angehungen über alle ihnen möglichen Formen gleich zu verteilen, so lässt sich denken, dass Gott  weiß, dass es dem allgemeinen Konzept viel gerechter wird, wenn das Individuum Gott zuliebe eine Form zugunsten der anderen unterlässt und diese andere um Seinetwillen vorzieht, auch wenn sein Verstand die betreffende konkrete Bevorzugung ansonsten nicht zu begründen imstande ist, d.h. nicht sagen kann, warum ausgerechnet die jeweilige Form befohlen wurde und keine andere. Das Individuum, das den auf seinem Intellekt beruhenden Teil seiner eigenen Würde Gott zuliebe bewusst ignoriert und übergeht, um einem Befehl Gottes Folge zu leisten, hat eher aufrichtig um Gottes willen gehandelt und die Hoheit Gottes deutlicher betont als das andere Individuum (wenn auch dieses Prinzip einen keineswegs, wie mancher vielleicht zu meinen geneigt ist, davon befreit, Imperative mit den Mitteln des Verstandes darauf zu überprüfen, ob sie überhaupt von Gott kommen oder nicht, und entsprechende Konsequenzen zu ziehen). Dies gilt insofern umso mehr, als es im Fall des Ausbleibens spezifizierender Befehle mit der Gleichverteilung nicht getan wäre, sondern das Individuum träfe die Wahl der Form, mit der es begönne, sowie die Wahl der restlichen Reihenfolge, während im Fall des Vorliegens eines spezifizierenden Befehls es diese Wahlen Gott überlässt und so auch unter diesem Aspekt dem allgemeinen Konzept in höherem Maße gerecht wird. (In einer Welt, in der nicht alle denk- und realisierbaren Formen gleich zusammenhanglos sind, sondern sich hierin auf verschiedenen Stufen befinden, sollte jener Sachverhalt andererseits nicht erwarten lassen, dass Gott alles Denkbare mit Befehlen bis hinunter ins kleinste Detail durchspezifiziert, da in einem solchen Fall der Mensch der Möglichkeit beraubt würde, seine für Gott gehegte besondere Wertschätzung dadurch zu praktizieren, dass er sich bemüht, Gott zuliebe nach der besten und schönsten Form zu suchen, mit der er Seinen Befehl umsetzen könnte, und diese Form schlussendlich zu wählen. Der Ehrwürdige Koran berichtet uns parabelhaft von Israeliten, die sich im Dialog mit dem Propheten Moses  genau dieser Möglichkeit beraubten: Nachdem Moses ihnen den Befehl Gottes mitgeteilt hatte, eine Kuh zu opfern, zögerten sie dies immer wieder mit Fragen nach den genauen Eigenschaften der Kuh hinaus, bis kaum oder nur noch eine Kuh übrig blieb, die in Frage kam.)
6 Hier ist freilich nicht die Bestimmung im uneigentlichen Sinne der bloß analytischen Bestimmung gemeint.
7 Zugrundezulegen ist hier der relevante unter den verschiedenen Begriffen der Autorität, nämlich derjenige der deontisch-instruktionellen Autorität, siehe §33 im Lichtwort-Artikel „Um das wahrhaft Würdige“.
8 Ebd. §39
9 Daher ist die Tradition der islamischen Jurisprudenz, im akademischen Sprachgebrauch die Termini des Vorgeschriebenen (maktûb, farD) und der Pflicht  (wâjib) austauschbar zu verwenden, gemessen an ihrem eigenen Zweck, nicht falsch.
10 Ebd. §44 , §45
11 Ebd. §29
12 Ebd.
13 Gleichwohl ist dies noch keine Aussage über die realitäre Existenz von irgendetwas.
14 Siehe Fußnote Nr. 1 zum speziellen Gebrauch des Terminus in diesem Artikel.
15 Siehe §106 im Lichtwort-Artikel „Um das wahrhaft Würdige“.
16 Die Gründe, die ein Verfechter des Konzeptes einer ausschließlich aposteriorischen Vereinzigungslehre in Beantwortung der Frage warum etwas, das Gott befiehlt, allein dadurch würdiger als sein Gegenteil sei, insgesamt geben kann, erschöpfen sich ausschließlich in den folgenden Betrachtbarkeiten der Elemente des Sachverhalts von Gottes (a) Befehl (b) einer befohlenen Sache (c) an einen Befehlsempfänger (d), einschließlich der im Sachverhalt und seinem Hintergrund enthaltenen Bezüge und Verhältnisse, so dass demnach von Gott Befohlenes höheren Ranges als sein Gegenteil ist entweder wegen: des Wesens bzw. wesenheitliche Attribute Gottes (a), der Natur von Befehlen im Allgemeinen (b), des Befohlenen allgemein, in seiner Eigenschaft, befohlen zu sein (c), der Natur der Befehlsempfänger / ihrer Eigenschaft, Befehlsempfänger zu sein (d), des Ausgangs des Befehls von Gott bzw. der Natur von Gottesbefehlen im Speziellen (a→b), der Bezogenheit von Befehlen im Allgemeinen auf irgendetwas (Befohlenes) (b→c), der Gerichtetheit von Befehlen an sie hörende Befehlsempfänger (b→d), des Verhältnisses, in welchem Gott und die Befehlsempfänger vorab (a→d) oder durch den Befehl (a→b→d) zueinander stehen, der inhaltlichen Bezogenheit des Befohlenen auf Gott (c→a), der Bezogenheit des Befohlenen auf Gott infolge der Rückführbarkeit des Befehls auf Ihn (c→b→a), der Bezugnahme Gottes auf das Befohlene (mittels eines Befehls) (a→b→c), der Macht Gottes, dem Befohlenen Realität zu verleihen (a→c), des Wissens der Empfänger um die Eigenschaften und Autorität Gottes bzw. ihr Glaube daran (unabhängig vom Befehl) (d→a), des Wissens des Empfängers um den Sender des Befehls und Seine Eigenschaften (d→b→a), oder, dass es im Befehl um die Herbeiführung bzw. Angehung des Befohlenen durch den Empfänger geht (b→d→c).
17 Direkt ausschließen oder beiseite stellen lassen sich „b“ isoliert, da sonst auch von beliebigen Geschöpfen Befohlenes allein durch Befohlenheit würdig wär, sodann „c“ isoliert, da es sich entweder auf „b“ reduzieren lässt (wenn seine Befohlenheit das Ausschlaggebende sein soll) oder aber die Gültigkeit einer apriorischen Ethik impliziert (wenn seine Natur das Ausschlaggebende sein soll), sodann „b→c“ und „b→d“ aus dem gleichen Grund wie „b“ isoliert. Sodann lassen sich „a→b“ und „a→b→d“ zu einem einzigen Punkt zusammenfassen, bzw. letzteres ist allein schon deswegen nicht begründungsfähig, weil ja gerade nach dem Grund gesucht wird, warum eben dieses Verhältnis begründungsfähig ist (Zirkularität). Bloße Macht zur Realisierung des Befohlenen unabhängig von dem Befehl wie in „a→c“ ist für die Fragestellung entweder irrelevant, oder das Verhältnis ist hier äquivalent zu „a→b“. Desweiteren fällt „a→b→c“ weg, da es entweder „a→b“ entspricht oder aber, wie es ja eigentlich gemeint ist, durch die Unabhängigkeit von Konzept des Befehls mit dem Standpunkt des Gesprächspartners nichts zu tun hat. Das Verhältnis „c→b→a“ kann für den Gesprächspartner nicht wichtiger sein als oder auch nur ebenso wichtig sein wie das Verhältnis „a→b→c“, zumal es sich zu ihm wie ein Schatten zu seinem Gegenstand verhält. Aufgrund der Unabhängigkeit vom Konzept des Befehls wird „d→a“ für ihn ebenfalls uninteressant sein, und selbst sein Einbezug in „d→b→a“ ändert nichts daran, dass der Schwerpunkt nicht auf ihm liegt, sondern etwas, das eher als Argument für apriorische Ethik taugt, so dass beides beiseite zu stellen ist. Derweil lässt sich das recht banale „b→d→c“ auf „b“ reduzieren. Begründungen mit „a“, „a→d“ und „c→a“ sind allesamt Begründungen auf Basis apriorischer Prinzipien und laufen dem Standpunkt des Gesprächspartners zuwider. Punkt „d“ ist äquivalent zu „b→d“, oder falls es um die Natur der Befehlsempfänger geht, irrelevant, da er dem Gesprächspartner nicht wichtiger sein kann als „a“ oder auch nur ebenso wichtig. Es verbleibt ausschließlich die Begründung mit „a→b“, mit der sich die Ausführungen im weiteren Verlauf des Haupttextes auseinandersetzen.
18 Entweder er meint, es habe einen Grund (Positionen Nr. 2-4), oder, es habe keinen Grund (Position Nr. 1). Wenn er meint, es habe einen Grund, kann er ihn entweder als erkennbar einstufen (Nr. 2 und 3), oder als unerkennbar (Nr. 4). Stuft er ihn als erkennbar ein, kann er ihn entweder im Bereich des Präskriptiven und der Werte (Nr. 2) oder im Bereich des Deskriptiven und der Fakten verorten (Nr. 3). Zur Dichotomie von Fakten und Werten siehe auch „Urteil und Erkenntnis“.
19 Zur Unterscheidung zwischen Definitionen erster und zweiter Ordnung siehe „Definitionen“, Abschnitt „Definitionen erster vs. zweiter Ordnung“.
20 Zugleich neben ihr in der Menge der Möglichkeiten Gottes enthaltene erweiterte oder reduzierte Varianten von ihr sollen damit freilich nicht ausgeschlossen werden, nur tritt eben keine von ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt oder in irgendeiner Situation ersetzend oder verdrängend an ihre Stelle.
21 Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass jeder sich mit abstraktiv-dialektischen Herleitungen beschäftigen muss; vielmehr genügt es, dass die vereinzigende Anbetung aus der aufrichtigen Anerkennung der Gott ureigenen, unendlichen Würdigkeit und Herrlichkeit heraus geschieht, sowie in der Anerkennung wurzelt, dass Er  als unser Schöpfer und Erweiser der größten Wohltaten die Ihn vereinzigende Anbetung auch unabhängig von jeder anderen Grundlage verdient.
22 Vergleiche §35 („Existenz und Ethik“) im Lichtwort-Artikel „Um das wahrhaft Würdige“.
23 In diesem Raum liegen ihm sowohl empirische Gegenstände der Introspektion und Extrospektion als auch Begriffe, Sätze usw. vor, also alles, was er im weitesten Sinne betrachten kann.
24 Somit ist es ausgeschlossen, sich den Ursprung aller Werte als bloße Idealität zu denken, zumal ein solches der Lebendigkeit entbehrte, deren Fehlen die Marginalisierung begünstigen würde.
25 Der Nutzen ergibt sich nicht unbedingt daraus, dass sich das Individuum apriorische Werte dadurch als direkt anerschaffen denken kann, sondern z.B. lässt sich, wo die (nicht utilitär definierte) Wichtigkeit des Schutzes der Natur und der Barmherzigkeit mit Lebewesen überhaupt herkommen soll, eher einsehen, wenn man sich Lebewesen und Natur als Eigentum des Inhabers grenzenloser Würdigkeit denkt. Als Grundlage wahren Eigentums lässt sich derweil (schon allgemein, hier aber besonders) nur ein Schöpfer-Geschöpf-Verhältnis denken. Darüber hinaus würde, da man sich dann zugleich auch selbst als Geschöpf des Absoluten denkt, der Wert jeder ethisch wertvollen Handlung durch das Prinzip der Dankbarkeit untermauert werden.