Nachdem Jahrzehnte lang an Halluzinationen grenzende Präsentationen vermeintlicher Koranwunder Hochkonjunktur hatten, sind manche mittlerweile in das gegenteilige Extrem verfallen und meinen dem Koran einen Dienst zu erweisen, indem sie eine der faszinierendsten und wichtigsten Arten seiner Unnachahmlichkeit in Abrede stellen. Zeit für eine ausgewogene Position.
In einem Ramadan vor etwa vier Jahren machte mich eine sehr geschätzte Leserin auf einen Artikel aufmerksam, der ungeachtet seiner Kürze und recht spärlichen Ausführungen bereits im Titel einen ziemlich gewagten Anspruch erhebt: Deconstructing the 'Scientific Miracles in the Quran' Argument
.1 Seine auf jegliche Differenzierung verzichtende Behauptung ist damit auch schon im Großen und Ganzen umrissen, d.h. er streitet den Wert der Demonstration der Wahrheit der Religion Gottes mittels der Präsentation außergewöhnlicher Harmonien des Ehrwürdigen Koran mit moderner Wissenschaft und darin enthaltener Bezugnahmen auf in der Spätantike noch nicht allgemein wissbarer Fakten, ab, und versucht, dies zu begründen.
Als Autor zeichnete ein gewisser „Ali Talib“ verantwortlich, der sich seltsamerweise mittlerweile in „Anas Malik“ umbenannt zu haben scheint.2 Die geschätzte Leserin erhoffte sich von mir einen Kommentar zu dem Artikel, wohl im Hinblick auf die Tatsache, dass Lichtwort auf neuzeitlicher Wissenschaft beruhenden Indikatoren für die übermenschliche Herkunft des Ehrwürdigen Koran einigen Platz einräumt. Nicht nur aus Zeitgründen, sondern auch in Sorge um die Reinheit des Fastengottesdienstes, zumal die Verlockung groß war, sich angesichts der Kombination aus Vollmundigkeit und der Kopfschütteln erregenden Mängel des Artikels zu Spitzen hinreißen zu lassen, die in der Zeit des Fastens nichts zu suchen haben, beließ ich es dabei, eine eingehende Kommentierung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. In der Zwischenzeit kontaktierte mich ein weiterer Leser mit dem gleichen Anliegen, und auch sonst scheint der Artikel schon einige Reichweite erlangt zu haben.
Vielleicht waren es die in meinen Augen nicht besonders ernstzunehmenden Argumente des Artikels und der eklatante Mangel an für sein Wagnis nötiger Kompetenz seines Autors,3 die den Text nicht der übermäßigen Beachtung würdig erschienen ließen, weshalb ich die Kommentierung auch nach dem Fastenmonat weiterhin vor mir her schob, vielleicht meine Arbeit an zeitintensiven anderen Projekten, oder alles zusammen - doch getreu dem Motto „Lieber spät als nie“, möchte ich sie hier nachliefern. Da der besagte Artikel an sich nun wirklich nicht viel hergibt und das Thema letztlich doch sehr wichtig ist, ziehe ich die ähnlich gelagerte, weit umfangreichere und ambitioniertere Arbeit von Hamza Andreas Tzortzis „Does the Qur'an contain Scientific Miracles?“ als Grundlage der Beantwortung der um das Thema aufgekommenen oder möglicherweise noch aufkommenden Fragestellungen hinzu. Auf diesen nimmt Talib/Malik auch Bezug und verlinkt ihn im Verlauf seiner Ausführungen. Es steht zu vermuten, dass er erst durch diesen ermuntert wurde, seinen unvorsichtigen Artikel zu dem Thema zu verfassen, obgleich er nichts Wesentliches zum Thema hinzufügt.
Hamza Andreas Tzortzis - möge Gott ihn stärken - bemüht sich derweil wenigstens im Ansatz insofern um Ausgewogenheit, als er ausdrücklich nicht abstreitet, dass im Ehrwürdigen Koran „bemerkenswerte“ Aussagen in Bezug auf Naturphänomene existieren. Trotz eines gewissen (psychologisch leicht erklärbaren4) Burnouts gegenüber der eigentlich weit über den naturphänomenalen Bezug hinausgehenden epistemischen Unnachahmlichkeit der koranischen Offenbarung ist einem Teil der Stoßrichtung seines Artikels sogar nachdrücklich zuzustimmen und Richtigkeit zu bescheinigen. In Vorträgen warnte ich selbst ja schon vor bald 15 Jahren oder mehr vor einer gefährlichen Entwicklung, denen Muslime wie die obigen anscheinend zum Opfer gefallen sind, und die mit der Beflügeltheit ob des spektakulären Charakters echter koranischer Vorwegnahmen wissenschaftlicher Erkenntnisse nur teilweise zu erklären ist: Der damals um sich greifende und noch bis vor Kurzem anhaltende Trend, Ausführungen zu insbesondere naturwissenschaftlichen Erstaunlichkeiten des Koran hemmungslos und undifferenziert mit Voreiligkeiten, Übertreibungen und Fehlinterpretationen zur Produktion immer neuer „Wunder“ vollzustopfen, welche jeden mit Verstand die nachhaltige Erschütterung des Vertrauens in diese Dimension der koranischen Unnachahmlichkeit hätte befürchten lassen müssen.
Die Darstellung von Sure 55:33 als Vorhersage der Mondlandung, oder die Deutung von Sure 55:37 wegen der darin vorkommenden Wörter samâ° („Himmel“) und wardah (u.a. „Rose“) anhand eines Fotos vom rosenartig erscheinenden, über 3200 Lichtjahre entfernten Katzenaugennebel, obwohl eine einfache Lektüre der betreffenden Verse zeigt, dass sie mit diesen Deutungen nicht vereinbar sind, sind nur zwei von unzähligen Beispielen, die bis zum heutigen Tag partout nicht aussterben wollen. Noch gefährlicher sind als „Wunder“ bezeichnete Aussagen, die durchaus mit der wissenschaftlich gesicherten Tatsache vereinbar sind, aber a) viele andere Deutungsmöglichkeiten gleichrangig daneben stehen oder andere Deutungsmöglichkeiten aus gutem Grund näher liegen, oder b) die Erkenntnis des betreffenden Faktums schon im Altertum einfach zu erlangen war oder die Idee dazu nahelag, oder c) es sich bei der vermeintlichen Tatsache um nicht viel mehr als eine wissenschaftliche Hypothese handelt. - „Wunder“ wird auf diese Weise zu einer beliebigen, nichtssagenden Bezeichnung, sowie zu einer Relativierung all jener Zeichen Gottes, die wirklich das sind, was man ursprünglich als „Wunder“ bezeichnete. Nach theologischen Maßstäben könnte solches noch schwerwiegender sein als die Bezeichnung jeder noch so geringfügigen Unannehmlichkeit als „Holocaust“, in völliger Ignoranz, welche Relativierung des ursprünglich damit bezeichneten Jahrtausendverbrechens das bedeutet.
Ihren vorläufigen traurigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in jüngerer Zeit in der unsäglichen, aufwendig produzierten Serie „There is no Clash“, in welcher eine (wohl teuer bezahlte) britische Moderatorin in ultramodern gestalteten und animierten CGI-Kulissen eingebettet am laufenden Band so hanebüchene angebliche Korrespondenzen zwischen Koran und moderner Wissenschaft präsentiert, dass mancher bereits den Verdacht hegte, die Serie sei von böswilligen Feinden der koranischen Botschaft in der Absicht lanciert worden, die Juwelen des Koran unter einem Haufen gläsernem Plunder zu begraben, um so die Wirksamkeit des in der Vergangenheit erfolgreichen, darauf fußenden Arguments des Aufrufs zur Religion Gottes zu annullieren. Wahrscheinlich aber ist derartiges einfach, wie so oft, auf einen Mangel an Gläubigkeit (îmân) zurückzuführen, denn in der Regel wurzelt nur darin ein Mangel an gottesbewusster Behutsamkeit (taqwâ), und nur hierin eine mangelnde intellektuelle Bereitschaft zu Differenzierung und Unterscheidung (ħikmah) bzw. zur Trennung von Spreu und Weizen, sowie die meiste mangelnde Sorgfalt (iħsân). Solche Einstellungsmängel bieten in der Folge reichlich Platz für Motive, die dem Feld des Aufrufs zum Wege Gottes ursprünglich völlig fremd sind: Erhöhung der persönlichen Popularität (Klickzahlen), Erpichtheit auf Trophäen (in Form von „Konvertiten“), Wunsch der Demonstration eigener oder der Überlegenheit der eigenen Kultur, Behandlung von Minderwertigkeitskomplexen etc., Geltungs- und andere soziale Bedürfnisse.5
Ebenfalls zu teilen ist die implizite, in dem Aufsatz und anderweitig zu findende Kritik an einer unkontrolliert wirkenden Terminologie, insbesondere die übermäßige Bemühung der Bezeichnung als „Wunder“, die für die Gesamtheit der epistemischen Erstaunlichkeiten des Koran inhaltlich sicherlich zutrifft, jedoch 1.) ein unseriöser Stil ist und heutzutage nichts damit wörtlich Bezeichnetes ernstgenommen wird (verständlicherweise), 2.) schon vom Ehrwürdigen Koran und vom Propheten nicht benutzt wird, und 3.) aus hermeneutischen und statistischen Gründen eine einzelne antizipative Aussage alleine die übermenschliche epistemische Unnachahmlichkeit des Koran meist nur mitkonstituieren, jedoch nicht isoliert von anderen Stellen des Koran voll demonstrieren kann.
Nun zeigt sich jedoch, dass der prominente Redner und Philosoph allen guten Absichten und seinem Respekt, den er den „bemerkenswerten“ Aussagen des Koran zollt, zum Trotz, das Kind letztlich doch gehörig mit dem Bade ausschüttet, so sehr, dass er im Zuge seiner Anstrebung eines eigenen, alternativen Ansatzes alles Erdenkliche aufbieten zu wollen scheint, um dem Konzept der epistemischen Unnachahmlichkeit des Koran (zumindest in ihrer naturphänomenalen Komponente) ein Ende zu bereiten und die anderen Aufrufer davon abzubringen, in ihrer Aktivität auf das Konzept zurückzugreifen.
Auf seine und ähnlich ausgerichtete Argumente wird im Folgenden eingegangen - derweil möge meine Antwort auf den Artikel von Ali Talib alias Anas Malik im Fußnotenbereich nachgelesen werden.6
Tzortzis' Ausführungen sind überwiegend im Grunde nichts Neues. Abgesehen von den Jahre vor diesen zu beobachtenden argumentativen Abwehrversuchen vonseiten atheistischer und christlicher Akteure mit ihren offensichtlichen Motiven gab und gibt es auch einige andere Muslime, die sich gegen die Berufung auf eine naturphänomenal-epistemische Dimension der koranischen Unnachahmlichkeit aussprachen bzw. eine gewisse Skepsis gegen eine solche Berufung äußerten. Aus diesem Grunde werden sowohl Einwände aus seinem Artikel teils paraphrasiert als auch eventuelle weitere Fragen im Folgenden aufgeführt und beantwortet.
Das Verständnis, das wir von einem Koranvers haben, entspricht doch nie mit hundertprozentiger Genauigkeit und Sicherheit der intendierten Bedeutung, und oftmals gibt es mehr als eine Deutungsmöglichkeit.
Das ist eine Trivialität, die sich nicht zur grundsätzlichen Verwerfung des Konzepts ins Feld führen lässt, denn 1.) es gilt - wie in anderen Bereichen auch - das Prinzip der hinreichenden Sicherheit, und 2.) Deutungsmöglichkeiten sind selten gleichrangig.
Sicherlich gibt es koranische Aussagen, deren Spezifizierbarkeit nicht ausreicht, oder die für den vermeintlichen Gegenstand zu vage formuliert sind. Dazu gehört beispielsweise im Zusammenhang mit den Himmeln und der Erde die Bezugnahme auf das, was zwischen ihnen ist
, welches mancher leider exklusiv als interstellare Materie deutet. (Für eine wissenschaftliche Besonderheit müssten hier ungerechtfertigterweise z.B. Engel, Wolken. Himmelskörper oder Vegetation ausgeschlossen werden.) Ein weiteres Beispiel ist die Deutung der sprachlichen Unterscheidung des Korans zwischen der „strahlenden Helligkeit“ (Diyâ°) der Sonne und dem „Licht“ (nûr) des Mondes exklusiv als dadurch bedingt, dass das Licht der Sonne ihr eigenes, unreflektiertes, das des Mondes aber nur reflektiertes Licht sei. (Das Wort nûr ist nicht auf reflektiertes Licht einschränkbar, die sprachliche Unterscheidung ist mindestens genauso gut mit dem Unterschied der Lichtstärke und den damit einhergehenden unterschiedlichen Implikationen erklärbar.)
Wenn Gott über den Koran selbst aber sagt: Zeigen werden Wir ihnen Unsere Zeichen an den Horizonten und an ihnen selbst, bis ihnen deutlich wird, dass er die Wahrheit ist. Genügt es nicht an deinem Herrn, dass Er über alle Dinge Zeuge ist?
(Sure 41:53), dann können wir von vorneherein schon auf koranischer Grundlage darauf vertrauen, dass er genügend Aussagen bereithält, die in ausreichendem Maß sicher deutbar und spezifizierbar sind, und die in einer Weise mit externen Fakten bestätigt werden, die seinen überweltlichen Ursprung unabweisbar nahelegt.7 Und dies erweist sich in der reiflichen Analyse auch als der Fall. Dabei ist es gleich, ob die externen Fakten, die der Koran hier meint, naturwissenschaftlicher oder anderer Art sind, ausschlaggebend ist ihr empirischer Charakter.
Jedenfalls ist hinreichende Sicherheit im Textverständnis durchaus erreichbar: Eine Vielfalt an Bedeutungsmöglichkeiten lässt sich oft genug auf kontextueller und linguistischer, sowie auf der Grundlage der koranspezifischen Rhetorik und Terminologie eingrenzen, sowie auch gezeigt werden, was schon a priori primäre und was sekundäre lexikalische Bedeutungen eines Ausdrucks sind. (Lexikalische Bedeutungsvielfalt ist ja nun wirklich mehr oder weniger der Standardfall - wenn sie das Hauptproblem wäre, könnte man sich auf Arabisch kaum verständigen, und womöglich auch in kaum einer anderen Sprache.) Wenn zudem die plausible (im besten Fall wörtliche) Deutung einer koranischen Aussage im Lichte moderner Erkenntnisse eindeutig einen Grad an Verständlichkeit erzeugt, welcher die ganze Zeit seit seiner erstmaligen Offenbarung abwesend war bzw. eine eindeutige exegetische Lücke harmonisch schließt, nachdem ausschließlich in jeder Hinsicht (Aufrichtigkeit vorausgesetzt: auch schon aus früherer Perspektive) Abwegiges oder gar nichts für ihre Schließung vorgeschlagen werden konnte, steht fest, dass die Aussage mindestens eine hochwahrscheinliche Komponente der epistemischen Unnachahmlichkeit des Koran ist - ein Indikator.8 Wenn eine derartige einzelne Hochwahrscheinlichkeit vielleicht nicht jeden zufrieden stellt, so mag das durchaus nachvollziehbar sein. Doch je mehr unterschiedliche Aussagen mit dieser Eigenschaft uns im Koran begegnen, desto größer ist die Unwahrscheinlichkeit eines Zufalls (wenn sie nicht aufgrund der Komplexität der jeweiligen einzelnen Aussage bereits zu groß ist), bis im Angesicht der Gesamtmenge dieser Aussagen im Geist des gerechten (!) Individuums Gewissheit erreicht ist.
Mit anderen Worten: Tzortzis' Ansicht kann nicht zugestimmt werden, wo er undifferenziert schreibt: If other meanings are available then it would be more rational to take the unscientific or crude meanings over the meanings that imply miraculousness.
. Denn „krude“ Deutungen, falls solche gemeint sind, die in jedem Fall weit hergeholt sind und schlecht passen, grundsätzlich vozuziehen, nur weil die u.U. wörtliche Deutung Mirakulösität implizieren würde, ist nicht muslimisch-rational, sondern areligiös-irrational. Richtig ist allerdings, dass bei Vorhandensein einer exegetisch gleichwertigen Deutungsmöglichkeit, die keine Mirakulösität impliziert, strikt davon Abstand gehalten werden muss, die betreffende Koranstelle als epistemisches Wunder oder auch nur als an einem solchen beteiligt zu bezeichnen.
Ohne ein wichtiges Prinzip der menschlichen Ratio würden wir wahrscheinlich schon im Alltag kaum eine Rede voll verstehen, nämlich dem von Tzortzis selbst hochgehaltenen Prinzip der inference to the best explanation. Es ist nicht einzusehen, warum er sich die Anwendung dieses Prinzips bei dem von ihm als Alternativkonzept ins Feld geführten Argument der linguistischen Unnachahmlichkeit ausgiebig erlaubt,9 aber anscheinend nicht auf die Idee kommt, seine Relevanz für das Argument der epistemischen Unnachahmlichkeit auszuleuchten.
Derweil zeugte es von notorischer Halsstarrigkeit, als Bedingung der Anerkennung einer außergewöhnlichen Harmonie auf ausnahmslose rhetorische Direktheit und Beschreibungen im Duktus eines akademischen Lehrbuchs samt seiner Detailtiefe und terminologische Ausdifferenzierung seines Vokabulars zu bestehen und diese vom Ehrwürdigen Koran zu einzufordern. Dies sollte sich von selbst verstehen, insbesondere angesichts:
Hinzu kommt, dass von einer von Weisheit geprägten Schrift Gottes viel mehr zu erwarten ist, den durchschnittlichen, und erst recht den damaligen Adressaten nicht unnötig oder übermäßig vom eigentlichen und existentiellen Thema abzulenken und ihn mit der ohnehin mit den Idealen der damaligen und der meisten heutigen Gesellschaften kollidierenden Offenbarung zusätzlich zu irritieren. Aus diesem Grunde sind die meisten belastbaren Indikatoren der diskutierten Art trotz der Beweiskraft ihrer Gesamtheit einzeln betrachtet als Spuren des überweltlichen Ursprungs des verkündeten Sendschreibens anzusehen, wobei der koranische Drahtseilakt zwischen kontraproduktiver Auffälligkeit und wirkungsloser Unauffälligkeit wohl einen eigenen Beitrag zur Unnachahmlichkeit des Koran leistet...
Der Koran erfordert hundertprozentige Gewissheit, und eine solche lässt sich mittels der empirischen Wissenschaft mit ihrem bekanntlich probabilistischen Charakter nicht erzielen. Denn sie beruht auf Induktion.
Voreiligkeiten, wie grundsätzlich jede der „besonderen“ Koranstellen
direkt als Wunder oder Beweis auszuzeichnen, oder jede von ihnen apodiktisch und explizit
als Vorwegnahmen wissenschaftlicher Lehren auszuweisen, die über den
Status guter Hypothesen nicht weit hinausgegangen sind, sind in der Tat
zu vermeiden.10
Als Grundlage für die Anmahnung von Behutsamkeit in der Präsentation koranischer Textstellen, die außergewöhnliche Harmonien mit moderner Wissenschaft oder dem Nahekommendes aufweisen, ist dieser Hinweis auf den probabilistischen Charakter der empirischen Wissenschaften daher zweifellos angebracht und notwendig, solange der Beweischarakter der Gesamtheit jener Stellen nicht in Abrede gestellt oder unterschlagen wird.
Ansonsten bzw. andernfalls ist der obige Einwand ungültig, denn er ignoriert oder verkennt:
Durch die fehlende Unterscheidung zwischen absoluter und relativer, kriterienbasiert hinreichender Gewissheit wird der irreführende und letztlich geradezu infame Eindruck erzeugt, Naturwissenschaft sei von geringem Nutzwert und weitgehend ignorierbar. Ein bemerkenswertes Indiz dafür, dass dies Teil einer recht armseligen Strategie ist, sich einen Notausgang im Falle eines Konflikts zwischen etabliertem empirischen Wissen und Lehren des Ehrwürdigen Koran offenzuhalten, ist im diskutierten Artikel die Rede von „Versöhnung“ (reconciliation), welche, so man ein Gefühl für thematische Disharmonien hat, in einer Abhandlung mit der problematisierten Hauptstoßrichtung nichts zu suchen hat. Ein weiteres Indiz ist das wie eine aus dem Rahmen gefallene, strohmannartige Unterstellung anmutende Science is not the only way to render truths about the world and reality
, das wir an späterer Stelle diskutieren wollen.
Die sich hier Manchem sicher aufdrängende Frage, ab welchem Wahrscheinlichkeitsgrad denn etwas als wahr akzeptiert zu werden hat und für hinreichende Gewissheit sorgt (oder sorgen sollte), ist nun damit beantwortet, dass jene kritische Grenze individuell verschieden ist und sich danach bestimmt, welche Mindestwahrscheinlichkeit das Individuum gewöhnlich fordert, um für einen persönlichen Vorteil einen Aufwand zu leisten.
Andererseits stellt
sich die Frage für den vorliegenden Zusammenhang bei genauerer Überlegung und in der Gesamtschau gar nicht,
denn das, worum es hier geht, ist eine Botschaft, die aufgrund der
Identität ihres Gegenstands mit urethischen Prinzipien auch ohne das
kleinste spekulative Indiz akzeptiert zu werden verdient hat und
von jedem Inhaber eines unversehrten Herzens schon beim allerersten
Vernehmen anerkannt wird:
Man beachte, dass es im Wortlaut dieses Verses weder heißt „zum Glauben an Dich“ noch „da glaubten wir an Dich“, sondern der Glaubensgegenstand unspezifiziert bleibt. Zwar wird das Glauben an Gott in der Bedeutung enthalten sein, doch die Stellen sind so formuliert, dass sie für andere Glaubensgegenstände offen sind, von denen der Rufer in seinem Botentum und seine Gesamtbotschaft die nächstliegenden sind.18 Dieser ist nicht zufällig anonym und grammatisch unbestimmt gehalten. Denn welche Person auch immer, ihr Leben dem Ruf zum Glauben an den Höchsten und Seine absolute Herrschaft und Einzigkeit verschreibt, hierfür alle Mühsal und Feindseligkeit der Menschen auf sich zu nehmen bereit ist (was ja angesichts seines Hauptimperativs zu erwarten ist) und sich unermüdlich gegen alle Arten des Götzendienstes und alle sonstige Ungerechtigkeit und Falschheit stellt, ohne für sich das geringste von der Herrschaft oder einen Anteil am Rang des Höchsten oder Seinen Attributen zu beanspruchen, erweist sich hierdurch als glaubwürdig, d.h. niemand, der Gott aufrichtig liebt und verehrt und von dieser Liebe und Dankbarkeit erfüllt ist, wird sich dem Glauben an diesen Boten und seine Botschaft mutwillig entziehen.
Die Botschaft ist nun mal ein überweltlicher Olivenbaum, der weder zum Osten noch zum Westen gehört, dessen Öl fast zu leuchten beginnt, ohne dass es von Feuer berührt worden ist. Licht über Licht! (Sure 24:35). So, wie dieses besondere Öl dieses besonderen Baums schon bei der geringsten Hitze aufzuleuchten beginnt, genügt also spätestens schon die geringste überwiegende Wahrscheinlichkeit, um im unversehrten und in einer intakten natürlichen Beschaffenheit eingebetteten Herzen das Glauben an die Botschaft des Ehrwürdigen Koran zu aktivieren.
Angesichts dessen nur noch von psychologischem Belang wäre zu guter Letzt die Frage, woher ein Mensch zur Herstellung vollkommener Sicherheit das letzte Prozentchen nehmen soll, wenn ein Beweis aufgrund des Induktionsprinzips „nur“ 99-prozentige Wahrscheinlichkeit garantiert. Die Antwort darauf jedenfalls lautet, dass eine rational wohldisziplinierte Psyche verbleibende Prozente abhängig vom Gewicht der angestrebten Werte bzw. von der Größe des andererseits zu befürchtenden Schadens vergrößert oder eliminiert. Sie wird sich für eine extrem lebensnotwendige Herzoperation entscheiden und an ihr Gelingen glauben, auch wenn das Risiko, an derselben Operation zu sterben, womöglich 15 Prozent beträgt. Demgegenüber zeugte es von großer Dummheit, sich einer nebensächlichen Kosmetik-OP zu unterziehen, bei welcher es ein signifikantes Todesrisiko gibt, auch wenn dieses nur ein oder zwei Prozent beträgt. Dieses Prinzip ist auf das Verhältnis des Individuums zu einer Botschaft zu übertragen, die sich als direktes Wort Gottes präsentiert und für den Fall ihrer mutwilligen Ignorierung gewaltige, endlose Pein ankündigt, und deren Befolgung in der Gesamtheit die Zufriedenheit im irdischen Dasein eher vergrößert als verringert.
Darum ist dem im folgenden Koranvers enthaltenen Argument volle Gültigkeit zu bescheinigen:
Übrigens
ist es ganz sicher kein Zufall, dass diesen Worten unmittelbar derjenige
Vers folgt, der das Erscheinen der Zeichen an den Horizonten und in den
Menschen selbst als Bestätigung des Ehrwürdigen Koran ankündigt...
Wissenschaftliche Ergebnisse sind immer nur vorläufig, und
der Stand der Forschung ändert sich ständig. Ist der Koran widerlegt,
wenn eine zunächst ihn bestätigende Aussage der Wissenschaft durch neuere, anderslautende Forschungsergebnisse revidiert und ersetzt wird?
Anders als hier suggeriert wird, besteht die so sehr
betonte Dynamik der empirischen Wissenschaften nicht in bloßer
ständiger Aufhebung und Annullierung, sondern in einem Wachstumsprozess:
Sie produziert Wissen in Form eines wachsenden festen Kerns, auch wenn
dieser von einer dicken, fluiden Schicht umgeben sein und sich zwischen den
beiden Schichten die Übergangsschicht der Feinjustierungen befinden mag,
die an manchen Stellen vorübergehend fast fest, an anderen wiederum
vorübergehend flüssig ist. Jenseits von Feinjustierungen (oder eines zivilisatorischen Verfalls)
ist beispielsweise schlicht nicht zu erwarten, dass neuzeitliche
wissenschaftliche Fakten wie die Existenz des Blutkreislaufs, der
Gestalt des Sonnensystems samt den Größenverhältnissen seiner Planeten
oder das grundsätzliche Bild von der Embryonalentwicklung noch
nennenswerte Revisionen erfahren werden.
Trotz des eher rein rhetorischen Charakters der Frage sei durchaus betont: Ist eine gewisse Reihe von Bedingungen vollständig erfüllt, verringert sich bei einem Text, der objektiv einen solchen Widerspruch zur Wissenschaft beinhaltet, die Wahrscheinlichkeit, dass er in seinem kompletten Umfang eine Offenbarung der allwissenden, allweisen, erbarmungsvollen Gottheit und Schöpferentität ist, erheblich. Die evtl. hieraus resultierende Unwahrscheinlichkeit kann sich analog zur oben besprochenen Wahrscheinlichkeit bis zur (negativen) Gewissheit akkumulieren. Zu jenen Bedingungen gehören:
Freilich sind diese Bedingungen mehr oder weniger bloß theoretischer Natur und lediglich für den Diskurs relevant. Als praktische Bedingungen, die hingegen für die persönliche Entscheidung des Individuums relevant sind, kämen noch seine hermeneutische Kompetenz, sein Zugriff auf hochqualitative wissenschaftliche Fachliteratur, seine Fähigkeit zum Verständnis der darin verwendeten Sprache, seine Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen fachwissenschaftlichen, populärwissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Quellen und ein gewisser Bildungsgrad hinzu. Das rechtgeleitete Individuum wird im Bewusstsein um die oben angesprochene, auf ihrer Kernlehre beruhende Würdigkeit der koranischen Offenbarung und ihre ethische Alternativlosigkeit sowie im Angesicht der Grundevidenz im Falle eines scheinbaren Konflikts eher sich selbst, die eigenen Kompetenzen und den eigenen Informationsstand unter Verdacht stellen und duldsam und zuversichtlich der Auflösung des Konflikts entgegensehen (oder noch besser: entgegenforschen).
Definiert sich die in dem Einwand enthaltene Frage durch die obengenannten Bedingungen, erscheint sie als Suggestivfrage, die weder mit Ja noch mit Nein beantwortet zu werden geeignet ist, zumal die schiere Möglichkeit einer wissenschaftlichen Revidierung, von der sie ausgeht, für den gottergebenen Kenner von Koran und Wissenschaft vollkommen ausgeschlossen ist. Immerhin würde dann eine sichere oder quasi-sichere wissenschaftliche Lehre, die vom Sendschreiben Gottes bestätigt worden wäre, von einer noch besser fundierten Aussage negiert und ersetzt werden. (Hierzu an späterer Stelle mehr.)
Von ausgesprochener Schwäche ist jedenfalls das von Tzortzis eingebrachte Beispiel: To
explain this point clearly, take into consideration, Muslims living in
the 19th century. The science and academia of the time were asserting
that the universe is static and without a beginning, known as the steady
state theory. Since the Qur’ān argues that the universe had a
beginning, does that mean the Qur’ān must have been rejected by Muslims
living in the 19th century?
Abgesehen davon, dass der Terminus der Steady-State-Theorie erst dem 20. Jahrhundert angehört und etwas leicht davon Verschiedenes bezeichnet, übersieht der Autor hier:
Hier
wie auch an anderen Stellen zeigt sich, dass die Ablehnung des Konzepts
und seine übertriebene Anwendung auf gemeinsamen Schwächen beruht. Hier
ist es die mangelnde Bereitschaft, die Stabilität des Forschungsstandes
zu prüfen und zwischen höchstwahrscheinlich irreversiblen Erkenntnissen
und auf dünner oder gar auf überhaupt keiner Datenlage beruhenden
Thesen zu unterscheiden. Zur Vermeidung dieses Mangels gehört freilich
einiges, beispielsweise die Differenzierung zwischen Einzelstudien und
Metastudien, oder diejenige zwischen der privaten Meinung von
Naturwissenschaftlern und objektiven Fakten, etc. (Auch allgemein hätte
der Artikel, der den Anspruch hegt, nuanced
zu sein, ein deutlich höheres Maß an Differenzierungen enthalten müssen.) Ausgerechnet der Schlüsselbegriff science
bleibt bei Tzortzis ein diffuses Gewölk, das alles mögliche beinhalten
kann, von Lehrbuchwissen und mit heißer Nadel gestrickten Studien über
Interpretationen und allgemeine Meinungen bis hin zu aktuellen,
modischen Hypothesen.
What about the ancient civilisations and their accurate predictions of scientific phenomena before they were verified by modern science? Does that make the ancient civilisations Divinely inspired?
Durchaus gab es in früheren Hochkulturen mancherlei bemerkenswerte Ideen und Naturkenntnisse und die Anwendung von Methoden, nicht direkt beobachtbare Fakten über die Natur zu erschließen (z.B. bei den Alten Griechen die sphäroide Form des Erdplaneten). Auch gab es Hypothesen, die erst mit modernen Mitteln verifiziert werden konnten (z.B. Aspekte der Atomlehre Demokrits). Dies tut der Gültigkeit des Arguments der epistemischen Unnachahmlichkeit des Korans keinen Abbruch, denn:
War das außergewöhnliche Wissen des Koran nicht in Wirklichkeit doch im siebten Jahrhundert bekannt oder zumindest in Form von mythischen Ideen schon zuvor angedacht gewesen?
Die Beispiele, die Tzortzis hierfür nennt, sind 1.) der extraterrestrische Ursprung des Eisens, von dem schon die Alten Ägypter gewusst haben sollen, 2.) Gebirgswurzeln und 3.) die Vergangenheit des Universums als hochdichte Energie- und Materiekonzentration, die im weiteren Verlauf „auseinandergerissen“ wurde.
Der Versuch, die Gültigkeit des Einwands zu belegen, schlägt bei allen drei Beispielen fehl:
Der einzige Anhaltspunkt hier ist, dass die Ägypter Eisen „Himmelseisen“ genannt haben sollen. Es fehlt jegliche verlässliche Information darüber, was sie zu dieser Benennung bewogen haben könnte, geschweige denn eine konkrete altägyptische Aussage, dass Eisen, welches ja gewöhnlich dem Erdinneren entnommen wird, grundsätzlich „von oben“ gekommen sei, während der Ehrwürdige Koran hier recht deutlich ist (siehe: Indikatoren: Herkunft von Eisen).
Unser heutiges Wissen über die altägyptische Zivilisation schließt es jedenfalls praktisch aus, dass ihr die kosmischen Zusammenhänge um den Eisenursprung klar waren.
Mehr Details zu diesem Thema: Die Herkunft von Eisen im Koran (Ergänzung).
Hierzu wird behauptet, dass in der Bibel Verse stünden, in welchen sich das Konzept der Gebirgswurzel widerspiegele. Bei einer Überprüfung lassen sich die am ehesten geeigneten Bibelstellen jedoch nicht einmal als Zufallstreffer einstufen, wie sie bei einer
nahezu als Bibliothek zu bezeichnenden Schriftensammlung wie der Bibel
mit seinem Material, welches den Textumfang des Koran um ein Vielfaches übersteigt, eher zu erwarten wären als bei ihm. Damit setzt sich im Artikel Plattentektonik und Isostasie der Abschnitt „Ungeeignete Relativierungsversuche“ auseinander.
Hier meint mancher, babylonische und andere Mythen sehr alter, untergegangener Kulturen, denen zufolge Himmel und Erde auseinandergeschnitten u.ä. wurden, habe dem Koran das Material für seine Aussage geliefert, dass das Universum eine aufs engste zusammenhängende Masse war, die daraufhin auseinandergerissen worden sei. Dem Proponenten dieser These entgehen dabei mehrere Dinge:
Es dürfte nun klar sein, dass die Annahme einer Relevanz des Vorkommens der Idee bei alten mesopotamischen Kulturen für die koranische Aussage extrem abwegig ist. Die Feststellung dieser enormen Unwahrscheinlichkeit genügt: Wie auch z.B. vor Gericht sind Wahrscheinlichkeitserwägungen relevant, wenn sich die Unwahrscheinlichkeit der naturalistischen Erklärbarkeit eines Indikators wie dieses zu der Unwahrscheinlichkeit derjenigen weiterer Indikatoren hinzugesellt und diese sich in ausschlaggebendem Maße miteinander addieren. Darum ist zwar Tzortzis dem Grunde nach zuzustimmen, wenn er schreibt: [...] if a plausible naturalistic explanation is available then that explanation will be adopted over a supernatural one. The very fact that a plausible naturalistic explanation is possible implies that there is no miracle because by definition a miracle is an event that cannot be explained naturalistically.
Jedoch bleibt er erstens die Angabe von Kriterien für „Plausibilität“ als auch der Art des „cannot be explained“ schuldig. Sind die Plausibilitätskriterien zu großzügig abgesteckt, erscheint u.U. sogar die Leugnung der Demonstrationsphänomene Mose und Jesu unter der Annahme des Vorliegens einer fortgeschrittenen Form von Massenhypnose plausibel. Nach der von Tzortzis angenommenen Definition wären im Extremfall nicht einmal die Geburt Jesu und die Schwangerschaft seiner Mutter ein mirakulöses Phänomen, allein weil ja in ihrer Zeit und in ihrem Land Abertausende zeugungsfähige Individuen existierten. Da das über kurz oder lang zur grundsätzlichen Unmöglichkeit jeglicher Mirakulösität, mithin zur Entleerung des Begriffs und zur diskursiv unzulässigen Immunisierung profanistischer Geisteshaltungen und Ideologien führen würde, ist es unumgänglich, einen gewissen Grad von Unwahrscheinlichkeit naturalistischer Erklärungen und somit empirisch-relative anstelle logisch-absoluter Unmöglichkeit als ausschlaggebend anzuerkennen.
Festzuhalten ist aus dem obigen einer der großen Schwachpunkte der Leugner der epistemischen Außergewöhnlichkeiten des Ehrwürdigen Koran: Sie müssen verschwundene Zivilisationen wie Sumerer, Babylonier und Alte Ägypter wie leicht erreichbare Zeitgenossen Mohammeds erscheinen lassen und räumliche wie zeitliche Distanzen möglichst kleinreden. Wohl nur so ist es zu begreifen, warum Tzortzis als ernstzunehmendes Argument für die Möglichkeit eines Austauschs über die relevanten Ideen hervorhebt, dass Mohammed in einem Ausspruch auf Eigenheiten seiner byzantinischen und persischen Zeitgenossen Bezug nimmt, oder warum der Autor in großer Ignorierung des damals nötigen Aufwands für ferne Reisen (abgesehen von der technischen Unmöglichkeit von Zeitreisen) meint, das Pferd einer Übertreibung wie der folgenden ins Rennen schicken zu können: Travelling as far as the Far East was a common occurrence.
Da erscheint es geradezu obsolet, auf den Logikfehler in der Anführung jenes Ausspruchs hinzuweisen (ein logisch gültiger Beleg wäre er nämlich, wenn er der Ausspruch eines Arabers wäre, der kein Prophet o.ä. zu sein beansprucht). Jedenfalls ist es mit höchster Wahrscheinlichkeit falsch, dass Reisen von der Arabischen Halbinsel nach Indien oder China und zurück an der Tagesordnung waren. Entsprechend eignet sich auch das Historikerzitat, das er als einzigen Beleg hierfür anführt, kaum, da es eher bestätigt, dass Handelsreisen - wie auch die quraysh-Sure und ihr Hintergrund ahnen lassen - aus Arabien heraus meist nicht über Syrien hinausgingen: The Meccans carried spices, leather, drugs, cloth and slaves which had come from Africa or the Far East to Syria, and returned money, weapons, cereals, and wine to Arabia.
. Einzukalkulieren versäumt wurde desweiteren:
Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, wie schwer es in vormodernen Gesellschaften und mehr noch in wüstenähnlichen Gebieten Ideen und Informationen hatten, die das (Über-)Leben der Menschen und ihren Alltag nicht betrafen, überhaupt zu ihnen vorzudringen, geschweige denn sich über die Kluft eines Jahrtausends hinweg von der einen Kultur in die andere hinüberzuretten. Entsprechend handelte es sich um (zumindest vermeintliches) Wissen elitärer Zirkel, oft aufbewahrt in Schriften, deren Inhalte fast niemandem zugänglich waren, sowohl aufgrund des allgemeinen Analphabetismus, als auch aufgrund elitärer und teils klandestiner Strukturen. Wenn dies schon für Gesellschaften wie die altgriechische galt, in welcher es eine ausgeprägte intellektuelle Aktivität zu naturwissenschaftlichen und philosophischen Themen gab, dann gilt dies noch viel mehr für die damalige arabische Gesellschaft. Und auch Mohammed war offensichtlich kein Akademiker oder „arabischer Aristoteles“, sondern nachweislich wie die meisten seiner arabischen Zeitgenossen ebenfalls ein Analphabet.23 All das erklärt und besitzt eine Bestätigung darin, dass jüdische Gelehrte es tatsächlich als Beweis für das Prophetentum anzusehen bereit waren, wenn Mohammed die richtigen Antworten auf teils biologische Fragen geben konnte, deren Antwort sie selbst kannten, aber eben zugleich um die ungeheure Schwierigkeit des Zugangs zu ihr in der damaligen Zeit wussten. Dass der Gesandte Gottes darauf einging, zeigt, dass der Einsatz des wissenschaftlichen Arguments im Einklang mit dem prophetischen Usus (sunnah) steht, wenn nicht sogar von diesem als integraler Bestandteil umfasst wird.24
Allein schon, dass jemand wie Hamza Andreas Tzortzis und viele andere, die wie er wahrlich nicht ungebildet waren, lange Zeit intensiv und mit großer Begeisterung echte oder vermeintliche „scientific miracles“ des Koran vorzubringen und mit ihnen zu argumentieren pflegten, zeigt, wie sehr sogar ein Mensch, der eine neuzeitlich-moderne Schulbildung genossen hat, am Beispiel der eigenen Person nachvollziehen kann, wie schwer die involvierten Fakten für einen einfachen Menschen in Erfahrung zu bringen sind. In der Tat sind viele der naturwissenschaftlichen Details, welche die epistemische Außergewöhnlichkeit des Koran konstituieren, vielen modernen Menschen unbekannt, somit erst recht dem durchschnittlichen Araber zur Offenbarungszeit des Koran in einem Gebiet, in welchem er seine Notdurft in der Wildnis verrichtete, außer vielleicht Sandalen und Turban nicht mehr als zwei Kleidungsstücke zugleich trug, in Behausungen aus Lehm wohnte und Feuer mit dem langwierigen Aneinanderreiben von Holz machte.
Zu guter Letzt ist darauf hinzuweisen, dass Tzortzis' Einschränkung des Wunderbegriffs auf das, wofür es keine naturalistische Erklärungsmöglichkeit gibt, eine Erfindung der areligiösen Neuzeit und ungerechtfertigt ist. Die mosaische Meeresspaltung bleibt ein Ereignis mit Beweiskraft, auch wenn sich dafür physikalisch-meteorologische Erklärungsmöglichkeiten finden sollten,25, denn das Ausschlaggebende an einem Wunder ist, dass es als hohe statistisch-koinzidenzielle Außergewöhnlichkeit und durch diese die Authentizität des Prophetentums einer Person oder einer Botschaft als Gotteswort untermauert. Bei der mosaischen Meeresspaltung besteht die statistische Außergewöhnlichkeit im Zusammentreffen der extremen Seltenheit des Phänomens als solches damit, dass es zu genau der richtigen Zeit ausgerechnet einem Propheten und seinen Anhängern zugute kommt. Bei den jesuanischen Wiederbelebungen von Toten besteht sie ungeachtet des in der heutigen Medizin bekannten Lazarusphänomens darin, dass sie ausgerechnet in der Anwesenheit des Gesandten Gottes Jesus im Rahmen seiner Behandlung und mehrfach stattfanden. Auch der muslimische Sieg zu Badr, der einer ärmlich ausgestatteten Schar ohne erfahrene Führung gegen eine drei Mal so große, bestens ausgestattete Armee schon in der allerersten militärischen, völlig ungeplanten Konfrontation zuteil wurde, wird im Koran daher zu Recht mit dem Begriff der âyah (arab. „bedeutsames Zeichen“ oder „Wunderzeichen“) in Verbindung gebracht, und naturalistische, z.B. psychologische Erklärungsmöglichkeiten ändern daran nicht das Geringste. Parallel dazu geht die Enthaltenheit einer Menge korrekten, allenfalls elitären Kreisen vorbehaltenen Wissens über Vorgänge und Verhältnisse der Natur ausgerechnet im sich als vom Schöpfer derselben Natur kommend präsentierenden Text eines Analphabeten, Gottes fürsorglicher Segen und Sein heilvoller Friede mögen auf ihm ruhen.
Das Argument setzt das szientistische Paradigma von den empirischen Wissenschaften als einzige Möglichkeit zur Erkenntnis von Wahrheit voraus. Es funktioniert nur auf der Basis einer materialistischen oder naturalistischen Ideologie.
Es scheint, dass dieser Einwand darauf hinaus will, dass für die Beweiskräftigkeit der wissenschaftlich definierten Indikatoren transzendente Faktoren für die im Koran beschriebenen Naturzusammenhänge ausgeschlossen werden müssten, was nur auf der Grundlage ideologischer Axiome möglich wäre. Vielleicht möchte er sich auch die Möglichkeit offen halten, vermeintliche Konflikte zwischen Koran und Wissenschaft mittels metaphysischer Erwägungen zu den Akten legen zu dürfen.
Der Einwand läuft jedoch ins Leere, denn zwar sind Naturalismus und Materialismus im ideologischen bzw. extremen Sinne zweifellos mit der koranischen Lehre unvereinbar. Doch er übersieht: In seinen für dieses Thema relevanten Aussagen ist der Koran eindeutig naturalistisch und mittelbar szientistisch. Die rhetorischen Entscheidungsfragen, die er über zahlreiche Naturphänomene stellt, lassen keinen Zweifel daran, dass er ihre relevanten Zusammenhänge und Funktionen keinen ominösen transzendenten Elementen überlässt, sondern auf der Prämisse aufbaut, dass sie empirisch umfassend genug erkennbar sind.
Somit kann der (unnötigerweise) in Unruhe versetzte Ablehner des Konzepts, wenn er persönlich die Bestätigung der Stabilisierung der Erde durch Gebirge in den Büchern der Geologie bislang vergeblich gesucht hat oder diese Geologie auf Grundlage der bekannten Naturgesetze und Prozesse die Verhinderung von Erdbeben durch Gebirge ausschließt, sich nicht wie wohl erhofft darauf zurückziehen, dass Berge ja metaphysische Eigenschaften besitzen könnten, welche für die Stabilisierung sorgen. Denn der Koran führt die entsprechenden Verse in der Ansprache Ungläubiger an, um ihnen ihren Irrtum vor Augen zu führen, wofür der Verweis auf im Wesentlichen Unerfahrbares offensichtlich sinnlos wäre. Vielmehr spricht er sie darauf so an, dass klar ist, dass sein Verfasser weiß, dass die Adressaten im Voraus um den ausschlaggebenden Sachverhalt wissen oder ihn zumindest irgendwann in Erfahrung bringen können und werden (und seien es spätere Generationen von ihnen): Machten Wir das Erdland nicht zu einer Unterlage ● Und die Berge zu Pflöcken?
. Werden sie denn nicht die Kamele anschauen, wie sie erschaffen ● Und den Himmel, wie er erhoben ● Und die Berge, wie sie aufgerichtet wurden?
. Haben die, die entkennend wurden, denn nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde eine zusammenhängende Masse waren, worauf Wir sie auseinanderrissen?
usw.
Das bedeutet im Übrigen nicht, dass die beschriebene Haltung nicht im Umgang mit anders gelagerten Aussagen des Ehrwürdigen Koran ihren Platz hätte. Es gibt durchaus Aussagen, die nicht die Funktion einer Demonstration oder Begründung haben, und die zudem eindeutig einen transzendenten Bezug haben, darunter auch auf Naturphänomene Bezug nehmende. Deren Einbezug dezidiert transzendenter Faktoren entzieht sie einer exklusiven Deutung mit den Mitteln empirischer Wissenschaft. Dies gilt beispielsweise für Einzelheiten der Darstellung der Abschreckung von Daimonien (jinn) und der Rolle astronomischer Objekte hierin.
Ist denn das Phänomen bei allen Naturwissenschaftlern und sonstigen Forschern anerkannt? Sind alle, die es anerkannt haben, bei ihrer Anerkennung geblieben? Haben nicht einige ihr Zeugnis zurückgezogen oder gesagt, ihre Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen o.ä.?
Eine sich in den heutigen Wissenschaftlern wiederholende Fügung wie die spontane gemeinschaftliche Niederwerfung, in die sich die Magier des Pharao, mit dem Moses und Aaron konfrontiert waren, begaben, als sie aufgrund ihrer Expertise erkannten, dass die Demonstrationsphänomene des Moses nicht zur Kunst der Magie gehörten, wäre auf den ersten Blick sicher eine beeindruckende Angelegenheit. Dies im Kontext des epistemischen Demonstrationsphänomens des Koran unbedingt zu erwarten, wäre allerdings naiv, und dergleichen in diesem Kontext eine nennenswerte Relevanz beizumessen, wäre verfehlt, denn:
Die betreffenden Verse haben doch gar nicht den Zweck, zu einem ‚scientific miracle’ beizutragen.
Weder muss ein Beweis, um als Beweis gelten zu dürfen, den Zweck haben, als Beweis eingesetzt zu werden, noch muss man ihm einen solchen Zweck ansehen können. Dem Einwand entgeht also der Unterschied zwischen den Begriffen des Zwecks und der Geeignetheit. Zudem ist es ein Widerspruch, wenn man einerseits darauf pocht, dass man die Bedeutung eines Verses nie mit hinreichender Gewissheit wisse könne, andererseits aber den oft noch schwieriger festzustellenden Zweck so gut zu kennen vorgibt, dass man sich andere Zwecke auszuschließen ermächtigt. Dabei wird völlig die Möglichkeit aus den Augen verloren, dass etwas mehrere Zwecke zugleich haben kann, und sei es im Sinne eines primären, eines sekundären und eines tertiären Zwecks. Eine Analogie zu der dem Einwand zugrundeliegenden Haltung wäre die Behauptung, der Magen und Darmtrakt böten keinen Hinweis auf eine göttliche Eigenschaft ihres Schöpfers, da ihr Zweck ja die Verdauung sei. Oder: Eine Handschrift ließe keine Rückschluss auf den Schreiber zu, da ihr Zweck ja sei, gelesen zu werden...
Some verses in the Qur’ānic discourse are currently “unscientific”. [...] The reason I am including unscientific verses here is to highlight the inconsistency of the scientific miracles in the Qur’ān methodology. The inconsistency is that if science was a yardstick to use to verify the Divine origins of the Qur’ān, then all verses must be in line with scientific conclusions. Given that some verses are not currently in line with science, then it follows that either the Qur’ān is wrong – and therefore not from the Divine – or that the Qur’ān is right and from the Divine, and that science will catch up. This dilemma, for the Muslims at least, is solved by affirming the Divine origins of the Qur’ān and limited nature of science. In this case it de-scopes the scientific miracles in the Qur’ān claim methodology, and is reduced to the following statement: the Qur’ān is from God and the science that agrees with it is correct, and the science that does not is incorrect.
Der Autor konstruiert hier ein Dilemma, demnach im Konfliktfall entweder „die Wissenschaft“ (was auch immer das genau für ihn sein mag) falsch liege, oder der Koran. Dass seine Kenntnis der Wissenschaft und ihrer relevanten Konklusionen unzureichend sein könnten, oder dass sein subjektives (und sei es auch naiv-traditionellen Auffassungen entnommenes) Verständnis der betreffenden Koranstellen falsch sein könnte, berücksichtigt er nicht.
Darum ist das Beispiel, das er anführt, eher eines für eben diese Unzulänglichkeit als für die angebliche Unwissenschaftlichkeit koranischer Verse: Here is an example of an unscientific verse. The Qur’ān says: “We said: Get down all of you from this place (the Paradise), then whenever there comes to you guidance from Me, and whoever follows My guidance, there shall be no fear on them, nor shall they grieve.” The above verse refers to Adam and Eve (upon whom be peace). It asserts that they were sent from paradise to earth and implies that they were both fully formed and created before coming to earth. This literal and orthodox interpretation of the verse is in direct conflict with science. The theory of evolution asserts that human beings were formed via natural selection and random mutations on earth over long period of time. The theory of evolution also argues that human have a shared ancestry with non-human species.
Hierzu ist zu sagen:
Die Gründe für den Fehlgriff, den die Wahl des Beispiels darstellt, sind typisch für die meisten Behauptungen von „Unwissenschaftlichkeiten“, die vermeintlich im Koran zu finden sind (abgesehen von der auffällig geringen Zahl der zunächst überhaupt ernstzunehmend scheinenden unter ihnen, im Vergleich zu den gegenteiligen Indikatoren, und erst recht zu den menschenwerklichen Texten des Altertums):
Wenden wir uns nun dem Kern des Einwands zu. Dieser meint offenbar, dass ein muslimischer Proponent des empirisch-epistemischen Beweises für den übermenschlichen Ursprung des Koran im Fall eines Konfliktes mit „der Wissenschaft“ prinzipiell dem Koran den Vorrang einräumen würde oder muss. Der Status des Koran als Gotteswort bringe es mit sich, ein Prüfstein der Wissenschaft zu sein, und nicht umgekehrt. Und als etwas, das ein Maßstab für die Korrektheit von Wissenschaft sei, könne der Koran nicht von derselben abhängig gemacht werden. Dazu ist zu sagen:
Tzortzis' Konfliktregel ist somit vom Prinzip her richtig, für die diskursive Praxis aber obsolet und hat nur als eine Form der allgemeinen Konstatierung der Rangfolge zwischen Koran und Naturwissenschaft einen Wert und ist selbst als solche redundant gegenüber der Aussage: „Koranische Rede und Inhalte haben einen höheren Rang als Menschenrede und -inhalte.“
So viele Beispiele im Internet haben sich als nicht belastbar herausgestellt.
Das
ist kein Grund, das gesamte Konzept zu verwerfen, sondern vielmehr ein
Grund, an der gemeinschaftlichen Korrektur und Optimierung seiner
Anwendung, die sich nun mal durch fehlbare Menschen vollzieht,
konstruktiv mitzuwirken. Wegen minderwertiger Anwendungen des Konzepts
durch achtlose Übertreiber zu dessen Gegner zu werden, ist vergleichbar
damit, unter Verweis auf den wissenschaftlich unklaren Status der
Ostheopathie oder die Haltlosigkeit der Homöopathie gegen therapeutische Medizin
allgemein zu opponieren. Vergleichbar ist es auch damit, die
literarische und linguistische Unnachahmlichkeit des Koran mit Blick
darauf zu relativieren, dass auch zu ihrer Demonstration zahlreiche minderwertige Versuche unternommen worden sind (Beispiele dazu weiter
unten). Einen ähnlichen Fehler beginge man, wenn man aufgrund der
altbekannten Tatsache, dass die meisten existierenden Hadithe erfunden,
fehlerbehaftet oder schwach verbürgt sind, Hadithe grundsätzlich
ablehnt, wie es Antihadithisten (die sogenannten „[Nur-]Koraniten“) tun.
Aus dem Ehrwürdigen Koran ergibt sich deutlich, dass zu den gefährlichsten Haltungen überhaupt die Leugnung von Zeichen Gottes, insbesondere der auf die Authentizität des Ehrwürdigen Koran hinweisenden, zählt. Dies impliziert, dass der an die Schriften Gottes Glaubende und gottesbewusst Behutsame sich gegenüber einem potentiellen Zeichen Gottes solange vorsichtig verhält und es nicht verwirft, wie er keinen hundertprozentigen Beweis dafür sieht, dass doch kein Zeichen Gottes vorliegt. Gegner des Konzepts, die den hier diskutierten Einwand anführen, verhalten sich zu ihrem eigenen Schaden genau umgekehrt: Sie verwerfen das Konzept grundsätzlich und behaupten die Nicht-Existenz wissenschaftlicher Antizipationen im Koran, weil sie selbst noch nichts Hundertprozentiges gesehen zu haben glauben.
In der Haltung vieler von ihnen steckt zudem der Widerspruch, dass sie die Inanspruchnahme der auf induktiven Methoden fußenden Wissenschaften wegen dieser Induktivität ablehnen, ihr Gegenargument hier aber selbst auf Induktion beruht (Schluss von einigen in ihrem Leben noch nicht genug begründeten Beispielen auf die Unbegründetheit aller potentiellen Beispiele).
Nach der Entkräftung des Induktions- und des Ambiguitätsarguments steht jeder Versuch, das Konzept mit all seinen Beispielen in einem Rundumschlag zu verwerfen, statt auf jedes existierende, gewisse Mindestkriterien erfüllende Beispiel einzugehen, auf verlorenem Posten.
Es ist auffällig, dass zur Diskreditierung des Gesamtkonzepts, wenn überhaupt, dann tendenziell gerade mal - wohl bewusst - einige schwache Darlegungen als Beispiele angeführt werden, als ob diese für das gesamte Konzept repräsentativ wären. Dies und anderes spricht für das Vorliegen eines Mangels an Objektivität, der die Frage nach den Motiven für eine solche Haltung aufwirft. Mitunter ob der Art des Umgangs mit dem Thema lässt sich mit gutem Grund vermuten, dass der Ablehnung des Konzepts meist die folgenden Gründe und Motive oder ein Teil von ihnen zugrundeliegen:
Vor dem Hintergrund einer solchen Motivlage (der offensichtlich teilweise eine pathologische Schwachgläubigkeit zugrunde liegt) sollte es entsprechend nicht verwundern, dass die Position der Opponenten des Konzepts nicht zuletzt daran krankt, dass sie keine eindeutig besseren Alternativen vorzubringen imstande sind.
Vielmehr gehört es zu den Dingen, die einen an den Rand der
Fassungslosigkeit bringen, wenn ein prominenter Kleriker aus
Missgunst gegen eine (wenn auch durchaus kritikwürdige) subkonfessionelle
Konkurrenzgruppierung, welche die wissenschaftliche Unnachahmlichkeit
in der Verbreitung des Islams ihrer subkonfessionellen Prägung mit
einigem Erfolg instrumentalisierte, diese Dimension der
Unnachahmlichkeit leugnet, ihre Advokaten verspottet, und dann
offenlegt, was aus seiner Sicht die wahren „miracles“ des Koran seien,
nämlich z.B. ein (!) Palindrom aus sieben (!) Buchstaben oder die
Reihenfolge der Geschlechter im Ausdruck Die Unzüchtige und den Unzüchtigen
im Unterschied zu Dem Dieb und der Diebin
... Immerhin ein Trost ist es, dass derselbe Kleriker mittlerweile seine Leugnung relativiert und zugegeben hat, dass es im Ehrwürdigen Koran durchaus „Andeutungen in Bezug auf den Kosmos“ („ishârât kawniyyah“) gebe. Seine Kritik habe sich nur gegen die Ausschweifungen („tawassu'“) gerichtet.
Ebenfalls nicht weniger „embarassing“ als die Bemühung weithergeholter „scientific miracles“ ist, wenn ausgerechnet einer der Verwerfer des ganzen Konzepts in öffentlichen Debatten mit Andersgläubigen lautstark auf Fragen an den Debattierpartner ausweicht wie: „Warum ist Inzest falsch?“, in der Hoffnung, damit eine Unentbehrlichkeit von Offenbarung zur Fundierung ethischer Prinzipien demonstrieren zu können. Ein geistesgegenwärtiges Gegenüber, das sich vom suggestiven Anteil der Frage nicht manipulieren lässt, hat hier leichtes Spiel und kann die „Falschheit“ von Inzest - gegebenenfalls unter Angabe einiger Bedingungen - einfach leugnen oder in Frage stellen. Das mag ihm Empörung und Gelächter aus dem gröhlenden Publikum einbringen, doch das kann objektiv betrachtet nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in diesem Punkt nicht er ist, der auf verlorenem Posten steht, sondern unser Glaubensbruder, der sich entschlossen hat, auf die epistemische Unnachahmlichkeit des Gotteswortes keinen argumentativen Bezug mehr zu nehmen. Denn:
Besonders die Ablehnung des Konzepts mit der Begründung, es sei vom Prinzip der Induktion abhängig, verwickelt die Ablehner in so einige Widersprüchlichkeiten und Inkonsistenzen. Beispielsweise argumentiert Tzortzis mit der Unsicherheit und Vorläufigkeit von Naturwissenschaft, zitiert aber zur Stützung seiner eigenen Beweisführung zur koranischen Gotteswortschaft die Worte eines Philosophen, der für das Zeugniskonzept an Beispielen u.a. naturwissenschaftlicher Fakten wie Blutkreislauf oder Entfernungsverhältnisse von Himmelskörpern plädiert. Einer ähnlichen Inkohärenz entbehrt auch nicht seine Feststellung, durch sein eigenes Argument stehe der göttliche Ursprung des Koran so fest wie die sphärische Gestalt der Erde oder die Diagnose eines Ärzteteams.28 Medizinische Untersuchungen teilen sich bekanntlich nicht nur wesentliche Aspekte mit naturwissenschaftlicher Forschung, sondern die aus diesen resultierenden Diagnosen sind obendrein häufig, wenn nicht gar grundsätzlich schwächer als wohlbewiesene, seit Jahrzehnten etablierte naturwissenschaftliche Erkenntnisse.
Es ist nun deutlich geworden, dass weder die zügellosen Anwender des Arguments noch seine grundsätzlichen Ablehner auf einer soliden Grundlage stehen. Der korrekte Umgang mit dem Thema hält sich demgegenüber an den folgenden Kodex:
Diese Rahmenbedingungen lagen denn auch der Aufzählung der auf Lichtwort präsentierten Indikatoren zugrunde. Es sei betont, dass es die Behauptungen sind, die problematisch sind. Punkt 1 ausgenommen ist alles in den obigen Punkten im Rahmen von Vorschlägen und Gedankenübungen unproblematisch.
Bei der in den obigen Punkten angeratenen Kritik von schwachen Darstellungen oder ihrer Ächtung muss übrigens unbedingt auf die verlässlichere Alternative hingewiesen werden, damit die Kritik nicht als Verneinung der Existenz signifikanter epistemischer Indikatoren verstanden wird.
Es bleibt dabei, dass sich die wissenschaftlichen Erstaunlichkeiten des Ehrwürdigen Koran und ihre Rolle als Indikatoren für seinen übermenschlichen Ursprung nicht weginterpretieren lassen. Ob sie zu Gewissheit führen, ist eine Sache des Gewissens. Darin unterscheiden sie sich von keiner anderen Art induktionsbasierter Indikatoren, so auch nicht von der literarisch-linguistischen. Dies ist kein Makel, denn gerade hieraus schöpfen sie ihre eschatologische Relevanz. Ob der Mensch die Botschaft seines Schöpfers ihretwegen anerkennt oder ihr trotz der Indikatoren entkennend wird, fällt in den Bereich seiner ethischen Verantwortlichkeit.
Rein handwerklich gehört natürlich zu einer vollständigen Beweisführung dafür, dass der Koran, und zwar der ganze Koran nicht nur übermenschlich ist, sondern auch dezidiert vom urewigen Allschöpfer ausgeht, - auch wenn dies schon intuitiv naheliegend ist - mehr als nur die bloße Präsentation der betreffenden Koranstellen und ihrer außergewöhnlichen Bestätigung durch die moderne Wissenschaft. Zu diesem Zweck sollte eine solche Präsentation mit einer Demonstration der Einheit der Quelle des Koran sowie der extremen Unwahrscheinlichkeit ihrer Identität mit einem Geschöpf (Übergeschöpflichkeit statt nur Übermenschlichkeit), einhergehen. Stattdessen ist die bloße Unterbreitung der zahlreichen Erstaunlichkeiten als erste Hinführung dazu zu sehen. Denn ihr unschätzbarer Wert ist gar nicht einmal auf die Möglichkeit beschränkt, zum Beweis für den göttlichen Ursprung des Ehrwürdigen Koran beitragen zu können. Vielmehr sind sie auch als Beweis geeignet, dass dieses edle Sendschreiben es schlicht verdient hat, dass man auf sie aufmerksam wird und sich näher mit ihr beschäftigt.
Gleichwohl wirkt sich schon ihre bloße Aufzählung, soweit man sich auf die verlässlichen Indikatoren beschränkt und die schwachen beiseite lässt, zu Recht oft wie eine autarke, vollständige Beweisführung für den göttlichen Ursprung des Ehrwürdigen Koran aus, zumal kraft dessen, was den Ehrwürdigen Koran in ethischer Hinsicht ausmacht, die geringste überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt, um im auf das Würdige ausgerichteten und in seiner natürlichen Beschaffenheit belassenen Herzen das Licht des Glaubens an das Wort und Sendschreiben Gottes erstrahlen zu lassen.
Detachment from our rich Islamic Intellectual tradition: Dies müsste er - absurderweise - auch zahlreichen Azhar- und anderen traditionellen Gelehrten, die zu den Advokaten und Anwendern des Arguments gehören, unterstellen (darunter berühmte wie Sharawi, Kishk, Ould Dedew u.a.). - Zu der Behauptung, mit den wissenschaftlichen Erstaunlichkeiten für den überweltlichen Ursprung des Koran werde der Stil christlicher Apologetik übernommen: Anstelle eines Arguments stellt dies einfach nur einen recht billigen Versuch der Schwächung einer Position durch plumpe Stigmatisierung dar. Diese wird nicht nur einfach in den Raum geworfen und weder spezifiziert noch belegt, sie ist inhaltlich zudem schlicht belanglos. Abgesehen davon ist vom christlichen Mainstream ist eher das Gegenteil bekannt, nämlich die Bemühung um allegorische Interpretationen vieler Naturbezüge der Bibel; der christliche Umgang mit moderner Wissenschaft ist weit überwiegend defensiv, während die Offensivität des muslimischen Umgangs mit ihr unverkennbar ist. Übrigens widerspricht sich der Autor, wenn er eingangs behauptet, die besagte Entwurzelung von der Tradition und die Übernahme christlicher Methoden würden sich beide „offenbaren“, ließen sich also beweisen, im Verlauf seines Artikels aber beidem mit einem „perhaps“ völlig den Boden entzieht. -
Science is probabilistic in natureusw.: Darauf wird im Haupttext in der Auseinandersetzung mit Tzortzis' Einwänden eingegangen. -
Science is simply a tool for Islamusw.: Auch darauf wird im weiteren Verlauf eingegangen.
Arguments based on induction can range in probability from very low to very high, ruht sich dann jedoch aus auf:
but always less than 100%., so dass anscheinend auch z.B. 99% oder gar 99,99999999% keine Relevanz für ihn zu haben scheinen. Die strikte Forderung spielt dann aber plötzlich keine Rolle mehr, als er der modernen Wissenschaft zugunsten seines eigenen Arguments das Potential der Verifikation attestieren muss:
What about the ancient civilisations and their accurate predictions of scientific phenomena before they were verified by modern science?
Meine Hand hat die Erde gegründet, und meine Rechte hat den Himmel aufgespannt.
Und du pflegtest vor ihm keinerlei Schrift zu verlesen, noch sie mit deiner Rechten zu zeichnen. Dann kämen die Falschliegenden wahrlich ins Zweifeln., ist dies aus einem einfachen Grund ein ausreichender Beleg für diese seine eigene Aussage: Hätte nämlich der hier implizit adressierte Stamm, in welchem Mohammed aufgewachsen war und nach wie vor lebte, etwas davon Abweichendes gewusst, wäre der vom Koran beanspruchte Status als Gotteswort sofort widerlegt gewesen. Jede falsche Offenbarung würde sich hüten, eine solche Aussage zu formulieren.
To reject the conclusions made in this essay is epistemically equivalent to rejecting the spherical nature of the Earth and the conclusions of qualified medical staff..