Letzte Änderung: 22.07.2021 um 12:52:36 ● Erstveröffentlichung: 13.04.2016 ● Autor: Muħammad Ibn Maimoun
Erläuterungen: {erh.} = „Erhaben und herrlich gepriesen sei Gott“ / (s.) = „Segen und Friede sei mit dem Propheten“

Evolutionäre Schöpfung

Schon bei Ibn Khaldun finden sich Gedanken, die einer Lehre der biologischen Evolution erstaunlich nahe kommen. Heute irritieren manche muslimische Prediger mit der unüberlegten Übernahme evangelikaler Haltungen zu dem Thema. Zu welchem Grad harmonieren Koran und Evolution aber wirklich?

Ohne Frage gehört die Evolutionsbiologie zu den faszinierendsten naturwissenschaftlichen Forschungsgebieten der letzten zwei Jahrhunderte. Der Diskurs im vorgeblichen Spannungsfeld von Schöpfung und Evolution gehört gleichwohl zu den erstaunlichsten Beispielen menschlicher Borniertheit und Eindimensionalität, sowohl auf Seiten religiöser Realitätsverweigerer als auch auf Seiten hochnäsiger Religionskritiker. Während der Schlachtruf der einen „Schöpfung statt Evolution“ und der anderen „Evolution statt Schöpfung“ lautet, scheint keiner der beiden häufig ideologisch geradezu geblendeten Parteien aufzufallen, dass diese beiden Konzepte einander nicht im Geringsten ausschließen müssen.

Wir machen es kurz: Kategorische Ablehner der biologischen Evolution stehen einer erdrückenden Beweislage gegenüber. Auch wenn noch keine naturwissenschaftliche Theorie bisher in der Lage ist, das Entstehen der überwältigenden Systemkomplexität des organischen Lebens auf diesem Planeten in hinreichender Weise aus den bisher bekannten Naturgesetzen herzuleiten, ist Evolution im Sinne einer Entwicklung bzw. teilkontinuierlichen Veränderung und Anpassung von Lebewesen mittlerweile nicht nur eine irreversibel bewiesene Tatsache, sondern kann teilweise sogar direkt beobachtet werden, sei es an Mikroorganismen, Meerestieren oder Reptilien. Dies bedeutet selbstverständlich weder, dass keine Fragen mehr offen sind, noch, dass dadurch die Beweiskraft der Schöpfung für die alles durchdringende Weisheit des Allschöpfers und sein allumfassendes Wissen im Geringsten vermindert wird. Doch Evolution an sich, gleich wie weit oder auf welcher Basis sie konkret vonstatten geht, ist zunächst einmal ein Faktum. Und auch als jemand, der den Abertausenden Forschungsarbeiten hierzu lieber aus dem Weg geht, um sich seine Meinung anhand von Harun-Yahya-Büchern und ähnlicher Verarbeitungen des Themas zu bilden, wird man zugeben müssen, dass ein neutraler, maßvoll kritischer Beobachter, der die Entwicklungen in der seriösen Wissenschaft als Laie mitverfolgt, nicht anders können wird als zu dem Schluss zu kommen, dass das Thema zwar stets von einer Staubwolke aus halbseidenen Spekulationen umgeben ist, im Großen und Ganzen jedoch an der kontinuierlichen Entwicklung der organischen Lebewesen zu zweifeln nahezu einem psychopathologischen Realitätsverlust gleichkommt.

Umso mehr irritiert es, wenn Referenten oder Autoren den kompletten Zusammenbruch ihrer eigenen Glaubwürdigkeit oder zumindest wissenschaftlichen Zuverlässigkeit riskieren, indem sie, auf das Thema angesprochen, Evolution völlig ohne Differenzierung rundweg ablehnen, oder, noch desaströser, bei ihren Widerlegungsversuchen den Blick auf eklatante Wissenslücken freilegen und nebenbei zeigen, dass sie die „Evolutionstheorie“ nicht einmal in ihren Grundzügen verstanden haben. (Gerne kündigen sich derartige Selbstdemontagen durch das Festklammern an dem Terminus „Theorie“ an.) Eine häufige Form der Ablehnung ist die fast sofort erfolgende Aussage, der Mensch könne nicht vom Affen abstammen, wiewohl die Evolutionsbiologie weder behauptet, der Mensch stamme vom Affen ab, noch die Hominisation der hauptsächliche Gegenstand dieser Wissenschaft ist, sondern vergleichsweise eher ein Randthema darstellt. Entgegnungen, die (meist verkürzend) mit einer einigermaßen fundierten Kritik an einzelnen Punkten in Darwins „The Origin of Species“ aufwarten, erscheinen zwar wenigstens etwas respektabler, doch dieses Schriftwerk ist über 150 Jahre alt, und niemand käme auf die Idee, die Existenz von Atomen aufgrund von Unzulänglichkeiten in Niels Bohrs oder gar Demokrits Atomlehre zu bestreiten.

Da es im Ehrwürdigen Koran - im Gegensatz zur Bibel - nicht einen einzigen Vers gibt, mit dem sich eine aufsteigende Entwicklung der Tiere und Pflanzen aus einem gemeinsamen Ursprung - nicht einmal über Artengrenzen hinweg - ausschließen lässt und allenfalls der Mensch eine Ausnahme darstellen könnte, lässt sich über den Grund derartiger undifferenzierter Reaktionen einiger Muslime auf die Evolutionsthematik höchstens spekulieren, insbesondere, da sich mit Ibn Khaldun scheinbar schon vor über 500 Jahren1 und spätestens seit dem frühen 20. Jahrhundert bekannte muslimische Koranexegeten und Intellektuelle, darunter der damalige Großscheich der Azhar-Universität Muhammad Abduh2, der Autor des Al-Manar-Korankommentars Rashid Rida3, der einflussreiche Koranexeget Sayyed Qutb4, der Intellektuelle und Korankommentator Muhammad Asad5, ja in Ansätzen sogar der Rechtsgelehrte Yusuf al-Qaradawiy6 und viele andere sich durchaus zumindest eine „programmierte“ oder „gesteuerte“ Evolution vorstellen konnten bzw. können... Ist vielleicht in den letzten Jahrzehnten der Kolonialherrschaft oder kurz danach, in den fünfziger und sechziger Jahren, als der Sozialismus mit seinen bekannten materialistischen Implikationen in muslimischen Ländern Wurzeln zu schlagen versuchte, die Evolutionslehre in den Bildungseinrichtungen absichtlich und demonstrativ als Widerlegung eines Teils der islamischen Kerndogmatik eingeführt worden, so dass einigen Muslimen bis heute der hypnotische wie irrationale Eindruck, sie sei blanke Entkennung und Ketzerei, in den Knochen sitzt? Eine weitere Rolle könnte die heutige, mittlerweile stark angewachsene „Einschüchterung“ vonseiten atheistischer Aktivisten durch ihre provokative bis aggressive Anführung der Thematik als antireligiöses Argument spielen. Psychologisch lässt sich die Entstehung einer Aversion gegen ein Faktum, auf das der ideologische Gegner am liebsten hinweist, relativ gut erklären. Das Ganze besitzt auch die soziokulturelle Komponente der Neigung von Überzeugungsgemeinschaften, sich von typischen kulturellen Merkmalen, zu denen subjektiv der stolze Hinweis auf eine besondere Lehre gehören kann, möglichst abzugrenzen (nicht unverbreitet ist unter Muslimen z.B. noch im Zeitalter der Vorbereitung auf bemannte Marsmissionen der Zweifel an der US-Landung auf dem viel leichter erreichbaren Mond). Hinzukommt die Beflügelung durch neue, vermeintlich wissenschaftliche Argumente einer lautstarken christlich-fundamentalistischen „Kreationismus“-Bewegung: So manchem fällt es wohl schlichtweg leichter, sich die genussfertig verpackten, teils widerlegten, teils stumpfen Argumente evangelikaler Realitätsverweigerer zueigen zu machen, als die Mühe auf sich zu nehmen, das tatsächliche Verhältnis zwischen dem Faktum der Evolution und der Lehre des Ehrwürdigen Koran zu erforschen, und dazu noch zu riskieren, von nur oberflächlich hinsehenden Opportunisten und Übertreibern des Abfalls vom Glauben bezichtigt zu werden, was mindestens den Verlust eines Großteils der Anhängerschaft zur Folge hätte.

Die Konstanten des Diskurses

Vor dem Hintergrund der genannten irritierenden Vorgehensweise gewisser Referenten und Autoren wäre jedenfalls das Mindeste, was man als korrekte Alternative zu dieser kontraproduktiven Methodik verlangen könnte, auf die Frage nach der Evolution zurückhaltend zu antworten, dass wenn die Schöpfung Gottes eine entwickelnde Schöpfung sei, man dies soweit anerkenne, wie es den eindeutigen Aussagen der Offenbarung nicht widerspricht. Möchte man konkreter werden, so könnte man noch die in diesem Zusammenhang relevanten Konstanten aufzählen, die sich aus dem Ehrwürdigen Koran ergeben, aber ausschließlich solche, die nach einer ehrlichen Ausmusterung aller nicht zwingenden oder gar eingebildeten Implikationen koranischer Aussagen übrigbleiben. Diese sind insgesamt die folgenden:

  1. Kein Ding und kein Vorgang in der Natur entsteht losgelöst vom göttlichen Willen und der schöpferischen Weisheit. Gott hat alles erschaffen.
  2. Alle heutigen Menschen haben einen gemeinsamen männlichen Vorfahren, „Adam“7 genannt. Er ist keine bloße Allegorie oder Metapher.
  3. Dieser Vorfahr war ein Mensch.
  4. Seinerseits hat er seinen Ursprung in Lehm (Tîn) bzw. Erde (turâb).
  5. Alle heutigen Menschen haben einen gemeinsamen weiblichen Vorfahren.
  6. Diese Vorfahrin war ein Mensch.
  7. Ihrerseits hat sie ihren Ursprung in Adam.
  8. Sie war seine Lebens- und Geschlechtspartnerin.

Keine dieser koranischen Konstanten befindet sich mit dem aktuellen evolutionsbiologischen oder sonstigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand in einem Konflikt:

Modelle einer evolutionären Schöpfung

Diese Konstanten im Auge behaltend, lassen sich vier Modelle der Einbettung des aktuellen evolutionsbiologischen Wissensstandes in die deskriptiven Rahmenbedingungen der Offenbarung entwerfen, ohne diese Konstanten zu verletzen oder von gesicherten Erkenntnissen abzuweichen.

Wenigstens das folgende erste Modell hätte die erste Wahl so manchen Predigers sein müssen, anstatt sich der Hoffnung in die Argumente christlicher „Kreationisten“ hinzugeben, welche sich aus spezifisch biblisch-theologischen Gründen nicht in der Lage sehen, eine wie auch immer geartete Evolution zu akzeptieren, und sei diese auch bis ins letzte Elementarteilchen gesteuert. Der an den Ehrwürdigen Koran glaubende Ergebene weiß jedoch wie auch die moderne wissenschaftliche Bibelkritik, dass weite Teile der Bibel nachträglichen Veränderungen, Auslassungen und Hinzufügungen ausgesetzt waren und sich nicht zuverlässig auf die jeweiligen Propheten zurückführen lassen, und braucht sich eigentlich nicht weiter zu kümmern, wenn im Schöpfungsbericht der Bibel (Gen 1,1-31) eine dem aktuellen wissenschaftlichen Stand widersprechende Schöpfungsreihenfolge steht (Pflanzen vor der Sonne, Vögel vor den Landtieren und Reptilien), und muss auch keine artenübergreifenden Entwicklungen leugnen, denn dieser christlich-evangelikale Standpunkt geht wohl auf den Eindruck der nach Arten gesondert erfolgten speziellen Erschaffung in dem Genesisbericht zurück: ... schuf die Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt [...] nach ihrer Art, und alle geflügelten Vögel, nach ihrer Art [...] Vieh und kriechende Tiere und wilde Tiere der Erde nach ihrer Art. Eines der größten Hindernisse für eine literalistisch-christliche Akzeptanz einer wie auch immer gearteten andauernden Evolution dürfte Genesis 2,2 sein: Und Gott hatte am siebten Tag sein Werk vollendet,11 das er gemacht hatte; und er ruhte am siebten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte. Evolution bedeutet unaufhörliche Schöpfung, während dieser Bibelvers anscheinend aussagt, das Hervorbringen neuer Formen von Lebewesen sei zum Stillstand gekommen. Hingegen lässt sich die Aussage des Koran als direkte Antwort auf den Bibelvers auffassen:  Und wahrlich, Wir schufen die Himmel und die Erde und was zwischen ihnen beiden ist, in sechs Tagen12, und es berührte Uns keinerlei Müdigkeit.13 Ein weiterer Grund ist, dass sich aus der Bibel nur ein Weltalter von wenigen tausend Jahren errechnen lässt, was zu kurz für evolutionäre Entwicklung ist, während zum Koran hingegen ein Weltalter von vielen Milliarden Jahren passt.14 Zu guter Letzt kam der Tod, ganz gleich für welches Lebewesen, nach der christlichen Theologie erst durch den Sündenfall des Urelternpaars  in die Welt, so dass eine Hunderte Jahrmillionen währende Evolution mit ihrem unablässigen Leben und Sterben vor Adam für viele religiöse Christen undenkbar ist und die Tage des Schöpfungsberichts für sie nur reguläre 24-Stunden-Tage oder zumindest nur extrem kurze Zeiteinheiten sein können. - Nichts hiervon berührt Lehren des Ehrwürdigen Koran oder des Gesandten Gottes in nennenswertem Maße, und so müssen sich manche muslimische Apologeten wohl oder übel den Vorwurf gefallen lassen, ihren Diskurs zum Schaden der Sache ihrer Religion unnötig christianisiert zu haben.

Modell 1: Extraphysikalisch stimulierte Evolution mit abiologischer Eingliederung des Menschen

Mancher gottvergessene Zeitgenosse schwärmt gerne von einer „schöpferischen Evolution“. Da Evolution aber strenggenommen keine handelnde Entität ist (auch nicht unbewusst) und naturgemäß eher Wirkung statt Ursache ist, wird er zugeben müssen, dass die Rede von einer evolutionären Schöpfung weit sinnvoller wäre.

Mit am deutlichsten würde eine solche durch das vorliegende Modell vertreten. Nach diesem Modell entwickelte und entwickelt sich praktisch das gesamte Reich der organischen Lebewesen im Rahmen einer Evolution, die unter Ausblendung der Frage nach den ihr zugrundeliegenden Mechanismen nach außen hin in etwa den heutigen Vorstellungen entspricht, mit wenigen Ausnahmen, zu denen der Mensch gehört, wenn er nicht gar die einzige Ausnahme ist.

Zur Basis der Evolution in diesem Modell gehören zwar Selektion, Mutation und Isolation und die bekannten Naturgesetze, jedoch nur zu einem (gleich ob großen oder geringen) Teil - wesentliche Anstöße erhält die Evolution unabhängig von diesen natürlichen Prinzipien, d.h. durch naturwissenschaftlich (noch?) nicht fassbare, evtl. rein transzendente Bestimmungen.

Der Mensch wurde demzufolge, ohne einen biologischen Vorfahren zu haben  - als eine seine besonderen Merkmale und seinen herausragenden Status würdigende Ausnahme - nach seiner direkten Erschaffung aus Lehm so eingegliedert, dass er seine ihm biologisch mehr oder weniger ähnlichen Vorgänger (womöglich Australopithecinen) mehr oder weniger nahtlos ablöste.

Die Anzahl der Probleme, die dieses Modell mit dem Ehrwürdigen Koran hat, dürfte sich auf genau Null beziffern lassen (s. auch weiter unten zu den evolutionskonformen Stellen im Koran). Die Anführung des Versteils  Der alles, was Er erschaffen hat, vortrefflich vollbracht hat15 gegen die Evolution der Tiere und Pflanzen ist fehl am Platz, da diese Anführung auf einem Missverständnis des Prinzips der Evolution beruht, denn diese mag teilweise in der Entwicklung vom einfach (eigentlich: komplex) Strukturierten zum komplexer (eigentlich: noch komplexer) Strukturierten bestehen, oder vom Angepassten zum Angepassteren, nicht aber in der Entwicklung vom Unvollkommenen hin zu einem vollkommenenen Utopikum, d. h. aus biologischer Sicht ist ein Phänotyp nicht unbedingt vollkommener als sein vor Jahrmillionen ausgestorbener Vorfahr. Außerdem ist alles insofern vortrefflich erschaffen, als es als Ergebnis vom Willen Gottes nicht im Geringsten abweicht, und handele es sich auch um siamesische Zwillinge.

Auch vonseiten der Paläoanthropologie sind gegenüber diesem Modell (noch) keine substanziellen Einwände möglich, zumal sie - entgegen immer wieder auftauchender Sensationsberichte - bis heute keine Knochenfunde vorzuweisen hat, die einen abbruchfreien Übergang von den mutmaßlichen Vorläufern der Menschen (den Australopithecinen) zur ersten weitgehend zweifelsfrei menschlichen Gattung (Homo erectus) eindeutig belegen.16

Humangenetisch sieht die Sache allerdings etwas anders aus. Es stellt sich nämlich die Frage, wie unter diesen Voraussetzungen die genetische Diversität der Menschen zustandekommen konnte, oder wie  die erste Humanpopulation sich aus einem einzigen Urelternpaar gesund vermehren und überleben konnte, falls  diese Vermehrung letztlich zunächst rein endogamer Natur war (Inzest). Warum haben molekulargenetische Analysen des menschlichen Erbguts zwar gezeigt, dass die Menschheit bottlenecks durchlaufen hat, in denen die Gesamtpopulation auf wenige Tausend Individuen schrumpfte, jedoch keinen derartigen Flaschenhals mit weniger als 1000, geschweige denn mit nur zwei Individuen? Und wieso scheint es in der menschlichen DNA Relikte des Erbguts anderer Spezies zu geben?- Mögliche Antworten:

Modell 2: Extraphysikalisch stimulierte Evolution ohne Sonderintervention

Dieser Entwurf legt Wert auf den Erhalt des Konzepts von einer zwar nicht nach innen hin, (d.h. bezüglich der hinreichenden natürlichen Mechanismen), wohl aber nach außen hin (d.h. bezüglich der archäologischen und molekularbiologischen Feststellbarkeit) völlig „ungestörten“ Evolution und unterscheidet sich daher vom vorigen Entwurf nur darin, dass er sich Adam als biologisch (wenn auch teils durch extraphysikalische Bestimmung) aus der Evolution hervorgegangen vorstellt, d.h. er hätte hier biologische Vorfahren, z.B. vom Typ des Australopithecus oder des Homo erectus.

Zur Ungestörtheit der Evolution zähle hier auch, dass sich mindestens die Nachkommen Adams auf nicht rein endogame Weise fortpflanzten, d.h. auch mit ihren Artverwandten, die nicht von Adam abstammten, und deren unvermischte Linien heute seit Langem ausgestorben sind, Verbindungen eingingen. Die Urmutter wäre derweil entweder durch eine „kleine“ Sonderintervention direkt aus Adam und keinem anderen Individuum erschaffen (womit die äußere Störungsfreiheit der Evolution allerdings beeinträchtigt wäre) oder aus einer Verbindung Adams mit einem nicht- oder nicht rein adamitischen weiblichen Wesen hervorgegangen.

Mehr noch: In diesem Modell kann Adam, muss aber nicht der erste Mensch gewesen sein, denn mit Konstante Nr. 2 genügt es, dass er ein allen heutigen Menschen gemeinsamer Vorfahr ist, was ja nicht zwingend bedeutet, dass er der erste gemeinsame Vorfahr ist. Auch hätten neben Adam auch andere Individuen seiner Zeit mit ihrem Erbgut zur Entstehung der Menschheit beigetragen. Um dies zu verstehen, stelle man sich vor, dass alle Menschen aus irgendeinem Grund plötzlich aussterben, außer der eigenen Person, den eigenen Geschwistern, den eigenen Cousins und Cousinen väterlicherseits, sowie den Großcousins und -cousinen vaterväterlicherseits, die allesamt überleben und alle daher einen gemeinsamen Urgroßvater haben (den Vater des Vaters des Vaters). Somit hätten wir auf der Erde eine kleine, theoretisch vermehrungsfähige „Menschheit“, deren aller Urvater diese Person ist, und zugleich hätte sie verschiedene andere, zu diesem Urvater parallele Vorfahren (z.B. Väter der Mütter der Väter). - Ein solcher Urvater wäre z.B. Ismael, wenn von der Menschheit irgendwann nur noch Araber übrigbleiben sollten.

Mit den gesicherten Erkenntnissen der Biologie und Paläoanthropologie lässt sich all dies weitgehend problemlos vereinbaren, zumal sich auf ihrer Grundlage die Existenz extraphysikalischer Einflüsse, welche von ihnen möglicherweise ohnehin eines Tages (ähnlich wie von der Astronomie Dunkle Materie und Dunkle Energie) postuliert werden müssen, nicht sicher ausschließen lässt.

Im Hinblick auf unser Verständnis der offenbarten Texte bringt es derweil durchaus Herausforderungen mit sich. Der Aufwand, diese zu bewältigen, ist jedoch nicht allzu groß.

Die Prüfsteine des Modells bestehen, was den Ehrwürdigen Koran betrifft, in den folgenden Stellen und ihren Entsprechungen.

Erschaffung aus Lehm

Laut Sure 38:71 ist Adam aus Lehm erschaffen worden. Scheinbares Problem: Lehm ist kein biologischer Vorfahr in unserem Sinn,  Als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde nun ein Menschenwesen erschaffen. Wenn Ich es also ausgeformt und ihm von Meinem Geist19 eingehaucht habe, werft euch vor ihm stirnend nieder.20 (Dass es sich hier wirklich um Adam handelt, lässt sich u. a. an Sure 2:34 leicht erkennen.)

Das alleine ist aber kein wirkliches Problem, denn auch zu den späteren Menschen, von denen jeder biologische Vorfahren besaß bzw. besitzt, sagt Gott Ihr Menschen, so ihr im Zweifel über die Auferweckung seid, so haben Wir euch ja aus Erde erschaffen21, und Sure 18:37 zitiert die Aussage eines rechtschaffenen Mannes zu seinem Gefährten, wiewohl dieser Gefährte zweifellos nicht der erste Mensch ist:  Bist du denn demjenigen entkennend geworden, der dich aus Erde erschuf, dann22 aus einem Tröpfchen, und dich dann23 zu einem Mann ausformte? Solange der Koran also nicht eindeutig verneint, dass es zwischen dem Lehm und Adam Generationen von Lebewesen gegeben hat, ist hier kein echter Konflikt zu erkennen.24

Aus einer einzigen Seele

Eine Vermischung der Nachkommen Adams mit Nicht-Adamiten würde bedeuten, dass die Menschheit eben nicht auf Adam alleine zurückgeht. Sure 4:1 sagt nun:  O ihr Menschen, seid hütungsvoll vor eurem Herrn, der euch aus einer einzigen Seele (nafs) erschuf, aus ihr ihr Partnerteil erschuf, und aus ihnen viele Männer und Frauen verstreute .

Das Problem lässt sich nicht auflösen, indem man davon ausgeht, dass hier nicht die biologische, sondern nur die seelische Schöpfung gemeint sei und demzufolge es nur um die Abspaltung der immateriellen Seelen der Menschen aus einer Urseele gehe. Dafür hat das Wort verstreute (arab. baŧŧa) im Arabischen einen zu starken materiellen Bezug. Daher muss nafs hier ein pars pro toto sein, und es dürfte wirklich um die biologische Anthropogenese gehen.

Nichtsdestotrotz kann ein Individuum mit dem pars pro toto des Ausdrucks nafs nur dann bezeichnet werden, wenn es wirklich eine nafs besitzt; und wenn mit dieser ausgestattet zu sein zum eigentlich Innovativen an der Erschaffung Adams gehört,25 schließt der Vers nur aus, dass an der Vermehrung des Menschen nafs-besitzende Nicht-Adamiten mitgewirkt haben (in den Modellen ohne Sonderintervention käme als Partnerteil ein weiblicher Nachkomme Adams in Frage, hervorgegangen aus einer Verbindung mit einer nafslosen Nicht-Adamitin). Immerhin ist unstrittig, dass durch die Ernährung durchaus nicht-adamitische Materie pflanzlichen und tierischen Ursprungs auf nicht-sexuellem Wege in die physische Reproduktion des Menschen stets involviert ist (permanente Materiezufuhr zum Aufbau des embryonalen Gewebes). Damit widerspricht eine Fortpflanzung der Adamiten unter Beteiligung von anderen Individuen der Aussage des Verses keineswegs, wenn die linienfremden Individuen zwar Lebensgeist (rûħ), aber keine nafs-Seele besaßen, d. h. keine Personen im engeren Sinne waren. (In der Weise wie in Sure 4:1 verwendet, ist der nafs-Begriff weitgehend deckungsgleich mit dem deutschen Begriff der „Person“.) Das schließt nicht aus, dass sie biologisch kompatibel zu den Adamiten waren oder gar zur selben Unterart gehörten; sie könnten biologisch Menschen gewesen sein, ohne dies im idealen, philosophisch-anthropologischen Sinne zu sein. Es könnte sogar sein, dass wenn wir in jene Zeit zurückreisen würden, keine wesentlichen Unterschiede zwischen solchen adamitischen und nicht-adamitischen Lebewesen festzustellen in der Lage wären, ja womöglich noch nicht einmal hinsichtlich der Intelligenz, weil das Geheimnis unserer eigenen nafs-Seele einfach zu tief verborgen liegt:  Und sie befragen dich über den Geist26. Sag: Der Geist gehört zur Sache meines Herrn. Vom Wissen ist euch aber nur wenig gegeben worden (Sura 17:85)

Der mögliche Einwand, dies impliziere eine gewisse Form von Sodomie, und diese sei nach dem offenbarten Gesetz sakrosankt verboten, ist indes mehr als schwach, denn die nötige biologische Kompatibilität wäre ja offenbar vorhanden; und selbst wenn es Sodomie wäre: Die in der traditionellen Auslegung favorisierte Alternative des geschwisterlichen Inzest ist im heutigen offenbarten Recht ebenfalls sakrosankt tabuisiert, und beide dieser Normen könnten auch erst später offenbart worden sein. - Der Einwand ähnelt demjenigen gegen die Humanevolution allgemein, nämlich, dass die Würde des Menschen berührt wäre, wenn er von Tieren abstamme; warum es aber würdevoller sein soll, direkt einem fauligen (15:26) Lehmklumpen zu entspringen, können die Anhänger dieses Arguments in der Regel nicht beantworten.

Übrigens ist Adam  zwar der erste Kandidat für die Identifikation mit der in Sure 4:1 erwähnten Seele, jedoch kommt hierfür angesichts Sure 7:189 ff. auch ein Nachkomme Adams in Frage.

Unerwartetheit

Beim Lesen des Verses in Sure 30:20 kommt womöglich die Vorstellung auf, zwischen Lehm und Adam habe es keine überbrückende Zeitspanne gegeben: Und zu Seinen Zeichen gehört, dass Er euch aus Erde erschuf und ihr dann - siehe da - euch ausbreitende Menschenwesen wart. In der Tat drücken im Arabischen wie im Vers vorliegende Nebensatzkonstrukte aus idhâ und Nominalsatz Plötzlichkeit oder Unerwartetheit aus („siehe da“). Dennoch lässt sich relativ einfach die Unerheblichkeit dieser Tatsache zeigen:

Das Jesusgleichnis

Sure 3:59 ist eine Entgegnung auf die Ansicht einiger Christen, die biologische Vaterlosigkeit Jesu belege die ihm zugeschriebene Gottessohnschaft:  Das Gleichnis Jesu ist für27 Gott wie das Gleichnis Adams - Er erschuf ihn aus Erde und sagte zudem: Sei, worauf er wurde. Das Argument scheint auf den ersten Blick nur zu greifen, wenn Adam keine (zwei) biologischen Vorfahren hat, und gerade hierfür scheint der Satz Er erschuf ihn aus Erde und sagte zudem: Sei, worauf er wurde angehängt worden zu sein. Dazu lässt sich sagen:

Die eigenhändige Schöpfung

Zu einer Sonderintervention scheint der Vers zu passen, in dem es heißt:  Iblis, sagte Er, was hat dich abgehalten, vor etwas niederzustirnen, das Ich mit Meinen Händen erschaffen habe?  (Sure 38:75). Um die Sonderintervention zu beweisen, müsste allerdings auch belegt werden, dass Gott normalerweise sonst nichts „eigenhändig“ erschafft, denn nach dem folgenden Vers scheint das Gegenteil der Fall zu sein  Haben sie denn nicht gesehen, dass Wir für sie von dem, was Unsere Hände zu Werke gebracht haben, Weidetiere erschaffen haben? (Sure 36:71). Im Arabischen steht der Ausdruck „mit meiner Hand“ für „ich selbst“ und „höchstpersönlich“ in Bezug auf Taten. Der bemerkenswerte Dual in 38:75 fügt eine weitere Bedeutungsebene hinzu. Diese kann, muss aber nicht mit einer Sonderintervention zusammenhängen, sondern kann auch ein Ausdruck dafür sein, dass der Mensch im Vergleich zu anderen Geschöpfen als so leistungsfähiges Geschöpf erschaffen wurde, als sei er mit dem doppelten Umfang an Mitteln erschaffen worden. Man könnte, dem nicht unentsprechend, womöglich auch sagen, dass der Dual lediglich die Vorstellung verhindern soll, dass Adam „halbherzig“ (d.h. mit Defiziten oder erheblichen Unvollkommenheiten) erschaffen worden sei, und stattdessen kommuniziert, dass er voll ausgeformt wurde. Darauf, dass Gott den Menschen tatsächlich nicht nur erschuf, sondern auch (fein) ausformte, legen andere Koranstellen wert, wie an ihrer in diesem Zusammenhang nicht seltenen Verwendung von sawwâ („ausformen“) und dessen deutlicher Differenzierung von khalaqa („erschaffen“) zu sehen ist (15:29, 32:9, 38:72, 75:38).

Die Erschaffung der Weidetiere

Bei den folgenden Versen könnte man sich einbilden, er meine, vier Urpaare verschiedener Weidetiere, jeweils männlich und weiblich, seien in einer Sonderintervention auf die Erde gebracht worden:  Er erschuf euch aus einer einzigen Seele, ließ aus ihr ihr Partnerteil sein, und brachte für euch an Weidetieren acht Paarteile herab. (Sure 39:6)Acht Paarteile: An Schafen zwei, an Ziegen zwei - sag: Hat er die beiden Männlichen sakrosankt gemacht, die beiden Weiblichen, oder aber das, was die Gebärmütter der beiden Weiblichen beinhalten? Kündet es mir mit Wissen, wenn ihr wahrhaft seid -, ● An Kamelen zwei und an Rindern zwei. Sag: Hat er die beiden Männlichen sakrosankt gemacht, die beiden Weiblichen, oder aber das, was die Gebärmütter der beiden Weiblichen beinhalten? (Sure 6:143-144) Doch gibt es keinen Grund, der besagten Vorstellung anzuhängen, denn:

Modell 3: Vollkohärente Evolution ohne Sonderintervention

Dieses Modell modifiziert Modell 2 dahingehend, dass es davon ausgeht, dass die Evolution über physikalische und sich davon ableitende chemische und andere Naturgesetze hinaus zu keinem Zeitpunkt weiteren Einflüssen ausgesetzt war, während das Element der Hominisationstheorie gleich bleibt. Während es das höchste Maß der Konfliktfreiheit mit der aktuellen Evolutionsbiologie gewährleistet, muss sich das Modell aus religiöser Sicht befragen lassen, wie denn das Phänomen des organischen Lebens, wenn es auf diese Weise zustandegekommen sein sollte, noch als Beweis für die Macht, das Wissen und die Weisheit des Allschöpfers  dienen könne. Ist eine solche Auffassung nicht sogar Beigesellung (shirk), da sie Natur, Materie und Zufall die Rolle des Schöpfers zu überlassen scheint?

Doch keineswegs würde sich der Wundercharakter des organischen Lebens auf der Erde im Mindesten verringern, sondern lediglich seine Basis würde sich dahingehend verlagern, dass die Eigenschaften der Materie und Wirkungsweise der Naturgesetze dann offenbar so präzise justiert sind, dass sich derart komplexe Organisationsformen von Materie wie diejenige des organischen Lebens „automatisch“ ergeben. Das Wunder der Biologie mag dann oberflächlich betrachtet kleiner geworden sein, dafür aber das Wunder der zugrundeliegenden Physik um so gewaltiger.

Was die angenommene Zufälligkeit von Mutationen angeht, so sind allergische Reaktionen auf ihre Einbeziehung unnötig, denn sie bedeutet zunächst nicht viel mehr, als dass die jeweilige Mutation von dem betreffenden Individuum (oder dem Beobachter) nicht angestrebt wurde, also ihm (oder dem Beobachter) „zugefallen“ ist, von keinem immanenten Akteur (oder auch nur von keinem der forschenden Beobachter) herbeigeführt worden ist und als ausschließlich im Rahmen der Naturgesetze entstanden angenommen werden kann. Nicht aber bedeutet sie, dass die Mutation, ganz gleich wie auswirkungslos oder gar nachteilhaft sie scheinen mag, nicht von einer transzendenten Entität willentlich (wenn auch naturgesetzkonform) bestimmt wurde, egal, ob sie eine der wenigen vorteilhaften, oder eine der mutmaßlich weit häufigeren, nicht dezidiert vorteilhaften „Unangestrebtheiten“ ist. Einzelne Evolutionsbiologen mögen im Rahmen ihrer Privatmeinung, durch die sie den Boden der empirischen Wissenschaft verlassen und sich auf das ihnen fremde Parkett des Geisteswissenschaftlichen begeben, etwas anderes behaupten, aber dies braucht niemanden aus dem Konzept zu bringen. Die Evolutionsbiologie selbst, als empirische Wissenschaft im Idealsinne, kann naturgesetzkonforme Bestimmungen aus einer transzendenten Quelle weder ausschließen, noch gehört dies zu ihren Zielen; sie begnügt sich damit, dass alle Vorgänge äußerlich theoretisch gemäß den Naturgesetzen beschreibbar sind.

Sodann wäre es ein Irrtum, in diesem Modell Beigesellung (shirk) zu sehen und zu glauben, es überlasse Natur, Materie und Zufall die Rolle des Schöpfers. Denn nicht einmal alle involvierten empirischen (z.B. Quarks betreffenden) Naturgesetze, geschweige denn ihre metaphysische Grundlage und ihr letztlicher Ursprung, sind Gegenstand der Evolutionsbiologie. Solange das Modell nicht in Frage stellt, dass die betreffenden Naturgesetze allein von dem lebendigen Ur-Einen aufgestellt worden sind, ist der Vorwurf also unberechtigt.

Darüber hinaus sind Naturgesetze selbst keine handelnden Entitäten (auch wenn die Sprache oder Anderes dies manchmal suggerieren), sondern - und dies liegt außerhalb der Kategorien der Naturwissenschaften - abstrakte Ususmuster (sunan) des allumfassenden göttlichen Wirkens im Umgang mit der kosmischen Materie. Letztlich ist es Gott allein, der jedes einzelne Molekül, ja jedes Atom und jedes Elementarteilchen bewegt und es in seinen jeweiligen Zustand versetzt, so dass in diesem Modell die Evolution, analog zu den Entwicklungen und Bewegungen der Himmelskörper und -systeme, für die Naturwissenschaft, die per definitionem nur das Natürliche im Blick hat und dieses erfasst, autonom verläuft, in Wirklichkeit jedoch bis ins letzte Quark hinein gesteuert und ausnahmslos der Bestimmung Gottes gehorcht.30

Der einzige Unterschied zum Modell der extraphysikalisch gestützten Evolution wäre, dass die Steuerung der biologischen Natur zwar in beiden Fällen im vollen Umfang vorläge, in jenem Modell aber bei genügend gründlicher Beobachtung theoretisch auffallen kann (durch empirisch unklassifizierbar anlasslose Abweichungen von bekannten grundlegenden Naturgesetzen), hier aber nicht, weil die Steuerung auf kurze Sicht allein darin besteht, jedes Elementarteilchen der belebten Materie die auf Basis jener dem Menschen bekannten Naturgesetze vorgezeichneten Wege entlangzuführen. In Modell 1 und 2 besteht die biologische Welt aus vielen kleinen, jeweils in sich abgeschlossenen und miteinander nicht verbundenen Straßennetzen, so dass das Fahrzeug „Evolution“ nur deswegen den Kontinent so weit durchqueren konnte, weil es einige Male aus dem jeweiligen Straßennetz kurz auf das straßenlose Land hinausgesteuert wurde, um auf das andere Netz zu wechseln, während in diesem dritten Modell die Welt aus einem einzigen, gewaltigen Straßennetz besteht, das scheinbar von selbst erklärt, warum das Fahrzeug so weit kommen konnte. In beiden Welten ist das Fahrzeug durchweg gesteuert, und in beiden Welten ist der Erbauer der Straßennetze niemand Anderes als derjenige, der das Fahrzeug steuert. Ein beobachtendes Kleinkind (Naturforscher), das weder jemals ein anderes bewegliches Objekt (evolvierende Natur) noch zuvor Straßen (naturgesetzlich gegebene Möglichkeiten) gesehen hat, noch den Steuernden sieht, würde zeitweise wohl denken, es seien in erster Linie die Straßen mit ihren Windungen und Biegungen, welche die passenden Richtungswechsel des Fahrzeugs vorgeben.

Eine Verifizierung dieses dritten Modells würde jedenfalls der Lehre von der Einzigkeit Gottes (tawħîd) sogar zuträglich sein, zumal sich von selbst versteht, dass die Einheitlichkeit der Schöpfung hinsichtlich ihres Ursprungs, ihrer Vorgänge, ihres naturgesetzlichen Rahmens und ihrer Aufrechterhaltungsquellen zu den vortrefflichsten Hinweisen auf die Einzigkeit ihres Urhebers gehört (vgl. Sure 13:4).

Naturgesetze gehören zum Usus Gottes (sunnatullâh), und vielleicht vertritt keines der anderen Modelle die Konsistenz des göttlichen Usus so konsequent wie dieses, so dass es geradezu vom Ehrwürdigen Koran gefordert zu werden scheint:  Niemals also wirst du am Usus Gottes Wechsel finden. Und niemals wirst du am Usus Gottes Wandlung finden  (Sure 35:43).

Modell 4: Vollkohärente Evolution mit Sonderintervention

Das vierte Modell modifiziert das dritte durch das Element der sonderinterventionalen Anthropogenese aus Modell 1. Somit sind die Harmonisierungsmöglichkeiten dieses letzten Modells im Prinzip bereits vorausgegangen. Wäre die Sonderintervention ein Bruch des göttlichen Usus? Nicht unbedingt, denn in Bezug auf nafs besitzende Wesen (von einem bestimmten Lauterkeitsgrad?) könnte schlicht ein spezieller Usus existieren, der erst ohne diese Sonderintervention als gebrochen angesehen werden müsste. Es wäre nachvollziehbar, wenn er darauf basieren sollte, dass der Mensch von seiner Natur her zwischen Tieren und Engeln steht und letztere ebenfalls nicht aus der organischen Evolution hervorgingen. Es ist ja auch kein Bruch im Usus Gottes, dass manche Tiere Eiern entschlüpfen und andere wiederum nicht.

Der Koran im Einklang mit der Evolutionslehre

Es ist nicht nur so, dass im Ehrwürdigen Koran nichts dem Gedanken einer gottgewollten, sukzessiven Entwicklung des pflanzlichen, tierischen und sonstigen organischen Lebens eindeutig zuwiderläuft, sondern es existieren sogar etwa ein Dutzend Verse, die, wenn sie sie schon nicht antizipieren, so doch in einem bemerkenswerten Einklang mit modernen Vorstellungen von der Evolution stehen oder diese gar bestätigen.

So gehört Evolution insofern unzweifelhaft zur Lehre des Koran, als es nach Adam zur Ausprägung verschiedener Phänotypen führende genetische Veränderungen gab: Ihr Menschen! Wir erschufen euch ja aus einem männlichen und einem weiblichen Wesen und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander erkennt 31 (Sure 49:13) Und zu Seinen Zeichen gehört die Schöpfung der Himmel und der Erde, sowie die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben (Sure 30:22).

Ständige - auch Körper erweiternde - Schöpfung und Aktivität, auch in der Gegenwart: Und Er erschafft (nach wie vor), was ihr nicht wisst (Sure 16:8) Das Lob gehört Gott, dem Urheber der Himmel und der Erde, der die Engel zu Gesandten mit zwei-, drei- und vierfachen Flügeln bestimmte, der Schöpfung hinzufügend, was Er will - denn Gott ist zu allem überaus imstande (Sure 35:1) Jeden Tag befindet Er sich in einer Angelegenheit (Sure 55:19)

Selektion spielt in der Schöpfung eine Rolle: Und dein Herr erschafft und wählt aus, was Er will (Sure 28:68)

Wasser als gemeinsamer Ursprung: Und alles Lebendige ließen wir aus dem Wasser kommen (Sure 21:30) Und Er ist derjenige, der aus dem Wasser Menschenwesen erschuf (Sure 25:54) Hier ist mit mâ°, anders als an anderen Stellen, nicht nur Flüssiges gemeint, sondern - soweit nichts Transzendentes - tatsächlich Wasser, erkennbar an der unvermittelten Bestimmung durch den Artikel al in al-mâ°.

Sukzessive Entwicklung: Was ist euch, dass ihr für Gott keine Würde erhofft ● wo Er euch doch in Etappen erschuf? Die thematische Relevanz dieser Stelle sollte keinesfalls unterschätzt werden, auch wenn sie sich als Bezug auf die Embryonalentwicklung verstehen lässt, und zwar aus den folgenden Gründen: 1.) Die Verwendung der Wurzel Tawr, welche dieselbe ist wie in taTawwur (arab. „Evolution“, „Entwicklung“). 2.) Das Thema der Embryonalentwicklung kommt im Koran an vielen Stellen mit einem weitgehend gleichbleibenden Vokabular vor, dennoch wird diese Wurzel nirgends sonst im Zusammenhang mit dem Thema benutzt. 3.) Selbst wenn zunächst die Embryonalentwicklung gemeint sein sollte: Die Verknüpfung des Entwicklungsgedankens an sich mit der Würde Gottes macht den Wert dieses Prinzips universal und lässt dem vernunftbegabten Glaubenden keine Wahl, als es überall in der Schöpfung zu vermuten. Und tatsächlich ist es quasi überall zu finden, ja der Koran selbst winkt an mehr als einer Stelle „mit dem Zaunpfahl“:  Sodann wandte Er sich dem Himmel zu, als dieser noch Rauch war, worauf Er zu ihm und zur Erde sagte: Kommt, freiwillig oder widerwillig (Sure 41:11)Und wahrlich, Wir schufen die Himmel und die Erde und was zwischen ihnen beiden ist, in sechs Tagen (Sure 50:83) Er erschafft euch in den Bäuchen eurer Mütter, Schöpfung nach Schöpfung (Sure 39:6), Lass also Mich und den, der diesen Bericht zur Lüge erklärt - wir werden sie stufenweise heranleiten, von dort, woher sie nicht wissen (Sure 68:44).

Die Embryonalentwicklung bildet der Evolutionsbiologie zufolge bekanntlich evolutionäre Entwicklungen entfernt ab - auch für den Koran ist der Embryo vor einer gewissen Phase noch kein Mensch: Sodann schufen Wir das Tröpfchen zu einem Anhängsel, worauf Wir das Anhängsel zu einem Fleischklumpen schufen, worauf Wir den Fleischklumpen zu Knochen schufen, worauf Wir die Knochen mit Fleisch bekleideten – sodann ließen Wir ihn zu einer anderen Schöpfung entstehen. Segensreich geheißen sei also Gott, der Vortrefflichste Erschaffer (Sure 23:14) - übrigens ist hier wieder deutlich zu sehen, welche Vitalität dem Entwicklungsprinzip für den Schöpferruhm Gottes zukommt, zumal ausgerechnet dieser die embryologischen Entwicklungsstufen des Menschen betonende Vers der einzige im Koran ist, der Gott  als Schöpfer in einer derart triumphalen Weise rühmt. Nicht unwichtig ist, dass °aħsan („vortrefflichster“) wörtlich auch „schönster“ bedeutet. Für den Koran ist also etwas klar, was ohnehin jeder mit einem gesunden ästhetischen Urteilsvermögen Ausgestattete letztlich anerkennen muss: Die eleganteste und bewundernswerteste Schöpfung ist nicht unbedingt die plötzliche, sondern diejenige im Rahmen einer kontinuierlichen, aufblühenden Entwicklung.

Es scheint - wenn auch nicht zwingend - schon vor Adam Menschen oder menschenähnliche Wesen gegeben zu haben, denn wenn es schon vor ihm angemessen war, von „Menschenwesen“ zu reden, wussten die Angeredeten anscheinend bereits, worum es sich handelt: Als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde nun ein Menschenwesen erschaffen. Wenn Ich es also ausgeformt und ihm von Meinem Geist eingehaucht habe, werft euch vor ihm stirnend nieder  (Sure 38:72) Mit diesen mutmaßlichen Menschenwesen wurden offenbar bereits ungute Erfahrungen gemacht: Und als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde nun einen khalîfah auf der Erde einsetzen; sagten sie: Willst du denn jemanden einsetzen, der Verderben auf ihr stiftet und Blut vergießt, derweil wir in Deiner Lobung Verherrlichung pflegen und für Dich Heiligung üben? (Sure 2:30)

Der Mensch ist kein außerirdisches Wesen, das im Himmel erschaffen wurde und von dort herabgebracht wurde, sondern er entstand im Rahmen eines Prozesses auf dem Erdplaneten: Er weiß besser um euch, da Er euch aus dem Erdenland (°arD) entstehen ließ (°ansha°a) (Sure 53:32) Das Verb °ansha°a wird in der Regel mit der Hervorbringung von etwas im Rahmen eines Entstehungsprozesses in Verbindung gebracht. Mit °arD statt turâb ist zudem klar, dass es sich nicht (nur) um das Material Erde, sondern um das Erdenland bzw. den Planeten handelt. Weiter heißt es über diese Erde zu den Menschen:  Aus ihr haben Wir euch erschaffen, und in sie zurück werden Wir euch versetzen, und aus ihr werden Wir euch ein weiteres Mal hervorholen (Sure 20:55)

Die Abstammung einer Art aus einer anderen ist denkbar: Und ihr wisst doch, wer von euch bezüglich des Sabbats Übertretung beging, worauf Wir zu ihnen sagten: Seid verstoßene Affen (Sure 2:65) ... wen Gott verflucht hat und ihm zürnt, und zu denen Er Affen, Schweine und Anbeter des Moloch gehören ließ (Sure 5:60)

Ständig sterben Populationen aus, und ständig setzen sich andere an ihrer Stelle durch: Und Wir ließen seine Nachkommen die Bleibenden sein (Sure 37:77) Haben Wir nicht die Früheren zugrunde gerichtet ● Und pflegen ihnen dann die Späteren folgen zu lassen? (Sure 77:16-17)

Der Mensch hatte nicht von Beginn an die aufrechte Statur, sondern es gehörte zu seiner Erschaffung, seine gebückte bzw. gekrümmte Haltung zu begradigen: Wahrlich, erschaffen haben Wir den Menschen in vortrefflichster Begradigung32 (Sure 95:4)

Die Hadith-Herausforderung

Wir haben nun festgestellt, dass sich der Ehrwürdige Koran und der Evolutionsgedanke durchaus miteinander vereinbaren lassen und das Sendschreiben Gottes das Prinzip der Entwicklung eher würdigt, als es abzulehnen.

Was aber ist mit den Hadithen, den Aussagen, die dem Gesandten Gottes  zugeschrieben werden? Befinden sich wenigstens die mit intakten Überliefererketten ausgestatteten unter ihnen im Einklang mit diesem faszinierenden, geradezu vor Eleganz funkelnden Konzept? Was das erste und das vierte unserer vier Modelle betrifft, so lässt sich diese Frage ohne Umschweife bejahen. Mehr noch: Es existieren durchaus als authentisch eingestufte Hadithe, die unmissverständlich evolutionäre Aspekte beinhalten.

So schließt ein dem Gesandten Gottes zugeschriebener Ausspruch bezüglich der enormen Körpergröße Adams mit den Worten ab:  Die Geschöpfe33 wurden später aber, bis jetzt, immer kleiner.34. Ein anderer erinnert stark an das Prinzip evolutionärer, selektionsbasierter und generationenweiser Optimierung biologischer Population:  Ich wurde aus der besten Generation der Nachkommenschaft Adams berufen, eine Generation nach der anderen, bis ich zu der Generation gehörte, in der ich war.35

Bei den Modellen hingegen, die Adam als biologisch aus der Evolution hervorgegangen sehen, wird es manchmal schwieriger. Bei manchen wiederum besteht bei genauerer Hinsicht keine Gefahr für solche Modelle:

Gott - voller Machtwürde und Majestät ist Er - erschuf Adam in seiner (voll entwickelten?) Gestalt, sechzig Ellen hoch.36 - Für den Ausdruck in seiner Gestalt mag es verschiedene Verständnismöglichkeiten geben, so dass nicht unbedingt auf diejenige zurückgegriffen werden muss, die dies als Hinweis darauf auffasst, dass Adam keine Embryonalentwicklung durchlief.37 Und was die Größenangabe betrifft, so ist es bemerkenswert, dass zum Einen beim frühen Homo erectus tatsächlich eine im Vergleich zu den wohl meisten späteren Generationen des Homo sapiens höhere Körpergröße festgestellt wurde38 (wenn auch nicht in diesem unwahrscheinlichen Ausmaß) und zum Anderen eine über längere Zeit rein endogame Reproduktion, wie sie die klassische Ansicht den ersten Nachkommen Adams zuschreibt, aus genetischen Gründen tatsächlich zum sukzessiven Schrumpfen der Individuen der nachfolgenden Generationen führt.39 Doch selbst wenn wir für die damalige arabische Elle von nur einem drittel statt einem halben Meter ausgehen, ergäben sich für die Körpergröße Adams 20 Meter, ansonsten etwa 30 Meter oder mehr. So stellt sich natürlich die Frage, warum noch (von Fälschungen abgesehen) keine Spuren von solch riesigen Menschenwesen entdeckt wurden, zumal ja auch mehrere Generationen der angenommenen Vorfahren Adams riesenhaft gewesen sein müssten. Fragwürdig ist auch, wie ein solcher Körper nicht unter seinem eigenen Gewicht zusammenbricht. Ein aufrecht gehender Körper dieser Größe ist statisch nämlich keineswegs mit einem auf Vieren laufenden Argentinosaurus zu vergleichen, dessen Körperlänge (36 Meter) durch relativ leichte und schlanke Hälse und Schwänze erhöht wurde. Der Sachverhalt ließe sich zugunsten von Modell 1 oder 4 als Hinweis verstehen, dass Adam in einer Welt erschaffen wurde, in der eine deutlich geringere Schwerkraft herrschte, als auf der Erde, womit von der These der Sonderintervention auszugehen wäre. Die Überliefererkette ist, wie die meisten Überliefererketten im Şaħîħ-Werk Bukhariys, kaum zu „knacken“. Dennoch weist sie ein Charakteristikum auf, die möglicherweise zu einer Handhabe führt.40

Als Gott Adam im Paradies gestaltet hatte, ließ Er ihn, so lange wie Gott ihn lassen wollte. Da umkreiste ihn Iblis, um zu schauen, was es ist. Als er feststellte, dass er hohl war, erkannte er, dass er (d.h. Adam) als eine Schöpfung erschaffen wurde, die sich nicht beherrscht.41  - Der Ursatan Iblis scheint in dieser Überlieferung eine Lehmfigur zu umkreisen, was auf eine von der Evolution losgelöste Erschaffung hinwiese. Es bestehen aber hadithwissenschaftliche Vorbehalte.42

Seid bei den Frauen zu Gutem angehalten. Denn die Frau ist aus einer Rippe erschaffen worden, und das krummste an der Rippe ist ihr Oberstes. Schickst du dich an, sie zu begradigen, brichst du sie, und wenn du sie so belässt, bleibt sie weiterhin krumm. Seid bei den Frauen also zu Gutem angehalten..43  - Hier könnte eine bloße Redewendung vorliegen und dürfte in dieser Funktion im Arabischen genügend Parallelen haben, die diese Auffassung zulassen;44 immerhin sagt er nicht, die Urmutter sei aus einer Rippe erschaffen worden, sondern die Frau allgemein, was offensichtlich nicht wörtlich so gemeint sein kann, zumal auf Frauen nach der Urmutter aus der Rippe erschaffen zu sein nicht stärker zutrifft als auf Männer. Nawawiy bevorzugt in seinem Kommentar zu diesem Hadith das „biblische“ Verständnis, deutet aber dennoch an, dass wohl nicht alle Großgelehrten des Glaubensverständnisses (fuqahâ°) der Meinung sind, der Hadith beweise, die Urmutter entspringe der Rippe Adams. Der Hauptkommentator des Şaħîħ-Werkes des Bukhariy, Ibn Hajar v. Askalon, wundert sich in seinem Kommentar zu diesem Hadith, dass Nawawiy diese Meinung überhaupt irgendeinem der fuqahâ° zuschreibt.

Ich galt bei Gott schon als [oder: war schon der Knecht Gottes und das] Siegel der Propheten, als Adam noch in seinem Lehmstück lag.45 - Mit Vorbehalt46 kann man diesen angeblichen Ausspruch auf die Zeit der mutmaßlichen „Ursuppe“ beziehen. Die geringe Qualität der Überliefererketten des Hadiths erspart aber wohl die Interpretationsarbeit.47

Der beste Tag, über dem die Sonne aufgeht, ist der Freitag - an ihm wurde Adam erschaffen.48 - Dass Adam an einem Freitag erschaffen wurde, ist weniger problematisch, denn dies kann sich auf die Entstehung der Urzelle oder auch auf eine Embryonalphase beziehen, in der er sich befunden haben kann, besonders diejenige der Einhauchung der Seele oder diejenige, über die es im Ehrwürdigen Koran heißt: Sodann ließen Wir ihn zu einer anderen Schöpfung entstehen.

Gott erschuf Adam aus einem Ballen, den Er aus allen Erdteilen zusammengeballt hatte, worauf die Menschen (wörtl.: die Kinder Adams) gemäß der Erde zustandekamen und zu ihnen der Rote, der Schwarze, der Weiße und der Gemischte gehörte, sowie der Leichtmütige und der Schwermütige, der Gemeine und der Gutmütige.49 - Dieser Hadith will hauptsächlich Diskriminierungen wegen Hautfarben und Veranlagungen die Grundlage entziehen: Alle Menschen entstammen letztlich einem Stück Erdmaterial, und genauso unwichtig, wie es ist, dass ein Klumpen aus unterschiedlichen Erdteilen gesammelt wird, genauso unwichtig für den tatsächlichen Rang eines Menschen ist seine Hautfarbe oder genetische Veranlagung. Die potentiellen Generationen zwischen Adam und dem Lehm werden von dem Ausspruch nicht ausgeschlossen, und ihm ist auch nicht unbedingt zu entnehmen, dass die Parallele zwischen der Verschiedenheit der Erdbestandteile des Lehmmaterials und den Genotypen der Nachkommen Adams ein direkter kausaler Zusammenhang besteht, dies wäre naturwissenschaftlich auch nicht haltbar.

Als Gott Adam den Geist einhauchte und dieser seinen Kopf erreichte, nieste er und sagte: ‚Das Lob gehört Gott, dem Herrn der Welten.’ Daraufhin sagte Er, voller Höhe und Segen ist Er, zu ihm: ‚Gott erbarme Sich deiner.’ .50 - Dies kann eine Phase im Mutterleib sein, denn Kinder haben bereits im Mutterleib Gähn- und Kaureflexe, und auch von auf 2D/4D-Scans zu sehenden Niesreflexen ist bereits berichtet worden.

Wie auch immer, die beste Lösung besteht wohl bezüglich aller auf hochwertiger Grundlage überlieferten problematischen Überlieferungen darin, sich im Falle von unauflösbaren Konflikten an das Prinzip der Vorläufigkeit zu halten: Solange nicht bewiesen ist, dass alle gemeinsamen menschlichen Vorfahren der heutigen Menschheit ausschließlich biologisch-evolutionär entstanden sind, ist die Intaktheit der Überliefererkette des dem widersprechenden Hadiths aus rationalen Gründen das stärkere Argument, und es gilt die Lehre des Hadiths. Diese Gültigkeit ist jedoch - anders, als eine eindeutig koranische Lehre - ausdrücklich nicht absolut, sondern bewusst nur vorläufig. Denn eine einzelne intakte Überliefererkette ist nach der korrekten der zwei hierzu bekannten Gelehrtenmeinungen zwar ein guter, aber kein absoluter Garant dafür, dass die dazugehörige Überlieferung wirklich auf den Gesandten Gottes zurückgeht und sich keiner der Gewährsmänner geirrt oder in seiner Quellenangabe missverständlich ausgedrückt hat. Sollten also eines Tages solchen Hadithen zuwiderlaufende Belege auftauchen, deren Beweiskraft diejenige der Überliefererketten übersteigt, sind die wissenschaftlichen Ergebnisse - je nach Sicherheitsgrad ebenfalls nur vorläufig - zu bevorzugen und zu bestätigen. Mehr noch: Es sollten aktiv Versuche gefördert werden, diese Ergebnisse für, aber genauso auch gegen die Hadithe zu erzielen (ohne ihre Lehren vorzeitig fallen zu lassen), um auf diese Weise auch einen Beitrag zur Optimierung der Hadithforschung zu leisten.

Der Einwand, Naturwissenschaft sei ständig im Fluss und neue Forschungen könnten ja alte Aussagen immer komplett über Bord werfen, zählt hinsichtlich der meisten - auch der als authentisch klassifizierten - Hadithe nicht, da erstens auch Hadithwissenschaft bei Weitem keine statische Angelegenheit ist und dies auch nie war, und zweitens es in der Regel einen Kern gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gibt, der stetig und irreversibel wächst, z.B. ist nicht zu erwarten, dass die moderne Wissenschaft jemals zu der Ansicht zurückkehren wird, die Erde sei eine flache Scheibe.

Der unvereinbare Eindruck

Man könnte nun, falls eines der auf das Konzept der Sonderintervention verzichtenden Modelle korrekt sein sollte, fragen, warum die Offenbarungstexte diese denn dann zwar nicht explizit ausschließen, aber immerhin den Eindruck wecken, als sei der Mensch ohne biologische Zwischenformen aus dem Lehm erschaffen worden.

Nun, abgesehen davon, dass der Ehrwürdige Koran ziemlich unhandlich überquellend und die prophetischen Aussagen vor lauter Details schier untradierbar würden, wenn sie zu jedem Naturphänomen die detaillierten Entstehungsschritte erwähnen würden, deutet diese Frage auf einen suspekten Umgang mit den Offenbarungstexten hin. Denn auch wenn sich der Ehrwürdige Koran durch seine erstaunliche Harmonie mit neuzeitlichen, gesicherten Erkenntnissen auszeichnet und eine nicht geringe Anzahl davon eindeutig vorwegnimmt, ist vor dem Versuch zu warnen, ihn als naturwissenschaftliches Lehrbuch zu benutzen. Anders als ein solches nimmt er nämlich häufig starke Gewichtungen, Fokussierungen und breite Ausblendungen vor, und das aus gutem Grund, zumal sein Hauptziel bei den Naturbezügen nicht die Ablieferung einer vollständigen Naturbeschreibung ist, sondern die ethische und spirituelle Relevanz der jeweiligen Fakten und ihre Gewichtung nach dieser Relevanz nahezulegen, sowie den Blick auf höhere Implikationen zu lenken, die zu sondieren nicht zum Aufgabenbereich irgendeiner Naturwissenschaft gehört.

Doch nur, weil der Koran die Beschreibung bestimmter Prozesse abkürzt, heißt dies nicht, dass er die anderen Elemente des Prozesses ausschließt – das ist der Fehler Vieler beim (offensichtlich suspekten) Versuch, voreilig naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Koran herzuleiten oder solche durch ihn zu widerlegen.

Fazit

Naturwissenschaft fragt nicht, ob die Natur bzw. ihre Phänomene von einem übernatürlichen Urheber und Erhalter metaphysisch (bzw. in Wirklichkeit) abhängen, sondern nur, wie sie untereinander empirisch (bzw. scheinbar) zusammenhängen. Gottglaube und Offenbarung schließen auf der anderen Seite nicht aus, dass sich theoretisch dieser innere Zusammenhang ohne den expliziten Bezug auf den übernatürlichen Urheber und Erhalter beschreiben lässt (Beispiel: zum Regen führender Wasserkreislauf). Genauso wenig, wie die Naturwissenschaft dafür zuständig ist, ihre Erkenntnisse für die Technik oder Medizin zu verarbeiten oder unbrauchbar zu machen, ist sie dies in Bezug auf die Theologie oder Philosophie. Erstere ziehen aus den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ihre utilitären Schlüsse, letztere ihre weltanschaulichen.

Zu Recht allerdings gelten in der modernen Evolutionsbiologie sowohl der Darwinismus als auch sein Nachfolger, der Neodarwinismus, als veraltete Erklärungsansätze für das in höchstes Erstaunen versetzende Phänomen der Evolution, so dass aktuell mehrere Theorien miteinander konkurrieren und eine die andere kritisiert (Synthetische Evolutionstheorie, Systemtheorie der Evolution, Erweiterte Synthese der Evolutionstheorie). Zur Zeit lassen sich nämlich auf bloßer Basis der bekannten physikalischen und chemischen Naturgesetze allenfalls quantitative Phänomene und die Entstehung von Formen und Mustern (z.B. Beinlängen, Fellmuster), nicht jedoch das eigentlich Wichtige erklären: die Entstehung von komplexen Systemen und Mechanismen, insbesondere solcher, die auf genannter Basis nur voll entwickelt oder zumindest mit allen oder mehreren ihrer Komponenten auf einmal entstehen können, was bereits ein einziges Mal geschehen mehr als ein unglaublicher Zufall wäre, geschweige denn viele Millionen Male. Z.B. müssen bei einem Wahrnehmungsorgan, auch bei einem primitiven, damit es überhaupt seinen Vorteil bringt, vielerlei Elemente gleichzeitig vorhanden sein, und keines darf verschwinden, bevor das andere aufgetreten ist:

  1. Peripherie
  2. Reize verarbeitende (erkennende) Instanz
  3. Nervenverbindung zwischen Peripherie und Verarbeitungsinstanz
  4. steuerbare Motorik
  5. Reflex- oder Reaktionsprogramme

Jeder einzelne dieser fünf Punkte birgt für sich eine hohe Komplexität, so dass sich die gleichzeitige Entstehung aller Punkte erst recht als extrem unwahrscheinlich erweist.51 Darum spricht für die von subtilen extraphysikalischen Einflüssen ausgehenden Modelle 1 und 2 momentan deutlich mehr als für die anderen beiden Modelle.

Dennoch sollten alle vier vorgeschlagenen Modelle prinzipiell offen gehalten werden, allein schon um uns nicht vorurteilsbehaftet und somit potentiell ergebnisverfälschend mit naturwissenschaftlicher Forschung auseinanderzusetzen, und auch, um den Eindruck zu vermeiden, die Religion der Ergebung, vertreten durch ihre Anhänger, tendiere in päpstlicher Attitüde zu einer Einengung der Forschung, aus Furcht vor der Entdeckung unangenehmer Wahrheiten.

Es war vermutlich ein methodischer Fehler so mancher Zeitgenossen, zu versuchen, mit vielen einzelnen Phänomenen der organischen Systemkomplexität die pure Existenz eines Urhebers zu beweisen. Wir werden im Ehrwürdigen Koran viele Verse finden, die sich auf die Natur beziehen, aber wenn man genau und ehrlich hinschaut, wird man feststellen, dass wohl kaum einer davon - wenn überhaupt einer - mit diesen Naturphänomenen explizit und in erster Linie für die Existenz Gottes zu argumentieren beabsichtigt. Vielmehr bringt er diese als Beispiele, welche die Einzigkeit Gottes, Seine Wohltat und Seine das Jenseits implizierende Weisheit demonstrieren. Die Anerkennung der Existenz Gottes wird vielmehr vorausgesetzt, bzw. es genügt zu ihrer Erkenntnis die Wahrnehmung der Kontingenz alles Wahrnehmbaren, egal wie komplex oder primitiv es sein mag. Einem Diskussionsteilnehmer in einem Forum - wiewohl er sich scheinbar noch nicht zum Glauben an den Ehrwürdigen Koran durchgerungen hatte - gelang eine  besonders schöne Formulierung dieser Erkenntnis:

„Ein Wunder gibt es aber doch, [...] und das sollte eigentlich ausreichen für für alle Menschen auf der Welt, nämlich dass es überhaupt etwas gibt, und nicht nichts! Und wem das nicht reicht, dem helfen auch keine anderen Wunder, denn dieses eine reicht für alles.“

Im Angesicht Gottes als Urheber aller Vorgänge, aller Zustände und allen Daseins, sowie im Lichte der ungeheuren Konstanz und Funktionalität der Naturgesetze sind die besagten Einzelphänomene auch bei Annahme der Modelle 3 und 4 geeignet, Gottes Einzigkeit, Seine Wohltat und Seine Weisheit zu beweisen, zumal sich Weisheit in der Konstanz und Funktionalität hoher Ordnungen deutlich manifestiert. Eine solche liegt in der kosmischen Grundordnung vor, der weitere hohe Ordnungen entwachsen, welche in derjenigen Ordnung kulminieren, ohne welche die Evolution des organischen Lebens gar nicht erst möglich wäre.

Der mutmaßliche Fehler in der argumentativen Vorgehensweise und die Sorge, die Beweise für die Existenz Gottes zu verlieren, hat vermutlich ebenfalls zum Widerstand gegen die Evolutionslehre beigetragen. Wie dem auch sei: Es gibt keinen Grund, dem Thema Evolution aus Sorge, es könnte mit den Lehren der Offenbarung in Konflikt geraten, auszuweichen oder ihm feindlich gesinnt gegenüberzustehen. Dies sahen glaubende Anhänger der Religion der Ergebung schon zu früheren Zeiten ein, und noch heute verschließen bei Weitem nicht einmal alle „konservativen“ Aufrufer zum Wege Gottes ihre Augen vor den zahlreichen Indikatoren, die für die Realität der Evolution und ihre Harmonie mit dem Ehrwürdigen Koran und den prophetischen Lehren sprechen, wie z.B. Yasir Qadhi, Abdurraheem Green, die  London Dawah Movement und andere im Bereich der Einladung und Aufklärung Tätige zeigen. Denn anstatt die Stärkung des Atheismus durch die Verbreitung der Evolutionstheorie zu befürchten, sollte seine durch ihre blinde Ablehnung verursachte Stärkung befürchtet werden. Und wie lässt sich eifrigen Atheisten besser der Wind aus den Segeln nehmen als mit einem aufrichtigen Lob der Evolutionslehre und der Herausstellung der Tatsache, dass gerade die Evolution ein vortrefflicher Ausdruck für das unablässige Wirken des Schöpfers , sowie für die Stabilität und Feinheit Seiner naturgesetzlichen Ordnung ist?

Zum Befremdlichsten gehört jedenfalls die Behauptung, Evolution gelte nach wie vor überall in der Wissenschaft als bloße Vermutung, mit der trickreichen wie würdearmen Aussage des einen oder anderen Predigers, er habe noch nie ein einschlägiges wissenschaftliches Buch gelesen, das Evolution ausdrücklich als „Tatsache“ bezeichne, als ob über ein Thema im klaren Indikativ zu sprechen nicht genügte. Ebenfalls unrealistisch ist die Verschwörungstheorie, Evolution sei eine westliche, ideologisch motivierte bloße Erfindung zur Durchsetzung des Materialismus und zur Bekämpfung der Religion, oder der Gedanke, sie sei schon deswegen abzulehnen, weil sie von Nichtmuslimen komme. Dabei ist eher das Gegenteil des letzteren der Fall, nämlich dass die Überlieferung der Offenbarung von vertrauenswürdigen Muslimen, aber Naturwissenschaft in vielen Fällen gerade von Nichtmuslimen zu nehmen ist, denn solche sind es, über die das Wort Gottes spricht:  Zeigen werden Wir ihnen Unsere Zeichen an den Horizonten und an ihnen selbst, bis ihnen deutlich wird, dass es die Wahrheit ist (Sure 41:53). Schon allein deswegen kann man als Glaubender zuversichtlich und fasziniert lernend die Entwicklungen der modernen Wissenschaft mitverfolgen (noch besser: an ihnen teilnehmen) und einer ständig zunehmenden Bestätigung des göttlichen Ursprungs dessen, was Mohammed von Mekka, der Sohn Abdullahs aus dem Stamm der Quraysh, uns von seinem Herrn  überbracht hat, entgegensehen.




1 In seiner Muqaddima schreibt Ibn Khaldun:  Wisse, möge Gott uns und dir den Weg der Vernunft weisen, dass wir in dieser Welt sehen, wie sich alle erschaffenen Dinge in ihr in einer Form von Angeordnetheit und Wohlbeschaffenheit, sowie der Verbindung von Ursachen und Wirkungen und der Verbundenheit der einen Welten mit den anderen befinden, und dass die Wunder der Welt darin kein Ende nehmen und ihre Rekorde unaufhörlich sind. Ich beginne diesbezüglich mit der Welt des rein physischen (toten) sinnlich Erfahrbaren, und zwar zu allererst der Welt der wahrnehmbaren Elemente, wie sie schrittweise vom Erdland zum Wasser aufsteigen, sodann zur Luft, sodann zum Feuer, während sie miteinander verbunden sind, wobei jedes einzelne von ihnen bereit ist, sich zum nächsten hinauf oder hinab zu verwandeln, und manchmal verwandelt es sich wirklich. [...] Schaue sodann die Welt des Werdens an, wie sie begonnen hat (oder: beginnt) mit den Mineralen, sodann, in einer einzigartigen Form des stufenweisen Verlaufs, den Pflanzen, sodann den Tieren. Das Ende des Spektrums der Minerale und Metalle grenzt an den Anfang des Spektrums der Pflanzen an [...], und das Ende des Spektrums der Pflanzen [...] grenzt an den Anfang des Spektrums der Tiere an [...]. Angrenzung bedeutet in diesen Hervorbildungen, dass ihr jeweiliges Ende des Spektrums in merkwürdiger Weise bereit ist, zu dem Anfang des Spektrums dessen zu werden, was danach ist. Die Welt der Tiere wurde sehr weiträumig und ihre Arten wurden zahlreich, bis sie in der Aufstufung des Werdens beim Menschen ankam. (Dar al-Jîl, Beirut 2005, S. 96, Kapitel تفسير حقيقة النبوة)
2 Hanan Muhammad Abdulmajid, at-taghayyuru l-ijtimâ'iyy fi l-fikri l-islâmiyyi l-jadîd, The International Institute of Islamic Thought, Herndon/Virginia 2011, S. 165 ff.
3 Rashid Rida, Tafsir al-Manar, zu Sure 4:1
4 In seinem Korankommentar schreibt Qutb in einer Fußnote zu seiner Erläuterung von Sure 23:14:  Die Evolution des Tieres mag durchaus in der Art der Lehre Darwins oder irgendeiner anderen Art bewiesen sein, doch die menschliche Spezies bleibt etwas Besonderes, da sie gewisse Charakteristika trägt, die ihn zum Menschen machen und nicht das Ergebnis einer automatischen Evolution sind.
5 Asad schreibt zu Sure 71:17: This phrase has a twofold meaning. In the first instance, it alludes to the evolution of the individual human body out of the same substances – both organic and inorganic – as are found in and on the earth as well: and in this sense it enlarges upon the creation of the human individual “in successive stages” referred to in verse 14 above. Secondly, it alludes to the evolution of the human species, which, starting from the most primitive organisms living on earth, has gradually ascended to ever higher stages of development until it has finally reached that complexity of body, mind, and soul evident in the human being. (Muhammad Asad, The Message of the Quran)
6 In einem berühmten TV-Interview beim Sender Aljazeera sagte er: Sollte sich die Angelegenheit der Evolution Darwins bestätigen, haben wir genügend Koranverse, die zu ihr passen. - Zu weiteren Persönlichkeiten der islamischen Geschichte in Bezug auf den Evolutionsgedanken siehe den Aufsatz von Dr. Muhammad Sultan Shah: „Pre-Darwinian Muslim Scholars’ Views on Evolution
7 Der im Koran verwendete Name „Adam“ muss nicht unbedingt genau demjenigen Namen entsprechen, auf den die gemeinte historische Person hörte. Der Hauptgrund seiner Verwendung im Koran ist wohl die Wiedererkennbarkeit.
8 Darwin selbst redet in seinem Hauptwerk bezüglich biologischer Individuen von „Geschöpfen“ und schließt es mit den Worten ab: Es ist wahrlich eine grossartige Ansicht, dass der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder nur einer einzigen Form eingehaucht hat, und dass, während unser Planet den strengsten Gesetzen der Schwerkraft folgend sich im Kreise geschwungen, aus so einfachem Anfange sich eine endlose Reihe der schönsten und wundervollsten Formen entwickelt hat und noch immer entwickelt. - Insgesamt ist Darwins Vokabular wesentlich differenzierter als dasjenige mancher heutiger Polemiker. Denn er argumentiert in „The Origin of Species“ nicht gegen Schöpfung allgemein, sondern ausdrücklich gegen die damals vorherrschende biblische „gewöhnliche Schöpfungstheorie“, die er auch „die Theorie unabhängiger Schöpfungsakte“ nennt, so dass er nur „viele besondere Schöpfungsakte“ in Abrede stellt. Gleichwohl kürzt er diese Ausdrücke manchmal leider als „Schöpfungstheorie“ ab. - Einem Studenten schrieb er noch im hohen Alter von 70 Jahren, drei Jahre vor seinem Tod: Es scheint mir absurd zu bezweifeln, dass ein Mensch ein entschiedener Theist und ein Evolutionär sein kann. […] In meinen extremsten Schwankungen bin ich nie ein Atheist in dem Sinne gewesen, dass ich die Existenz Gottes geleugnet hätte. (aus: „Was Darwin über die Evolution der Religion schrieb“ von Michael Blume - spektrum.de)
9http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15118160
http://www.eva.mpg.de/evolution/staff/richter/pdf/07-RichterPalaeoanthropology.pdf
10 http://www.spektrum.de/magazin/der-steinige-weg-zum-leben/827618 ● http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/941188/ ● http://pubs.rsc.org/en/Content/ArticleLanding/2011/SM/C0SM01354D#!divAbstract
11 Oder: „Und Gott vollendete Sein Werk am siebten Tag.“
12 Im Koran sind Tage nicht unbedingt 24-Stunden-Tage. Bezüglich dieser Stelle war schon der frühislamische Koranerläuterer Mujahid b. Jabr der Auffassung, jeder dieser Tage sei 1.000 Jahre lang gewesen. Die korrekte Auffassung ist jedoch, dass die sechs Tage hier nicht zur Zeitangabe, sondern zur Differenzierung von sechs Phasen dienen.
13 Sure 50:38
14
15 Sure 32:7
16 Die Kandidaten „Homo rudolfensis“ und „Homo habilis“ sind (u.a. wegen der bescheidenen Anzahl und qualitativen Kümmerlichkeit der Funde) unter Wissenschaftlern stark umstritten und können ebenso gut Australopithecinen sein. Trotz des Namens des „Homo ergaster“ („arbeitender Mensch“) besteht unter Paläoanthropologen weiterhin große Unsicherheit darüber, ob dieses Wesen jemals entwickelte Werkzeuge benutzt hat.
17  (S. 122-123)
18 Ebd.
19 Hier ist nicht gemeint, dass Gott einen Teil von Sich einhauche, sondern der Geist ist erschaffen und wird von Ihm aufgrund des besonderen Status und Wertes dieser Schöpfung „Mein Geist“ genannt. Dass hier rûh statt nafs steht, obwohl höchstwahrscheinlich Letzteres gemeint ist, dürfte sprachlich-rhetorische Hintergründe haben („meine Seele“ passt weniger zum Einhauchen, vermittelt den hohen Wert der Seele für die geschilderte Situation zu schwach und ist im Arabischen als „mich/mir selbst“ missverstehbar).
20 Sure 38:71-72
21 Sure 22:5
22 Oder: zudem, obendrein
23 Oder: zudem, obendrein
24 Sure 77:20-21 lässt sich entnehmen, dass man davon sprechen kann, dass der Mensch erschaffen worden ist, noch bevor sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutter eingenistet hat. Somit lässt sich Erschaffung auch als bloßer Beginn von Erschaffung auffassen. Interessanterweise heißt es in 32:7 anstatt „Und Er erschuf den Menschen aus Lehm“ tatsächlich: Und die Erschaffung des Menschen begann er aus Lehm
25 Als ein jüdischer Begräbniszug am Gesandten Gottes  vorüberzog, während er saß, erhob er sich aus Respekt. Einer der Umstehenden wunderte sich: „Gesandter Gottes, das ist der Begräbniszug eines Juden.“ Er antwortete, die Bezeichnung nafs verwendend: „Ist es denn keine Seele?“ - Die Überlieferung der Begebenheit wurde sowohl von Bukhâriy als auch von Muslim überliefert und authentifiziert. Wenn der Gesandte nie bei etwas anderem als einem Menschen das gleiche tat, lässt sich dies als Hinweis auffassen, dass unter den für uns sichtbaren Lebewesen nur Menschen eine nafs besitzen.
26 Hier steht zwar rûħ, doch die Signifikanz des Verses beruht darauf, dass wenn auch nicht jede rûħ (wie z.B. die von Tieren) eine nafs ist, so doch jede nafs (im Sinne des Personenkerns) eine rûħ sein dürfte (vgl. arabisch die Suren 15:29-30 und 6:93). Daraus würde folgen, dass wenn schon das Wesen des rûħ ein Geheimnis ist, so erst recht das Wesen der nafs. Zur Seele-Geist-Terminologie siehe ansonsten den Lichtwort-Artikel „Terminologie des Herzens“, Abschnitt „Ist es die Seele?
27 wörtlich: bei
28 http://www.scientificamerican.com/article/strange-but-true-komodo-d/
29 Eine Parallele zu dieser interessanten und zweifellos beabsichtigten Ambivalenz findet sich in Sure 61:6, interessanterweise wieder im Zusammenhang mit Jesus , und zwar mit Mohammed und ohne Adam .
30 Freilich ließe sich fragen, zu welchem Zweck Materie in scheinchaotische Verhältnisse gebracht wird, um einen Teil davon in geordnete Verhältnisse zu überführen, statt jedes Elementarteilchen von Beginn in einer höheren Ordnung zu halten. Naheliegende Antworten sind: 1.) Höhere Erkenntnisse den Schöpfer und das Jenseits betreffenden sollen eine belohnenswürdige Leistung sein und das Erkenntnisvermögen somit Herausforderungen gegenüberstehen (s. Sure 20:15). 2.) Chaotische Strukturen und Vorgänge sind diejenigen Zeichen, welche den Hinweis auf die göttliche Allmacht vervollkommnen, da es keine wahre Allmacht ohne uneingeschränkte Freiheit gibt, so auch die Freiheit vom Zwang zum Vorgehen nach strengen Mustern. 3.) Ordnung lässt sich erst im Vergleich zu Unordnung oder geringerer Ordnung erkennen oder zumindest würdigen.
31 Oder: kennenlernt
32 Wörtlich heißt das Wort taqwîm ausschließlich (!) „Begradigung“, und nicht, wie in vielen Übersetzungen „Form“ oder „Gestalt“, was weder zur Grundsemantik der Wurzel, noch zum im Wortmuster enthaltenen Kausativ passt. Elyas/Bubenheim ist diese Merkwürdigkeit anscheinend aufgefallen und übersetzen wenigstens unter Würdigung des Kausativs, wenn auch immer noch von der Grundsemantik entfernt: „Gestaltung“. Zaidan und Khoury hingegen ignorieren den Kausativ und kommen dafür der Grundsemantik etwas näher: „ebenmäßige[r] Gestalt“ (Khoury), „Aufrechtstehen“ (Zaidan). Die Übersetzungen mit „Form“ bzw. „Gestalt“ sind zweifellos von frühislamischen Interpretationen der Stelle beeinflusst, deren Vertreter die Grundbedeutung nicht mit ihrer Vorstellungskraft zu vereinbaren imstande waren. Dennoch findet sich immerhin bei Tabariy (gest. 923 n. Chr.) eine kurze Bemerkung, der eine Ibn Abbas zugeschriebene Äußerung zugrunde liegt und wenigstens den heutigen Übersetzern einen Anstoß hätte geben sollen:  Andere äußerten die Ansicht, dies sei so gesagt worden, weil alle Tiere nach vorne gebeugt sind, der Mensch aber nicht.. Der brillante Koranexeget Ibn Ashur (gest. 1973)  berücksichtigt in seinem Kommentar zu dem Vers sowohl den Kausativ als auch die Grundsemantik, geht aber von einer rein geistigen oder spirituellen Begradigung aus. - Ebenfalls beachtenswert ist, dass hier derjenige der beiden Kausativstämme zum Einsatz gekommen ist, der zum Ausdruck von Sukzessivität geeignet ist („... in vortrefflichster schrittweiser Begradigung.“).
33 Mit den „Geschöpfen“ sind wahrscheinlich nur Menschen gemeint.
34 Saħîħ al-Bukhariyy, kitâbu l-isti°dhân, Nr. 5873. Der Satz könnte ein persönlicher Zusatz des Überlieferers Abu Hurayrah sein, ist aber nicht als solcher gekennzeichnet.
35 Saħîħ al-Bukhariyy, kitâbu l-manâqib, Nr. 3364
36 Saħîħ al-Bukhariyy, kitâbu l-isti°dhân, Nr. 5873.
37 Siehe dazu den Lichtwort-Artikel „Fehlerfreiheit bei Prophetenworten“, Abschnitt „Die Gestalt Adams
38 Während man beim Homo erectus von bis zu 1,85 m ausgeht, wurden ca. 1,65 m für den durchschnittlichen Westeuropäer des 18. Jahrhunderts geschätzt.
- Komlos, John; Cinnirella, Francesco: „European Heights in the Early 18th Century“
- http://www.kleio.org/de/geschichte/urzeit/menschheit/kap_7/
Bei dem zumindest anfänglich als vom Homo erectus abstammend angesehenen Homo floresiensis sah man sich zunächst nicht nur zu der Annahme genötigt, dass er im Vergleich zu seinem Vorfahren stark geschrumpft war, sondern dies auch mit einer überraschend hohen Geschwindigkeit. Mittlerweile gibt es allerdings Zweifel daran, dass er vom Homo erectus abstammt. Falls als Vorfahr Homo habilis an seine Stelle tritt, ist wohl trotzdem von einer Schrumpfung auszugehen.
39 
40 Zu diesem Hadith und seiner Variante, man solle Gesichter nicht schlagen, weil Gott  Adam in seiner Gestalt erschaffen habe, siehe diese Fußnote im Lichtwort-Artikel „Fehlerfreiheit bei Prophetenworten“.
41 Saħîħ Muslim, kitâbu l-birr, Nr. 2611
42 Der in der Überliefererkette vorkommende Überlieferer Hammad b. Salamah wurde von Bukhâriyy für authentische Hadithe weitestgehend abgelehnt, da seine Gedächtnisleistung in seinen letzten Lebensjahren stark abnahm und er darum häufig durcheinanderkam. Imam Muslim versuchte, ihn bei wichtigen Themen zu meiden, es sei denn er berichtet von dem Überlieferer Thabit al-Bunnaniy (und dies ist hier der Fall), da er der Auffassung war, dass Hammads Überlieferungen, die er von Thabit hatte, grundsätzlich verlässlich waren. Diese Auffassung ist allerdings fragwürdig, denn auch den deutliche Schwächen aufweisenden Hadith von der „Herzoperation“ in der Kindheit des Propheten hatte er von Thabit überliefert (Siehe den Lichtwort-Artikel „Terminologie des Herzens“). - Auch inhaltlich wirkt der Hadith nicht sehr vertrauenerweckend, zumal nicht klar ist, warum die Tonfigur im Unterschied zum fleischlichen Ergebnis hohl ist, und was ihre Hohlräumigkeit mit ihrer späteren Selbstbeherrschung zu tun haben soll.
43 Saħîħ al-Bukhariyy, kitâbu °aħâdîth al-°anbiyâ°, Nr. 3153
44 Vgl. die koranische Redewendung,  Aus Eile ist der Mensch erschaffen (Sure 21:37), um seine natürliche Tendenz zur übermäßigen Eile auszudrücken, oder den Hadith, indem es heißt, Kamele seien aus Teufeln „erschaffen“, um die teufelhaft wirkende Unberechenbarkeit der Tiere auszudrücken. - Wenn man anstelle des Begriffs der Erschaffenheit auf eine Übersetzung mittels des Begriffs der Beschaffenheit (und somit des Bestehens) zurückgreift, könnten alternative Übersetzungen lauten: „Aus Eile besteht der Mensch“ und „Die Frau besteht aus einer Rippe“. Letzteres ließe sich so verstehen, dass die dem Weiblichen und der Rippe gemeinsame Natur des auf Sicherheit oder Zusammenhalt (der Organe bzw. der Familie) bedachten Umschmiegens eine weise Einrichtung Gottes ist, deren eventuelle Kehrseiten der Mann zu tolerieren hat, statt zu versuchen, das sinnvolle Charakteristikum zu beseitigen.  - Sprachlich irritierend an dem Hadith übrigens ist die Tatsache, dass das darin für „Rippe“ vorkommende Wort Dila' im Arabischen ein feminines Nomen ist, vom Hadith aber maskulin verwendet wird.
45 Musnad Ahmad, Nr. 16700
46 Das in dem Hadith vorkommende Wort munjadil („nieder-/langgestreckt“) weckt Assoziationen zu einem liegenden Körper.
47 Der Hauptüberlieferer ist laut Bayhaqiyy eine Person namens Sa'eed b. Suwayd. Sowohl sie als auch ihr Vorüberlieferer sind kaum bekannt.
48 Saħîħ Muslim, kitâbu l-jumu'ah, Nr. 854
49 Abû Dawûd, kitâbu s-sunnah, Nr. 4693, Tirmidhiy, kitâbu tafsîri l-qur°ân, Nr. 2955
50 Saħîħ Ibn Hibbân, Nr. 6165
51 Eine Anekdote hierzu...