Sklaverei im Islam?

Wie lässt es sich mit den Menschenrechten und der ethischen Vollkommenheit der offenbarten Rechtsordnung vereinbaren, dass im Koran die Sklaverei nicht verboten wird?

Hiermit ist kein Fehler feststellbar, denn:

  • Selbst wenn es in der islamischen Lehre echte Sklaverei gäbe: Da allein Gott der Schöpfer des Menschen ist, gibt es nur die Menschenrechte, die Er dem Menschen verliehen hat. Aufgrund seiner konkurrenzlosen absoluten Autorität ist Gerechtigkeit nur das, was Er als Gerechtigkeit definiert. Auch ausgehend vom Kern der Definition für Gerechtigkeit, wie wir sie kennen, kann ihre Existenz oder Nichtexistenz bei Gott nur feststellen, wer alles sieht und alle Faktoren einbeziehen kann. Da der Mensch nur einen winzigen Teil der Wirklichkeit sieht, hat er nicht das Recht, über Gottes Gerechtigkeit zu urteilen.
  • In der islamischen Lehre gibt es keine Sklaverei, d.h. keine im Sinne des rechtlosen Menschen wie in Teilen der römischen oder amerikanischen Praxis vor nicht allzu langer Zeit. - Richtig ist: milk al-yamîn („Besitz der rechten Hand“)1 haben einige Rechte der Vollfreien nicht, dafür aber Erleichterungen im Vergleich zu Vollfreien (z.B. keine Wehrpflicht, milderes Strafrecht, keine Pflicht zur Teilnahme am Freitagsgottesdienst). Ihr Status kommt dem eines normalen Bürgers in mancher Hinsicht erstaunlich nahe.2
  • Außerdem gibt es die Pflicht, milk al-yamîn auf ihren Wunsch ganz freizulassen, wenn sich dies verantworten lässt.3 Auch wird an zahlreichen Stellen in Koran und Sunnah zur Freilassung von milk al-yamîn als vortreffliches Werk motiviert oder als Möglichkeit der Sühne genannt, in speziellen Fällen sogar unverzichtbar zur Sühne gefordert.4 So wird Schritt für Schritt die „Sklaverei“ abgeschafft (in der Zeit des Kalifen Umar b. Abd al-Azîz soll daher einmal ein Punkt erreicht worden sein, an dem es kaum noch milk al-yamîn gab). Dies und die Regelungen zum humanen, würdigen und respektvollen Umgang mit Nicht-Vollfreien ist unter den Religionen der Weltgeschichte einzigartig.
  • Dass diese Art der weitgehenden Abschaffung die beste denkbare ist, erkennt man schnell, wenn man betrachtet, was in Amerika passierte, als man die Sklaverei per politischen Beschluss abzuschaffen versuchte: Ein Bürgerkrieg der brutalsten Sorte mit über 600.000 Toten, 400.000 Verletzten und mehreren Milliarden Dollar Kriegskosten.5
  • Weniger freie Gesellschaftsgruppen waren wirtschaftlich unverzichtbar für die damaligen Gesellschaften. Wir heutzutage haben mit unseren „technologischen Sklaven“ gut reden und haben nie beweisen können, dass eine nicht vollindustrialisierte Nation ohne Sklaven, Kinderarbeit oder eine große ausgebeutete und schlecht bezahlte Proletarierschicht global konkurrenzfähig ist. Mehr noch: De facto hat der Westen Sklaverei wohl nie wirklich abgeschafft, sondern im Gegenteil noch stärker etabliert als jemals in der Menschheitsgeschichte zuvor, auch wenn durch Verlagerungseffekte die Abschaffung täuschend echt scheint.6
  • Ein Verbot totaler Leibeigenschaft und ein totales Verbot von Leibeigenschaft sind moralisch nicht gleichwertig.
1 Das Substantiv milk („Besitz“) meint im arabischen Wortschatz zunächst zwar schon Eigentum im üblichen Sinne, lässt aber auch eine Verwendung zu, die nicht unbedingt eine Degradierung des jeweiligen Menschen zum bloßen Gegenstand oder echten Sklaven kommuniziert, wie an Sure 5:25 zu sehen ist, wo Moses (s) das dazugehörige Verb malaka („besitzen“) auf seinem Bruder Aaron (s) bezieht, ohne zu meinen, er sei sein Sklave. Dass außerdem im Koran Leibeigene nie „euer Eigentum“ genannt werden, sondern „was eurer rechten Hand eigen ist“, scheint genau einer solchen respektvollen Metaphorisierung zu dienen.
2 Dies lässt sich mit vielen Beispielen aus der historischen islamischen Rechtssprechung unterstreichen, z.B. demjenigen eines christlichen „Sklaven“ im Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts, der einen Gerichtsprozess gegen einen vollfreien Muslim gewann, der ihm Geld schuldete.
3 Sure 24:32-33
4 Suren 4:92, 5:89, 58:3, 90:13.
5 Eigentlich müssten zusätzlich die Folgen der Kriege mit einberechnet werden, welche die Entstehung des Kommunismus nach sich zog, da dieser eine Reaktion auf die Ausbeutung der Arbeiterklasse war, welche wiederum für die Forcierung der Industrialisierung benötigt wurde, und sowohl Arbeiterklasse als auch die Industrialisierung selbst an die Stelle der Sklavenschicht treten mussten.
6 http://slaveryfootprint.org - http://is.gd/eZ20mi

Intimbeziehungen mit Leibeigenen?

Einerseits tabuisiert der Koran ausdrücklich die Unzucht und Promiskuität, andererseits erlaubt er auch dem bereits mit einer Frau verheirateten männlichen Besitzer weiblicher Leibeigener, mit diesen intim zu verkehren. Wie ist das zu vereinbaren?

Hiermit ist kein Widerspruch feststellbar, denn:

  • Als einzige Gottheit und Inhaber der absoluten Autorität in jeder Hinsicht hat Gott (erh.) das alleinige ursprüngliche Recht, festzulegen, was Unzucht ist, und was nicht. Bzw.: Unzucht ist allein der Geschlechtsverkehr mit einer Person, mit der diesen zu praktizieren der Schöpfer (erh.) grundsätzlich verboten hat. Nach dieser allein gültigen Definition fällt die in der Fragestellung angedachte Konstellation nicht unter den Begriff der Unzucht, solange die Leibeigenschaft rechtmäßig ist.1 Der sexuelle Verkehr mit einer Magd ist erst dann Unzucht, wenn sie sich zu dem Zeitpunkt im Eigentum einer anderen Person befand oder sonstige grundsätzliche Hinderungsfaktoren bestehen.2 - In verschiedener Hinsicht ist die rechtmäßige Aneignung einer Leibeigenen durch eine freie männliche Person einer Heirat ähnlich genug, um eine intime Beziehung zu rechtfertigen. Dies ist auch nicht frei von Hürden, z.B. muss zu Beginn eine Menstruation und ihr Ende abgewartet werden, bevor ein Sexualkontakt erlaubt ist. Wird sie davon schwanger, darf sie laut einem Hadith und einem Teil der Gelehrten nicht mehr verkauft werden, und ihre Leibeigenschaft endet demnach mit dem Tod ihres Besitzers dann automatisch.
  • Der Frage liegt womöglich eine fehlerhafte Auffassung über den direkten Gegenstand des als Eheschließung zu bezeichnenden Vertrags zugrunde. Mit einer Eheschließung verpflichtet sich in diesbezüglich unverfälschten Kulturen der Mann gegenüber der Frau nicht, mit keiner anderen Person neben ihr eine intime Beziehung einzugehen, sondern er verpflichtet sich, für sie und ihre Kinder dauerhaft eine angemessene Versorgung und Unterkunft, sowie angemessene Lebensumstände und Behandlung in grundsätzlich zumutbarem Umfang sicherzustellen, wohingegen sich die Frau im Austausch dazu nur verpflichtet, ihm den exklusiv-intimen Umgang mit ihr in grundsätzlich zumutbarem Umfang zu gewähren, beide unter der Bedingung, dass der jeweils andere Vertragspartner seine Pflicht erfüllt. Auch wenn die Funktionen und Zwecke der Ehe als Institution (z.B. Ermöglichung und Verwirklichung von Liebe und Barmherzigkeit, Förderung des allgemein-sozialen Friedens, Familiengründung, Abhebung von der Tierwelt als Teil der Verwirklichung des Menschseins etc.) in ihrer Gesamtheit weit darüber hinausgehen und teils von erheblich höherem Rang sind, so muss dennoch unbedingt zwischen diesen Funktionen und dem vertraglichen Gegenstand unterschieden werden, d.h. diese Funktionen sind trotz allem nicht der direkte Gegenstand der Eheschließung in ihrer Grundgestalt. Zumindest in der vormodernen Zeit und auf die Theorie (leider nicht unbedingt immer auf die Praxis) bezogen war die Gerechtigkeit und Notwendigkeit dieser Vertragsgestalt offensichtlich: Gerechtigkeit, weil der Garantie jeder Seite wechselseitig eine gleichwertige Garantie der anderen Seite gegenübersteht (intimzugängliche Exklusivität und Unterhalt; dem als darüber hinausgehend betrachtbaren initialen Zugang als solchen wird im koranischen Recht symbolisch mit der Brautgabe begegnet), und Notwendigkeit, weil in der Zeit vor der Verbreitung von Kontrazeptiva wegen zu erwartender zahlreicher Schwangerschafts- und Stillzeiten Frauen und auch ihre Eltern (welchen als allmählich alternden Menschen die wirtschaftliche Last einer zunehmenden Zahl von Enkelkindern zu tragen nicht zugemutet werden konnte) auf diese Regelung angewiesen waren und es noch heute in den wohl meisten Gebieten der Erde noch immer sind.3
1 In den rechtmäßigen Besitz einer eigenen leibeigenen Person kommt man nach islamischem Recht durch einen gültigen Kauf, eine Schenkung, Zuteilung eines Kriegsgefangenen durch die Führung oder je nach Konstellation durch Geburt, wenn die Mutter sich bereits zuvor in Leibeigenschaft befunden hat. Man kann niemanden rechtswirksam zu seinem eigenen Leibeigenen machen, indem man ihn schlicht entführt, und erst recht nicht, indem man ihn einfach dazu erklärt. Auch darf sich niemand freiwillig zum Leibeigenen von irgendwem erklären. Dementsprechend ergeben sich aus solchen ungültigen Erklärungen keine neuen Rechte oder Verpflichtungen (abgesehen von der Entschuldigung für die Beleidigung o.ä.).
2 Es gibt nämlich weitere Bedingungen, ohne welche der Verkehr illegitim sein kann, z.B. darf keine auch die normale Heirat verhindernde Stillverwandschaft etc. vorliegen. Ist die leibeigene Frau noch verheiratet, darf ihr Eigner mit ihr nach der Mehrheit der Gelehrten ebenfalls keine intime Beziehung unterhalten. Stammt sie aus einer Kriegsgefangenschaft und gehörte ihr Ehemann zum nichtmuslimischen feindlichen Aggressor, wird ihre Ehe in der Regel durch ihre Gefangennahme bis auf Weiteres außer Kraft gesetzt (die Exklusion in Sure 4:24 wird von den Gelehrten nur auf diese Subkategorie weiblicher Leibeigener bezogen). Die Beteiligung eines noch lebenden früheren Ehemannes an der militärischen Aggression, der ja immerhin nicht getötet wurde, sollte Fragen nach der Gerechtigkeit dieser Regelung ihm gegenüber obsolet machen. Aber auch diese Ausnahme wird dadurch begrenzt, dass mit ihr laut der Mehrheitsmeinung, gestützt auf Sure 2:221, sexuell nicht verkehrt werden darf, wenn sie eine Beigesellerin ist, die keiner abrahamitischen Offenbarungsreligion anhängt.
3Unter anderem hieraus ergibt sich auch die Immoralität des Intimverkehrs einer freien Frau mit einem männlichen Leibeigenen, zumal dieser in der Regel weder die wirtschaftliche Kapazität hat, um die Verantwortung im Falle der Schwangerschaft zu übernehmen, noch einen Vertrag mit ihr, der ihr dies garantiert. - Nichtsdestotrotz wird das entsprechende Verbot im Koran nicht direkt und explizit formuliert, weshalb in der Regierungszeit des Kalifen Umar (r) eine Frau mit ihrem Knecht Beischlaf hatte und aufgrund ihrer (Miss-)Interpretation des Koran von der Steinigung verschont wurde.

Keuschheit mit/ohne Leibeigene

Warum wird denjenigen, die keine Möglichkeit zur Heirat haben, befohlen, keusch zu bleiben, obwohl sie theoretisch eine Magd haben könnten (Sure 24:33)?

Hiermit ist kein Fehler feststellbar, denn:

  • Dieser Frage liegt ein bestimmtes Verständnis des Verses zugrunde. Dieses besteht in der Auffassung, dass 1.) dem indirekten Imperativ mittels lâm-Partikel die gleiche Stärke innewohne wie dem direkten Imperativ, 2.) unter Keuschheit absolute Abstinenz zu verstehen sei, und 3.) das Wort nikâħ hier die formale Heirat meine. - Alle drei Elemente des Verständnisses sind diskutabel, doch selbst unter ihrer Voraussetzung ließe sich der Vers auf eine unproblematische Weise verstehen, nämlich dass er einem Junggesellen vorschreibe, keinen intimen Umgang mit seiner eventuellen Magd zu haben, einem Verheirateten aber nicht. Passend dazu lässt sich aus Formulierungen der Sure 2:25 (u.U. per argumentum a fortiori) schließen, dass zur Heirat noch Unfähige vom intimen Umgang mit Mägden Abstand zu halten haben.
  • Wörtlich bedeutet der Beginn des Verses in etwa: Und es sollen sich diejenigen um Keuschheit bemühen, die... . Keuschheit, wie sie die hier verwendete arabische Vokabel iffah meint, ist nicht unbedingt totale Abstinenz, sondern hauptsächlich einfach das Gegenteil von Unzüchtigkeit. Vor diesem Hintergrund ließe sich der Vers als Rechtfertigung heranziehen, sich zur Not eben doch auf eine Leibeigene einzulassen.
  • Das Wort nikâħ hat neben „Heirat“ auch die Bedeutung des bloßen Sexualakts. Diese Bedeutung zugrundegelegt kann die gemeinte Personengruppe per definitionem eben keine Leibeigenen haben.
  • Im Vers davor wird angeordnet, gesellschaftsfähige Leibeigene zu verheiraten (was sich bei Mägden oft mindestens realisieren ließ, indem man sie selbst heiratete), so dass das Ausweichen auf Mägde zugunsten intimer Bedürfnisse nicht unbedingt eine Option ist. Verschärft wird dies durch die bedingte Freilassungsanordnung in 24:33.
  • Auch jenseits der Definition lassen sich genügend Personengruppen finden, die keine Leibeigenen haben können (z.B. wer selbst ein(e) Leibeigene(r) ist, oder allgemein die in der heutigen Zeit lebenden Menschen u.a.).
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Widerspruchsfreiheit zu naturwissenschaftlichen Fakten: Übereinstimmung mit anderen externen Fakten: Theologie und Dogmatik: Ethik: Geschlechtergerechtigkeit:
Innere Widerspruchsfreiheit: Sonstiges: